Von der Galerie ins Portfolio: Wie Kunst zur stabilen Finanzanlage wird
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Serge Nussbaumer
Chefredaktor
Wir wünschen Ihnen viel Spass beim Hören:
Herr Schneidinger, was macht Kunst zu einer attraktiven Anlageklasse und wie unterscheidet sie sich von traditionellen Anlageformen wie Aktien oder Immobilien?
Ein wichtiger Punkt ist natürlich die Diversifikation, denn Kunst hat eine ganz andere Dynamik als die meisten traditionellen Anlageklassen und ist daher wahrscheinlich die wichtigste Anlageklasse, die tatsächlich noch diversifiziert. Dabei spielt es sicherlich eine Rolle, in welchem Segment man sich bewegt. Partasio konzentriert sich hier ausschliesslich auf das Premiumsegment. Wir nennen das «Blue-Chip», und da sind die risikobereinigten Renditen sehr attraktiv. Auf die Frage, was den Kunstmarkt aus finanzieller Sicht von anderen traditionellen Anlageklassen unterscheidet, würde ich antworten: Effizienz und Transparenz.
Der Kunstmarkt ist wahrscheinlich der grösste legale Insidermarkt, den es noch gibt. Während dies auf der einen Seite sicherlich sehr viele Herausforderungen schafft, bietet es auch sehr viele Chancen, wenn man richtig positioniert ist.
Wie hat sich der Kunstmarkt in den letzten Jahrzehnten entwickelt und welche Trends sind derzeit zu beobachten?
Ich finde es immer ein bisschen gefährlich, vom Kunstmarkt zu sprechen. Denn in Wirklichkeit besteht der Kunstmarkt aus sehr vielen verschiedenen Segmenten, die oft nichts miteinander zu tun haben. Bei Partasio konzentrieren wir uns auf das hochwertige Segment, weil es aus finanzieller Sicht das mit Abstand wichtigste ist.
Tatsache ist, dass 95% der Kunst einen emotionalen und kulturellen, aber keinen finanziellen oder ansonsten einen hochspekulativen Wert hat. So ist es nicht verwunderlich, dass sich der Markt im Premiumsegment in den letzten Jahrzehnten professionalisiert und globalisiert hat. Durch Covid ist er in den letzten Jahren sicherlich auch deutlich digitaler geworden. Betrachtet man jedoch die Grunddynamik des Premiumsegments, hat sich in den letzten Jahrzehnten wenig verändert.
Wie beeinflussen kulturelle und gesellschaftliche Trends den Wert von Kunstwerken?
Kunst ist ein Kulturgut. Kulturelle und gesellschaftliche Trends beeinflussen diesen Markt daher sehr stark. Ob dies einen grossen Einfluss auf die finanzielle Seite hat, sei dahingestellt. Was man in den letzten Jahren auf dem Kunstmarkt aber gemerkt hat, ist, dass zum Beispiel afroamerikanische Künstler wichtiger geworden sind und dass es auch eine Wiederentdeckung von Künstlerinnen gegeben hat. Und das hat natürlich schon einen grossen Einfluss auf die Preise bestimmter Künstler und Werke. Man muss natürlich zwischen nachhaltigen und sehr kurzfristigen Trends unterscheiden. Dazu gehört die ganze NFT-Geschichte, die vor allem während der Covid sehr gehypt wurde und seitdem grösstenteils wieder verschwunden ist.
Welche Rolle spielen Kunstmessen und Auktionen im Kunstmarkt und welche Bedeutung haben sie für Investoren?
Auktionen spielen eine zentrale Rolle auf dem Kunstmarkt, da sie etwa die Hälfte des gesamten Marktvolumens ausmachen und die erzielten Verkaufspreise öffentlich zugänglich sind. Sie bieten somit die einzige Möglichkeit, verlässliche und transparente Marktdaten zu erhalten. Gleichzeitig bedeutet dies jedoch, dass die andere Hälfte des Marktes im Verborgenen bleibt, was wiederum die bestehende Intransparenz unterstreicht – und genau darin liegt eine enorme Chance.
