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payoff Learning Curve

Strukturierte Produkte: Kauf oder Eigenbau?

22.10.2010 5 Min.
  • Martin Diethelm

Oftmals werden Vorurteile wie «Abzocke!» oder «Von Strukturierten Produkten profitieren nur die Banken, sicher nie die Anleger!» ins Feld geführt. Werden Strukturierte Produkte tatsächlich zu teuer emittiert? Ist es günstiger, sich die Produkte selbst zu bauen? Das payoff magazine rechnet nach.

Beispiel 1: Ein kapitalgeschütztes Produkt mit Cap

Die Capped Unit auf den SMI der Bank Vontobel (Ticker: VUSMV) bietet einen Kapitalschutz bei 90% und eine Partizipationsrate von 100%, bei einem Cap von 140%. Das Produkt wurde bei einem Stand des SMI von 6441 ausgegeben, also vergleichbar mit dem aktuellen Niveau. Entsprechend notiert das Produkt am Bewertungszeitpunkt bei 98,20% bezogen auf den Ausgabepreis vor einem knappen Jahr. Die Restlaufzeit beträgt gut zwei Jahre. Das Produkt lässt sich (z. B.) wie folgt replizieren: Um den Kapitalschutz von 90% sicherzustellen, wird ein Betrag von (diskontierten) CHF 9’000 in eine Obligation mit einem ähnlichen Risikoprofil wie dasjenige eines fiktiven Vontobel-Bonds investiert. Für die Risikokomponente wird ein Call auf den SMI mit einem Strike von 6441 erworben und gleichzeitig ein Call bei 9019 leer verkauft. In der folgenden Tabelle sind die Berechnungen mit realistischen Marktdaten und Courtagen von günstigen Brokern aufgeführt. Aus der Analyse ergibt sich, dass die Kosten für den Eigenbau leicht (1,29%) tiefer sind als beim Kauf des Strukturierten Produktes. In absoluten Zahlen gesprochen «spart» sich der Anleger beim Eigenbau rund CHF 130 pro CHF 10‘000 Nominal. Allerdings hängen die Resultate relativ stark von den schwankenden Kursen und den spezifischen Konditionen des gewählten Brokers (für den Einzelerwerb der Optionskomponenten) ab. Sicherlich steigt die «Do-it-yourself»-Motivation mit grösseren Investitionsvolumina deutlich an, doch bei Anlagebeträgen zwischen CHF 10‘000 und CHF 100‘000 ist das Heimwerken mit dem eigenen Derivatebaukasten bei diesem Produkt eher uninteressant.

Beispiel 2: Ein Reverse Convertible

Der Leman der BCV (Ticker: BCV045) auf die UBS wurde im Februar 2010 emittiert und läuft bis Ende Februar 2011. Für die Übernahme des Abwärtsrisikos der UBS-Aktie wird der Käufer des Produktes mit einem Coupon von 9% entschädigt. Das Derivat kann entweder mit dem Kauf der Aktien und einem short Call oder dem Kauf einer Obligation in Kombination mit einem short Put nachgebildet werden. Beide Varianten werden in der nachfolgenden Tabelle dargestellt. Hier kommt der Eigenbau sogar teurer als das Strukturierte Produkt zu stehen: Je nach Variante um 0,53% bzw. 1,05%. Ein motivierter «Selberbauer» bezahlt also pro CHF 10’000 Nominal rund CHF 100 drauf, den individuellen Zeitaufwand einmal ausgeblendet. Zu beachten ist, dass der Anleger bei der ersten Replikationsmöglichkeit dem Emittentenrisiko nicht ausgesetzt ist. Würde dieses eingepreist, wären die beiden Alternativen in etwa gleichauf. 

Bei den durchgeführten Tests sind folgende Einschränkungen zu beachten: Die Stückelungen der Eurex-Optionen sind relativ gross, die Auszahlungsprofile sind deshalb nicht exakt replizierbar. Auch sind Optionen mit exakt diesen Strikes nicht erhältlich. Zudem ist das Shorten von Optionen nur bei wenigen Brokern erlaubt. Speziell die grosse Stückelung der Eurex-Optionen und die noch eher raren Short-Möglichkeiten schränken die adäquate Eigenherstellung ein.
Je komplexer, desto grösser der Unterschied

In den dargestellten und zufällig ausgewählten, einfachen Beispielen bewegen sich die Preise der Strukturierten Produkte nahe an den Summen der Einzelkomponenten. Dies hat damit zu tun, dass für einfache Produktkategorien die Replikation simpel ist und sich somit hohe Aufschläge nicht rechtfertigen lassen. Komplexe Produkte hingegen können nicht aus Bausteinen zusammengesetzt werden, somit ist das Pricing schwerer und v.a. ein statischer Hedge oft unmöglich. Dies bedeutet, dass der Emittent das Risiko dieser Produkte durch kontinuierliche Umschichtungen eliminieren muss, was ihm vergleichsweise hohe Kosten verursacht. Diese Ausgaben werden an den Anleger überwälzt. Der Betrag, den die Emittenten zusätzlich auf die Preise der Produkte schlagen, ist für den Privatanleger nur schwer berechenbar und kann zwischen den einzelnen konkreten Derivaten stark schwanken.

Fast das Prinzip «Betty Bossi»

Die zwei Beispiele haben gezeigt, dass Banken bei der Emission von Strukturierten Produkten nicht flächendeckend die Anleger über den Tisch ziehen. Ganz klar muss hier aber auf anfallende Gebühren (Agio etc.) im Primärmarkt geachtet werden. Diese Gebühren werden z.B. bei Tracker-Zertifikaten jedoch oft separat im Termsheet ausgewiesen. Heutzutage lohnt es sich nur noch in seltenen Fällen, einfache Derivatestrukturen wie Bonus-Zertifikate oder Reverse Convertibles selbst nachzubauen. Die fertig angebotenen Produkte sind, wie das obige Beispiel zeigt, bezogen auf den Emissionspreis häufig fair gepreist. Vorsicht ist bei komplexen Produkten geboten: Je komplizierter die Ausgestaltung, desto wahrscheinlicher ist ein teureres Emissions-Pricing, welches Prämien enthält, die nicht im Termsheet aufzufinden und auch nur schwer berechenbar sind. Letztlich muss der Investor entscheiden, ob er bereit ist, dem Emittenten eine Gebühr zu bezahlen, um ein gewünschtes Auszahlungsprofil zu bekommen, welches er nicht oder nur schwer selbst zusammenstellen kann. Das Prinzip lässt sich letztlich mit der kulinarischen Ecke des Lebens vergleichen: Die Convenience Produkte von «Betty Bossi» setzen auf Kunden, die wenig Zeit zum Kochen haben, aber trotzdem genussvoll essen möchten.

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