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payoff Interviews

«Vermögen werden in absehbarer Zeit dezentral gespeichert.»

06.03.2018 5 Min.
  • Martin Raab

Dr. Julian Hosp, Blockchain-Experte, Profisportler, Arzt und Bestsellerautor über Licht und Schatten rund um «Distributed Ledger» – Anwendungen, Token-Sales und brandgefährliche Nutzungsbereiche.

 

Herr Hosp, Sie haben sich einen Namen im Bereich Crypto-Währungen und Blockchain gemacht. Dort gibt es viel Licht und Schatten. Welche konkreten Blockchain-Lösungen sind weltweit überhaupt schon im Einsatz?
Zurzeit sind das hauptsächlich Crypto-Währungen, da weitere Anwendungsbereiche wie die Datenspeicherung, Identifikation, Smart-Contracts usw. noch an gewissen Faktoren scheitern. Dazu gehört die Verbindung zwischen virtueller und physischer Welt. Wie identifiziert man z.B. einen Menschen vor einem Computer mit hundertprozentiger Sicherheit – Face-ID, Fingerabdruck, IrisScan? Dies ist ein Problem, das es noch zu lösen gilt.

Gibt es Start-Ups oder Konsortien, die Sie als «Rising Stars» im Bereich Blockchain sehen?
Wie Sie gerade gesagt haben, gibt es viel Licht und Schatten. Daher kann noch nicht seriös abgeschätzt werden, wer am Ende das Rennen macht. Dazu ist es noch zu früh. Im Vergleich zum Internet befinden wir uns noch vor der «Dotcom Bubble». Wir müssen uns also noch etwas gedulden und werden erst im Laufe der Zeit sehen, welche Projekte übrigbleiben und sich als solche «Rising Stars» etablieren.

Was ist ihre Meinung zu den unzähligen «Token Sales», die bewusst das Stichwort Blockchain als Marketing-Element nutzen und oft fragwürdige Geschäftsmodelle verwenden?
Das ist in der Tat ein heisses Thema. Ich wage zu behaupten, dass von diesen Token-Sales schlussendlich maximal ein Prozent übrigbleiben wird. Viele Personen werden ihr Geld verlieren, wenn sie nicht kalkuliert investieren. Es ist hoch riskant – und bedarf striktem Risikomanagement.

…wie lässt sich «Sense» von «Non-Sense» bei diesem Thema aus Investorensicht trennen?
Man muss vor allem auf die Teams schauen: Es braucht Manager, die füh-rungskompetent sind, Unternehmer, die das Business nach vorne bringen und Entwickler, die viel Erfahrung haben. Gelingen oder Scheitern eines Unternehmens liegt in den Händen des Teams.

Wo sehen Sie konkret Risiken beim Thema Blockchain?
Ein konkretes Risiko sehe ich bei blockchain-basierten Versicherungen. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Wenn ich mein Haus, sagen wir für CHF 250’000, auf einer Blockchain versichere, können wildfremde Personen darauf spekulieren, dass mein Haus niederbrennt. Plötzlich ist also Interesse vorhanden, dass meinem Haus in naher Zukunft tatsächlich etwas zustossen wird. Das ist wortwörtlich brandgefährlich und überhaupt noch nicht zu Ende gedacht.

Welche Trends werden wir in nächster Zeit erwarten dürfen?
Ich denke, dass in der nächsten Zeit mehr grosse und legitime ICOs auf den Markt kommen werden, ähnlich wie wir das zurzeit bei Telegram und Kodak sehen. Ein weiterer Punkt wird die Tokenisierung sein, also die Speicherung von Vermögenswerten wie Aktien, Immobilien, Gold etc. in Form von Tokens. Aber nicht nur Vermögen, sondern ganze Datenbänke können und werden vermutlich in absehbarer Zeit dezentral gespeichert werden. Bis wir hingegen auch Identitäten dezentral verwalten, wird es noch eine Weile dauern.

«Die Schweiz ist auf dem Papier beim Thema Crypto vorne, jedoch nicht in der Realität.»

…Stichwort Trends – Gute Geschäfte machen der zeit insbesondere Managementberatungen, weniger die Blockchain-Companies selbst, oder?
Das stimmt auf jeden Fall: Ich könnte CHF 50‘000 am Tag verlangen und hätte eine Warteliste. Consultants verdienen derzeit prächtig. Ich konzentriere mich aber auf mein eigenes Unternehmen.

Die Schweiz hat sich selbst zur Crypto-Nation ausgerufen. Wird ihr dieser Titel bleiben?
Nur, wenn die Schweizer Politik offener gegenüber der Einstellung von auslän-dischen Fachkräften wird. Ich höre von vielen Schweizer Unternehmen, dass gerade das ein Problem ist. Zurzeit ist die Schweiz auf dem Papier beim Thema Crypto zwar vorne, jedoch nicht in der Realität.


Herzlichen Dank!

 

VITA
Dr. Julian Hosp, Jahrgang 1986, ist Profisportler, Arzt, Unternehmer, Blockchain-Experte, Speaker und Bestsellerautor. Er war zehn Jahre lang Profi-Kitesurfer und gehörte zu den Top 10 der Weltrangliste. Nach seiner High-School-Zeit in Nashville, Tennessee, verfolgte er sein Medizinstudium in Innsbruck. Nach dem Abschluss arbeitete er kurze Zeit als Unfallchirurg, doch entschloss er sich seinen unternehmerischen Träumen nachzugehen und zog nach Asien. 2015 wurde er Mitgründer des in Singapur ansässigen Fintech-Startups TenX, ein auf Crypto-Währungen spezialisierter Debitkarten-Provider. Parallel hat er drei Bücher geschrieben. Im jüngsten Werk «Crypto Currencies» erklärt er anschaulich die Welt von Bitcoin, Etherium & Co. Julian Hosp wurde in kurzer Zeit zu einem der einflussreichsten Experten der Welt für Blockchain und Crypto-Währungen. Er ist international ein häufig eingeladener «Keynote Speaker» bei Veranstaltungen und ein regelmässiger Gast im Fernsehen (CNBC, Bloomberg), Radio und Print zu Themen wie aktuelle Blockchain-Trends, die Zukunft von Crypto-Währungen und Unternehmertum. Hosp lebt mit seiner Verlobten in Singapur.

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