Kunstmessen spielen in der Kunstwelt eine zentrale Rolle, da sie für viele Galerien weltweit oft überlebenswichtig sind. Die Zahl dieser Messen nimmt ständig zu, was sie zu einer wertvollen Quelle für Marktinformationen macht. Kunstmessen zeigen relativ transparent, zu welchem Preis ein Kunstwerk angeboten wird. Ob und zu welchem Preis ein Werk tatsächlich verkauft wird, bleibt jedoch oft unklar. Diese Intransparenz mag auf den ersten Blick ein Nachteil sein, wir sehen darin aber auch eine grosse Chance. Deshalb meiden wir beim Ankauf Auktionen und Kunstmessen. Stattdessen nutzen wir unsere eigenen Kanäle, um im Off-Market-Bereich zu besonders attraktiven Preisen einzukaufen.
Wie wird der Wert eines Kunstwerks bestimmt und welche Faktoren sind dabei am wichtigsten?
Kunst ist objektiv betrachtet eine Anlageklasse, die keinen Cashflow generiert. Ihr Wert wird daher ausschliesslich durch Angebot und Nachfrage bestimmt. Daher ist es wichtig, diese beiden Faktoren genauer zu betrachten. Insbesondere das Angebot stellt für junge Künstler oft eine Herausforderung dar. Sobald sie erkennen, dass es eine Nachfrage nach ihren Werken gibt, neigen sie dazu, ihre Produktion zu steigern. Dies kann sich negativ auf die Preisentwicklung auswirken, da ein Überangebot die Nachfrage übersteigen kann. Im hochkarätigen Kunstsegment ist das Angebot in der Regel kein grosses Problem. Oft handelt es sich um Werke von Künstlern, die entweder bereits verstorben sind oder ein fortgeschrittenes Alter erreicht haben. Bei noch relativ jungen Künstlern im hochwertigen Segment sind es meist renommierte Galerien, die ihre Vertretung übernehmen und dafür sorgen, dass das Angebot begrenzt bleibt.
Es ist wichtig, zwischen den verschiedenen Segmenten zu unterscheiden, da ein Grossteil der Kunst unter einer geringen Nachfrage leidet. Das bedeutet, dass der Wert eines «normalen» Kunstwerkes, das man in einer Galerie erwirbt, unmittelbar nach dem Kauf drastisch sinkt, da kaum Interesse am Markt besteht. Im Hochpreissegment hingegen herrscht eine andere Dynamik. Hier gibt es eine mehr oder weniger institutionalisierte Nachfrage, die den Wert stabilisiert. Deshalb sind wir überzeugt, dass ein Künstler eine wirklich breite und tief verwurzelte globale Nachfrage braucht, um einen nachhaltigen Wert zu erzielen und Preisschwankungen zu minimieren. Angebot und Nachfrage sind also von entscheidender Bedeutung.
Welche realistischen Renditen können Investoren von Kunst als Anlageklasse erwarten und wie ist dies im Vergleich zu anderen Anlageklassen?
Im Hochpreissegment gestaltet sich die Situation anders als auf dem allgemeinen Kunstmarkt. Verschiedene Indizes versuchen, die historischen Renditen in diesem Bereich zu erfassen, wobei der Artprice100© Index international als der renommierteste gilt. Laut diesem Index hat der Kunstmarkt in den letzten zwei bis drei Jahrzehnten jährliche Renditen von etwa 8% bis 9% erzielt. Betrachtet man jedoch die Künstler, die als wirklich hochwertig, international anerkannt und langfristig relevant gelten, reduziert sich die Gruppe auf etwa 40 Namen. Diese exklusive Gruppe erzielt Bruttorenditen von rund 15% pro Jahr.
Welches sind die grössten Risiken bei Investitionen in Kunst und wie können sie minimiert werden?
Das grösste Risiko, das häufig auch in den Medien thematisiert wird, ist die Fälschung. Beim Kauf jüngerer Kunstwerke lässt sich dieses Risiko relativ gut minimieren. Schwieriger wird es jedoch bei älteren Kunstwerken. Hier sind die Dokumentationen oft lückenhaft, wodurch das Risiko steigt, auf eine Fälschung hereinzufallen.
