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payoff Focus

Structuring-Plattformen: Rennen um den Grand Prix

09.02.2016 8 Min.
  • Martin Raab

Mit grosser Dynamik hat sich die digitale Massschneiderei von Strukturierten Produkten entwickelt. Das Jahr 2016 verspricht ein Rennen um die Marktvorherrschaft. Im Fokus der Emittenten stehen dabei intelligente Datenanalyse und Internationalisierung. Ein Stimmungsbericht aus der «Plattform-Boxengasse».

Das Qualifying um die besten Startplätze für das Rennen um die umsatzstärkste Structuring-Plattform ist seit Winter 2015 abgeschlossen. Warmgelaufen haben sich verschiedenste Anbieter. Die Teams sind bereits seit mehreren Jahren im Training. Dank der Innovationskraft zahlreicher Emittenten müssen heutzutage Strukturierte Produkte nicht mehr ab Stange gekauft werden, sondern der Anleger bzw. Berater kann online sein ganz persönliches Wunschprodukt gestalten, optimieren und anschliessend per Mausklick erwerben. Zu den Pionieren zählt die UBS mit ihrem Angebot «UBS Equity Investor», welches seit über zehn Jahren erfolgreich bei UBS Wealth Management eingesetzt wird und seither mehr als 400’000 Abschlüsse verzeichnete. Im Mai 2015 hat UBS Wealth Management in der Schweiz unter dem Namen «Structured Product Investor» ein neues Tool für massgeschneiderte Strukturierte Produkte lanciert. SP Investor vereint die beiden Anlageklassen Aktien und Devisen – und bietet neuerdings auch Zugang zu Drittemittenten an. Dies war bis dato nicht der Fall. Ebenfalls schon länger etabliert ist das Angebot der Bank Julius Bär, welche mit der «Derivative Toolbox» seit dem Jahr 2008 eine eigene Structuring-Plattform betreibt. Im gleichen Jahr liefen die Motoren für «deritrade», der Emissionsplattform für Strukturierte Produkte der Bank Vontobel, an. Deren Angebot ist inzwischen zur Multi-Emittentenplattform ausgebaut. Ebenfalls im Jahr 2008 nahm Team Leonteq, damals noch unter Flagge von EFG Financial Products unterwegs, ihren «Constructor» in Betrieb. Parallel formierte sich die Credit Suisse mit dem damaligen «SPIRIT» (heute: «MySolutions») zum Wettkampf. Dabei ist das Thema Structuring-Plattform keineswegs nur eine schweizerische Idee – auch angelsächsische Investmentbanken haben elektronische Marktplätze für die individuelle Strukturierung von Anlageprodukten in Betrieb. Deren Plattformen sind allerdings weitaus weniger frequentiert als die obengenannten, da, gemessen am Volumen, das weltweite Zentrum für Strukturierte Produkte nach wie vor die Schweiz ist.

