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payoff Focus

Space Economy: Wachstum in unendlichen Weiten

02.06.2022 10 Min.
  • Serge Nussbaumer, Chefredaktor

Sei es die Rückkehr des Menschen zum Mond, die Erkundung des Mars oder satellitenbasiertes Internet: Die Raumfahrt gewinnt als Wirtschaftsfaktor zunehmend an Bedeutung. Neben staatlichen Agenturen sind immer mehr private Unternehmen in diesem Wachstumsmarkt unterwegs. Insofern ist die «Space Economy» auch für Investoren interessant.

Seit nahezu einem halben Jahrhundert ist auf dem Mond nichts mehr los. Am 11. Dezember 1972 setzte Apollo  17, die letzte bemannte Mission auf dem Erdtrabanten auf. Die dreiköpfige Crew brach mehrere Rekorde: Unter anderem war sie 22 Stunden, und damit so lange wie kein NASA-Team zuvor, auf dem Mond unterwegs. Ausserdem sammelte Apollo 17 das meiste Gestein auf dem Planeten ein. Schätzungsweise 115 Kilogramm Material waren an Board, als ihre Raumkapsel am 19. Dezember 1972 – aufgehängt an drei Fallschirmen – in den Pazifischen Ozean eintauchte und damit auf die Erde zurückkehrte. Knapp 50 Jahre später öffneten Wissenschaftler einige der letzten verschlossenen Proben von damals. Als einziger noch lebender Apollo 17-Astronaut liess es sich Harrison Schmitt nicht nehmen, bei diesem Anlass dabei zu sein. Der knapp 88-jährige schilderte eindrucksvoll, wie die Crew diese einzigartigen Schätze gewinnen konnte.

Unter diesem Titel plant die NASA eine neue Mondmission.

Nächster Halt: Mond

Die von der NASA auf Youtube dokumentierte Analyse diente nicht nur dem Rückblick auf die historische Mission. Vielmehr erhofft sich die US-Weltraumbehörde durch den Einsatz modernster Technik neue Erkenntnisse, beispielsweise zu dem im Mondgestein eingelagerten Wasser. Gleichzeitig dient die Untersuchung der Vorbereitung des «Artemis»-Programms. Unter diesem Titel plant die NASA eine neue Mondmission. Noch ist der Landetermin offen, frühestens 2025 könnte es so weit sein. Fest steht, dass dann erstmals Frauen sowie People of Colour den Planeten betreten sollen. Der Mond ist nur eine Zwischenstation, das eigentliche Ziel dieser Mission ist der Mars.

Artemis steht damit exemplarisch für den enormen Drang des Menschen in die unendlichen Weiten des Alls. Gut 61 Jahre nachdem mit dem Russen Juri Gagarin erstmals ein Erdenbürger im Orbit unterwegs war, wird der Weltraum mit einer nie dagewesenen Intensität erkundet. Auf diese Weise entsteht ein grosser Wirtschaftsfaktor:
«Die in der globalen Raumfahrtindustrie erzielten Umsätze könnten bis 2040 auf mehr als USD 1 Billion steigen», hat Morgan Stanley vor knapp zwei Jahren festgestellt. An dieser Prognose halten die Experten der US-Grossbank fest, sie sprechen sogar von einem neuen Weltraum-Zeitalter. Sollte sich ihre Erwartung erfüllen, würde die «Space Economy» ihr Volumen in den kommenden knapp zwei Jahrzehnten um mehr als den Faktor 2.5 ausdehnen (siehe Grafik 1).

Shuttle-Service der speziellen Art

Ein Blick auf die Struktur des Artemis-Programms zeigt, dass ein Wachstumstreiber in diesem «schwerelosen» Geschäft die zunehmende Kooperation zwischen der öffentlichen Hand und privaten Unternehmen ist. An der Mission sind Partner aus jedem einzelnen der insgesamt 50 US-Bundesstaaten beteiligt. Darüber hinaus arbeitet die Behörde mit mehr als zwei Dutzend europäischen Zulieferern zusammen. Das Budget ist gross: Allein für die erste Phase von Artemis plant die NASA knapp USD 28 Milliarden ein. Davon entfallen annähernd 60% auf das Initial Human Landing System, kurz HLS. Es soll die Astronauten aus dem in einer Umlaufbahn um den Mond kreisenden Gateway sicher auf den Planeten und wieder zurückbringen. Im April 2021 hat SpaceX einen Zuschlag erhalten. Die Weltraumfirma von Tesla-CEO Elon Musk soll mit dem «Starship» am HLS teilnehmen. Mittlerweile hat die NASA in den USA den Auftrag für einen zweiten Transporter ausgeschrieben.

«An der Mission sind Partner aus jedem einzelnen der insgesamt 50 USBundesstaaten beteiligt.»