Das zweite grosse Risiko stellt die Raubkunst dar, ein Thema, das in Europa wohlbekannt ist. Aus diesem Grund legt Partasio den Fokus ausschliesslich auf Gemälde, die nach 1945 entstanden sind. Dadurch umgehen wir nicht nur das Problem der Raubkunst, sondern minimieren auch die Gefahr von Fälschungen, da die Dokumentation dieser Werke einwandfrei sein muss. Sollte es dennoch Zweifel an der Authentizität geben, ist es für uns selbstverständlich, solche Bilder nicht in Betracht zu ziehen.
Wie verändert die Digitalisierung den Kunstmarkt, insbesondere durch Online-Auktionen und virtuelle Galerien?
Der Zugang zum Kunstmarkt hat sich insbesondere im populären Kunstsegment verbessert, vor allem durch die Digitalisierung und die verschiedenen Plattformen, die sich stark auf Mainstream-Kunst konzentrieren. Im Hochpreissegment ist der Einfluss hingegen nach wie vor gering. Zwar hat der Auktionsmarkt in den letzten Jahren eine Zunahme von Online-Bietern für hochwertige Kunst verzeichnet, insgesamt hat sich der Markt dadurch aber kaum verändert. Deutlich stärker ist der Einfluss im Bereich der Mainstream-Kunst.
Wie können Technologien wie Blockchain die Transparenz und Sicherheit auf dem Kunstmarkt verbessern?
Transparenz ist ein viel diskutiertes Thema, insbesondere auf dem Kunstmarkt. Viele glauben, dass neue Technologien den Markt zwangsläufig transparenter machen. Ich sehe das kritisch. Gerade die grossen Player, die auf dem Kunstmarkt grosse Gewinne machen, profitieren von der bestehenden Intransparenz. Es wird also viel getan, um diese Intransparenz zu erhalten. Ich bezweifle daher, dass der Markt in naher Zukunft wesentlich transparenter werden wird. Interessante Entwicklungen gibt es hingegen im Bereich der Authentizität: Verschiedene Unternehmen setzen auf die Blockchain-Technologie, um mit digitalen Zertifikaten die Echtheit von Kunstwerken zu garantieren.
Welche Rolle spielt Partasio im Kunstmarkt? Was macht Ihr Unternehmen und wie profitiert der Investor davon?
Der Kunstmarkt ist eine der bedeutendsten und ältesten Anlageklassen, denn Kunst wird seit Jahrhunderten gehandelt. Viele wohlhabende Familien und Einzelpersonen besitzen Kunstwerke, die von Generation zu Generation weitergegeben wurden. Zur Diversifizierung ihres Vermögens investieren sie neben Gold und anderen Anlageformen auch in Kunst, häufig mit dem Ziel des Kapitalerhalts. Aus Diversifikations- und Renditegründen ist es daher sinnvoll, Kunst als Teil eines Finanzportfolios in Betracht zu ziehen. Allerdings stellen die hohen Einstiegshürden im hochwertigen Kunstsegment ein erhebliches Hindernis dar, da die hohen Preise der Werke ein beträchtliches Vermögen erfordern, um in diesem Markt erfolgreich agieren zu können.
Bei Partasio senken wir bewusst die Einstiegshürden, um mehr Menschen die Möglichkeit zu geben, in erstklassige Kunst zu investieren. Dies erreichen wir, indem wir kleine Portfolios mit sorgfältig ausgewählten Werken renommierter Künstler zusammenstellen. Jedes Portfolio umfasst 4 bis 6 Kunstwerke mit einem Wert pro Kunstwerk zwischen CHF 500’000 und CHF 3 Millionen. Über ein aktiv verwaltetes Zertifikat können Anleger bereits ab CHF 30’000 in diese Portfolios investieren und erhalten so erstmals einen unkomplizierten und professionellen Zugang zu hochwertiger Kunst. Die Werke werden rund fünf Jahre gehalten und dann zum optimalen Zeitpunkt verkauft. Der Verkaufserlös wird direkt an die Investoren ausgeschüttet. So können Anleger relativ passiv am Kunstmarkt teilnehmen und attraktive, risikoadjustierte Renditen erzielen.
Wie wählt Partasio die Gemälde aus, die gekauft werden sollen, und wo findet man sie?