Effizientes Straight through processing gewinnt auch für den Vertrieb und Life-Cycle-Management von Strukturierten Produkten immer mehr an Bedeutung. Tiefe Kosten, intuitives User Interface und globale Skalierbarkeit gilt es als Plattformbetreiber zu meistern. Entsprechend wurde die Nutzung von Structuring-Plattformen von Schweizer Emittenten in den letzten Quartalen zunehmend forciert. Die erhöhten Drehzahlen begründen sich aus einer Mischung von verstärkter bankinterner Akzeptanz, bewusstem Marketing gegenüber internen und externen Neukunden und zusätzlichen technischen Features samt einem deutlich grösseren Basiswertspektrum. Natürlich geht es auch um eine komfortable Bedienung, weiss Gian-Marc Albertini, Head Structuring Plattform bei der Bank Julius Bär: «Die breite Nutzung unserer JB Toolbox setzt sich dank der Anwenderfreundlichkeit immer stärker durch. Pro Tag wird im Schnitt eine fünfstellige Anzahl Pricings generiert.» Gewichtiger Treiber war hierfür, dass die Bank Julius Bär in der Schweiz damit begonnen hat, die «Derivative Toolbox» auch externen Vermögensverwaltern zugänglich zu machen. «Die Reichweite konnte durch diesen Schritt substanziell erhöht werden», freut sich Derivatexperte Albertini. Ebenfalls auf zunehmend positives Echo fällt das Angebot der UBS bei ihren Kundenberatern und den entsprechenden Anlagekunden. «Der Equity und FX Investor sind für unsere Kundenberater seit über zehn Jahren zugänglich und haben sich inzwischen als fixer Bestandteil in unserer Angebotspalette entwickelt. Der neue SP Investor ist die konsequente Weiterentwicklung der seit mehreren Jahren gelebten offenen Architektur im Bereich der manuellen Produkte. Unsere Kundenberater erhalten somit Zugang zu einem grösseren Produkteangebot, können das Emittentenrisiko einfacher diversifizieren und den für den Kunden besten Preis auswählen», erklärt Jürg Schläppi von UBS Wealth Management. Er ist für die Multi-Issuer-Plattform SP Investor zuständig. «Dank den Vorteilen der sofortigen und passgenauen Strukturierung fällt diesen Tools ein bedeutender Anteil des Umsatzes mit Strukturierten Produkten zu und der hohe Automatisierungsgrad ermöglicht eine kosteneffiziente Produktion», ergänzt UBS-Kollege Robin Lemann, Head Public Distribution Schweiz. Starkes Gewicht haben massgeschneiderte Anlagelösungen auch und insbesondere bei Leonteq gegenüber dem traditionellen Produktvertrieb. «Mehr als zwei Drittel unserer Trades sind mittlerweile automatisiert, verglichen mit ca. 50% Mitte 2013. Unsere Kunden haben die Vorteile von Digitalisierung und automatisierten Abläufen zu schätzen gelernt, die ihnen erhöhte Transparenz, Kosteneffizienz und Zeitersparnis bringen», sagt Yann Besnard, Head Business Innovation, bei Leonteq Securities.

Ganz klar in Fahrtrichtung künstliche Intelligenz

Sein Team hat im letzten Jahr vieles an Innovationen im «Constructor» hinzugefügt. So wurden die Anwendungen Leonteq Trends, Equity Screener und Underlying Optimizer neu aufgesetzt. Auch wurde der Avaloq Standalone-Adapter Leonteq Direct lanciert. Dieses Modul ermöglicht erstmals Prozessoptimierung und Kostenreduktion auf der Buy-Side mittels automatischer Produkterstellung und straight-through processing bis in das Depot des Endkunden, bislang noch komplett manuelle Vorgänge. Bemerkenswert sind Leonteq Trends, eine Art Datenbarometer, das basierend auf Plattform-aggregierten Daten Produktetrends für die Anleger bzw. Plattform-Nutzer aufzeigt und der Underlying Optimizer, wo professionelle Anleger Produkte nach Renditeerwartungen analysieren. «Die Anwendung basiert auf einem eigenentwickelten Algorithmus, der Monte Carlo- und machine-learning-Techniken verbindet und so die 30 renditeträchtigsten Kombinationen in Sekundenschnelle ermittelt», erklärt Derivatexperte Besnard. Jeder Vorschlag für einen Basket lässt sich mit Preisen in Echtzeit abbilden und ist für alle Leonteq-Kunden in der Schweiz, Hong Kong und Singapur verfügbar. In die gleiche Richtung geht das im Winter 2015 von der Bank Vontobel lancierte Digital-Werkzeug namens derinet SmartGuide. Auf der breiten Datenbasis von Vontobels Multi Issuer-Plattform für Strukturierte Produkte, «deritrade MIP», können sich Plattform-Nutzer nach vier Kategorien intelligentere, in jedem Fall aber stets den Anlageentscheid bereichernde Input-Parameter anzeigen lassen. Parallel lernt das System mit – Stichwort künstliche Intelligenz. So kann sich der deritrade-Nutzer basierend auf seinem sich gerade online gebauten Produkt mittels vier Filterkriterien («Similarity», «Popularity», «Performance» oder «Community») nach smarten Alternativ-Vorschlägen umsehen. Das Resultat sind Kombinationen, die der deritrade-Nutzer vielleicht noch gar nicht kennt oder bis dato übersehen hat. «Digitalisierung ist der Wachstumstreiber für Strukturierte Produkte», ist sich Roger Studer, Bereichsleiter Investment Banking bei der Bank Vontobel, sicher. Studer betont weiter, dass dies «eine smarte Antwort zum Thema Robo-Advisor ist. Die Anlagevorschläge sollen dabei den Kundenberater beim Gespräch mit dem Kunden unterstützen – da er das komplette Bild des Kunden hat».