Die Rückkehr zum Mond ist nur einer der Wachstumstreiber der Space Economy. Im Interview auf Seite xx listet Tom Pelc neun weitere Trends auf. «Die Nachfrage nach Daten ist einer der wichtigsten Wachstumstreiber», erklärt der erfahrene Investmentberater. In der Tat nimmt die Ausbreitung des World Wide Web mittels Satelliten, beispielsweise in Länder mit einer mangelhaften Breitband-Infrastruktur, rasant zu. Auch hier mischt Elon Musk aktiv mit. Mit SpaceX hat er das Hochgeschwindigkeits-Internet Starlink aufgebaut. Für Aufsehen sorgte Musk nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine. Er kündigte an, zerstörte Infrastruktur des angegriffenen Landes mit seinem Dienst zu ersetzen. Nach Ansicht von Morgan Stanley wird das Internet im Jahr 2040 das grösste Segment der Weltraumwirtschaft sein. Es könnte dann für Umsätze in Höhe von USD 412 Milliarden stehen. Als zweitgrössten Teilbereich sehen die Experten das Boden-Equipment, gefolgt von den Space-Aktivitäten diverser Regierungen (siehe Grafik 2).

«Die USA sind nicht die einzige Supermacht mit ehrgeizigen Plänen. »

Günstigere Mehrweg-Raketen

Die USA sind nicht die einzige Supermacht mit ehrgeizigen Plänen. Tom Pelc sieht Russland auf dem besten Weg, in zehn Jahren eine Mondbasis zu bauen. «China startet eine Raumstation und will 2025 eine Mission zur Ablenkung von Asteroiden starten», ergänzt der Anlageprofi. Für den Gründer von Pelc Enterprises zählt der Weltraumsektor zu den interessantesten langfristigen Investmentthemen. Er argumentiert unter anderem damit, dass die Reise in das All immer günstiger zu haben ist. Morgan Stanley verweist diesbezüglich auf die Möglichkeit, Trägerraketen wiederzuverwenden. Durch das Recycling fallen die Kosten für einen Transport in die niedrige Erdumlaufbahn deutlich. Der Preis für einen Satellitenstart ist bereits von USD 200 Millionen auf USD 60 Millionen geschrumpft. Morgan Stanley hält einen Kostenrückgang auf bis zu USD 5 Millionen je Launch für möglich.

Private Rekord-Investitionen

Einig sind sich unser Interviewpartner und die US-Analysten auch in der Einschätzung, wonach die Weltraumtechnologie im Kampf gegen den Klimawandel helfen könnte. Das gilt insbesondere für die Erdbeobachtung. Mit speziellen Satelliten lässt sich beispielsweise der Treibhausgasausstoss von Unternehmen und Regionen feststellen. In einem nächsten Schritt können die Folgen der Erderwärmung für bestimmte Wirtschaftszweige besser vorhergesagt und zudem der Einsatz erneuerbarer Energieträger optimierten werden. Morgan Stanley zufolge spannt sich an dieser Stelle der Bogen zwischen den Megatrends Weltraum und Nachhaltigkeit. «ESG wird für Unternehmen immer wichtiger und Satellitenbilder helfen, hier eine Datenlücke zu schliessen», meint Adam Jonas, Chef des Space-Teams im Research von Morgan Stanley.

Der Analyst braucht nur drei Wörter, um die positiven Aussichten für den Sektor auf den Punkt zu bringen: «Raumfahrt ist existenziell.» Das gelte sowohl für die Zukunft des Planeten als auch für die des Handels. Selbst Corona konnte das Interesse an diesem Megatrend nicht stoppen. Vielmehr erreichten die privaten Investitionen im Space-Bereich im Jahr 2020, dem ersten Jahr der Pandemie, einen neuen Rekord. Jonas führt das wachsende Interesse auch darauf zurück, dass die Beteiligung privater Unternehmen an diesem Geschäft mittlerweile von den Akteuren der Raumfahrt positiver betrachtet wird. Als Beispiel nennt er die NASA. Die US-Weltraumbehörde verfolgt dem Analysten zufolge die übergeordneten, grossen Ziele, wie etwa die Erkundung des Mars. «Private Unternehmen konzentrieren sich auf den Transport in die niedrige Erdumlaufbahn, den Start von Satelliten und die kommerzielle, bemannte Raumfahrt», erläutert der Morgan Stanley-Experte.

«Das zeigt ein Blick auf den S&P Kensho Space Index.»