Das ist ein äusserst zentraler Aspekt, der auf mehreren Ebenen betrachtet werden muss. Die erste Ebene besteht darin, die Künstler zu identifizieren, auf die wir unseren Fokus legen sollten. Wie bereits erwähnt, haben wir etwa 40 Künstler ausgewählt. Dabei haben wir eine Reihe strenger interner Kriterien festgelegt, die gewährleisten, dass ein Künstler langfristig und global relevant ist. In diesem Zusammenhang spielt die Dynamik von Angebot und Nachfrage eine entscheidende Rolle. Unser Ziel ist es, sicherzustellen, dass die Nachfrage sowohl tief als auch breit gefächert ist.
Es gibt quantitative und qualitative Kriterien. Zu den qualitativen Kriterien gehört beispielsweise, ob ein Künstler von einer renommierten internationalen Galerie vertreten wird und ob er von globaler Bedeutung ist. Das heisst, der Künstler muss in Nordamerika, Europa und Asien relevant sein. Bei den quantitativen Kriterien spielen Faktoren wie Verkaufszahlen über bestimmte Zeiträume, Auktionsrekorde und ähnliche Indikatoren eine Rolle. Solche Anforderungen kann ein Künstler nur erfüllen, wenn er oder sie langfristig erfolgreich ist. Es gibt rund 40 Nachkriegskünstler, welche all diese Kriterien erfüllen. Entscheidend ist dann, die richtigen Werke dieser Künstler zu einem attraktiven Preis zu erwerben.
Die Intransparenz und Ineffizienz des Kunstmarktes stellt eine grosse Chance für uns dar. Unser Team von Kunstexperten, das seit 25 Jahren in der Branche tätig ist, verfügt über ein starkes globales Netzwerk, das uns dabei unterstützt, diese Hürden zu überwinden. Um die fehlende Transparenz im Kunstmarkt zu umgehen, tätigen wir unsere Käufe ausschliesslich Off-Market. Das bedeutet, dass wir weder bei Auktionen noch auf Messen kaufen und bewusst keine Werke erwerben, die jemals bei einer Auktion angeboten wurden. Stattdessen nutzen wir unser Netzwerk und kaufen direkt, wodurch die oft hohen Kommissionen, wie sie etwa bei Christie’s oder Sotheby’s anfallen, entfallen. Unser Ansatz erlaubt es uns zudem, kontinuierlich unter Marktwert einzukaufen, was finanziell besonders attraktiv ist. Während man auf Finanzmärkten meist zum Marktwert kauft, bietet der Kunstmarkt – mit dem richtigen Netzwerk und der passenden Strategie – weiterhin die Möglichkeit, unter Marktwert zu erwerben. Das ist die eigentliche Chance, die wir nutzen.
Welche Veränderungen in der Wahrnehmung von Kunst als Anlageklasse erwarten Sie in den kommenden Jahren?
Ich bin fest davon überzeugt, dass hochwertige Kunst ein wesentlicher Bestandteil eines ausgewogenen Finanzportfolios sein sollte und künftig eine grössere Rolle spielen wird. Der Hauptgrund, warum dies bislang nicht weit verbreitet ist, liegt meiner Meinung nach in der Intransparenz und Ineffizienz des Kunstmarktes. Darüber hinaus unterscheidet sich die Dynamik des Kunstmarktes erheblich von der eines typischen Finanzmarktes, was vielen Finanzexperten Schwierigkeiten bereitet. Die Akteure und Prozesse in beiden Welten sind grundverschieden. Daher sehe ich die Schlüssel zum Erfolg in diesem Bereich darin, die Finanzwelt mit der Kunstwelt geschickt zu verbinden. Es ist entscheidend, das Quantitative und das Qualitative in einem sich ergänzenden Umfeld zu vereinen. Bei Partasio verfolgen wir genau diesen Ansatz. Wir hoffen, dass wir nicht die Einzigen bleiben, die dies tun, und dass künftig alle Menschen die Möglichkeit haben, hochwertige Kunst in ihr Finanzportfolio aufzunehmen.
Vielen Dank!
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Pascal Schneidinger
CEO von Partasio
Von 2011 bis 2021 war er Mitbegründer und CEO von Servimex Home (Shanghai). Zuvor leitete er die Übernahmen in Kontinental-
europa bei Starwood Capital in London und war Vice President bei der Deutschen Bank. Seine Karriere begann er als Analyst bei Credit Suisse in New York. Er hat einen Bachelor of Science in Finanzwesen und Rechnungswesen von der Wharton School und ist CFA-Charterholder.