Vielfältige Pläne im neuen Jahr

Mit Blick auf das neugestartete Jahr 2016 sind die Konstrukteure bei allen Emittenten voll gefordert, denn die Ausbaupläne der einzelnen Plattform-Teams sind umfangreich. «Wir analysieren die Entwicklungen im Markt für Strukturierte Produkte sehr genau und beziehen diese in unsere Planung zielgruppenspezifisch mit ein. Konkret fokussieren wir uns auf den Ausbau des Life-Cycle-Managements sowie auf die Implementierung neuer Strukturen», skizziert Gian-Marc Albertini von der Bank Julius Bär die Pläne. Bei der UBS-Plattform SP Investor setzt man im Jahr 2016 gemäss Jürg Schläppi von UBS Wealth Management «auf weitere Payoffs und Produkte auf Edelmetalle. Zudem werden wir den globalen Ausbau in Richtung Asien vorantreiben und die Integration in den UBS Advisory Prozess verstärken». Nicht weniger ambitioniert sind die Pläne bei Leonteq. Das Augenmerk wird dort insbesondere auf den Bereichen automatisierte Dokumentation und Smart Data liegen. «Wir werden uns zudem auf die weitere Öffnung unserer Plattform für noch mehr internationale Banken- und Versicherungspartner konzentrieren», so Yann Besnard. Dabei ist das Ziel von Leonteq ganz klar, «die weltweite Nummer eins bei digitalen Lösungen im B-2-B-Bereich für Strukturierte Anlageprodukte zu werden». Scharfer Mitbewerber bei diesem Plan ist die Bank Vontobel. Dort hat man die Vision, mit deritrade MIP «in Zukunft auch Wiederanlagevorschläge auf Basis der Voreinstellungen automatisch zu präsentieren», prophezeit Plattform-Chef Gerhard Meier der Bank Vontobel. Als weiteres Ziel hat Meier «die automatische Risikomessung und Risikosteuerung im Kundenportfolio» im Auge. Das neu begonnene Jahr wird zeigen, ob und wie diese Vision vorankommt. Eine feste Grösse ist auch die Structuring Plattform «MySolutions» innerhalb der Credit Suisse geworden. «Wir sehen eine kontinuierlich steigende Beliebtheit und Nutzung», konstatiert Thomas Schmidlin, Leiter Structured Flow Switzerland bei Credit Suisse. Mit Blick auf das neue Jahr 2016 arbeitet man weiter an Innovationen rund um die Plattform. «Es ist noch etwas zu früh für Details, aber wir sind mit vollem Elan unterwegs», hält sich Schmidlin vorerst bedeckt. Die vordersten Plätze im Rennen um die beste Structuring-Plattform werden in der nächsten Zeit vergeben. Derzeit haben UBS, Leonteq Securities, Julius Bär, Credit Suisse und Vontobel die technologisch besten Rennboliden in der Welt der Structuring-Plattformen präsent. Das heisst aber nicht, dass es keine Newcomer oder Aufholer auf der Strecke geben wird.

 

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