Space-Benchmark im Korrekturmodus

An der Börse konnte sich der Sektor der allgemeinen Marktschwäche zuletzt trotz aller Euphorie nicht entziehen. Das zeigt ein Blick auf den S&P Kensho Space Index. Seit Mitte 2016 wird diese Benchmark berechnet. Sie zielt darauf ab, die Performance von Unternehmen aus dem Raumfahrtsektor abzubilden. Rund fünf Jahre nach der Lancierung hat der S&P Kensho Space Index ein Allzeithoch erreicht. Anschliessend drehte er nach unten und konnte dem dabei initiierten Abwärtstrend bis heute nicht mehr entkommen (siehe Grafik 3). Mit der israelischen Elbit Systems stammt nur eine von insgesamt 34 Aktien in dieser Benchmark nicht aus den USA. Die Schwergewichte sind der Satellitenanbieter Maxar sowie die beiden Aviation- und Rüstungskonzerne Lockheed Martin und Northrop Grumman. SPDR bildet den S&P Kensho Space Index im ETF-Mantel ab. Jedoch ist dieser passive Fonds nur in Nordamerika zugelassen.

«Leonteq bildet den Space Economy Index mit dem Tracker-Zertifikat MARSTQ ab.»

Anlagelösungen: Partizipation und Renditeoptimierung

Da trifft es sich gut, dass dieses spannende Investmentthema vor gut einem Jahr am Schweizer Markt für Strukturierte Produkte «angedockt» hat. Zunächst nahm Swissquote die Weltraumwirtschaft in das «Themes Trading»-Portal auf. Im aktiv verwalteten Space Economy Index bringt der Broker Satellitenfirmen, Unternehmen aus den Bereichen Luft- und Raumfahrt sowie Verteidigung, Hardwarespezialisten und Telekomwerte zusammen. Wenngleich auch diese Benchmark von Wall Street-Werten geprägt ist, schaffen es mehr internationale Aktien in die Auswahl. Aktuell kommen drei der fünf Schwergewichte aus Europa (siehe Tabelle 1). Zu diesem Trio zählt mit Eutelsat Communications ein Pionier der Satellitenindustrie. Die Franzosen schickten bereits in den 1970er-Jahren ihre Trabanten zu Kommunikationszwecken auf diverse Umlaufbahnen. Heute sind 36 Satelliten des Konzerns für TV- und Streamingunternehmen, Telekomgesellschaften und Regierungen im Einsatz. Leonteq bildet den Space Economy Index mit dem Tracker-Zertifikat MARSTQ ab.

Knapp sieben Wochen nach der Fixierung dieses Partizipationsprodukt hat Vontobel die Konditionen für den Tracker ZSSTUV festgezurrt. Die Privatbank setzt den Solactive Space Technology Index als Basiswert ein. Mit 20 Komponenten zählt diese Benchmark weit weniger Mitglieder als das Swissquote-Pendant. Jeweils 14 Aktien sind in beiden Indizes vertreten. Zu dieser Gruppe zählt Virgin Galactic. Im vergangenen Sommer hat ein Raumschiff des Unternehmens den Gründer und Milliardär Richard Branson in den Weltraum befördert. Trotz dieses PR-Coups büsste die Virgin-Aktie seither massiv an Flughöhe ein – auf Sicht von zwölf Monaten beträgt das Minus annähernd drei Viertel. Virgin Galactic verfügt über fast 800 Reservierungen für einen Flug ins All. Von den Interessenten hat das Unternehmen mehr als USD 100 Millionen eingesammelt. Mittlerweile ruft Virgin einen Basispreis von USD 450’000 für ein Ticket auf. Allerdings brauchen die Freizeit-Astronauten Geduld: Zuletzt musste der Start des Flugbetriebs vom 4. Quartal 2022 in die ersten drei Monate des kommenden Jahres verschoben werden. Die Probleme dieses «Pure Plays» zeigen, dass es sinnvoll ist, diversifiziert in den Sektor zu investieren.

Eine weitere Alternative bieten Renditeoptimierungsprodukte. Mitte Mai hat die UBS drei Luft- und Raumfahrtgiganten als Basiswerte für den Autocallable Barrier Reverse Convertible KKVUDU zusammengebracht. Das Large Cap-Trio macht in der Produktwährung USD eine Couponzahlung in Höhe von 9.00% p.a. möglich. Diese Chance ist durch Barrieren bei 50% der Anfangsfixierung teilgeschützt. Fällt wenigstens eine Aktie auf oder unter diese Marke, wäre das Investment dem Risiko des Basiswerts mit der schwächsten Kursentwicklung ausgesetzt. Wegen der Autocallable-Funktion kann es zu einer vorzeitigen Kündigung und Rückzahlung dieser Emission kommen. Übrigens: Diese drei Unternehmen sind mit dabei, wenn die Menschheit auf den Mond zurückkehrt. Airbus, Boeing und Lockheed Martin arbeiten im Team des Artemis-Programms.

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