Vorsicht, AI
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Martin Raab
Investment-Stratege
Themeninvestments sind geniale Geldmaschinen – wenn man früh genug auf das richtige Pferd setzt. Bei Artificial Intelligence droht bereits jetzt die erste Blase.
Nach Monaten ohne Drehzahl im Investment Marketing und starkem «Tech-Winter», poppt nun in fast jedem «Investment Memo» das Thema künstliche Intelligenz hervor. Im englischen Branchenjargon als «AI» abgekürzt, sprudeln Investorengelder und Kursphantasie bei jeglichen Unternehmensnews zum Stichwort AI ungezügelt. Es greift die Angst um sich, «the next big thing» zu verpassen. Gemäss einem PitchBook-Bericht, haben Venture Kapitalisten ihre Investitionen im Bereich AI von USD 408 Millionen im Jahr 2018 auf zuletzt über USD 4,5 Milliarden im Jahr 2022 vervielfacht. Auch die Zahl der Angel- und Seed-Deals ist gestiegen: 107 Deals und USD 358,3 Millionen im Jahr 2022 gegenüber nur 41 Deals und USD 102,8 Millionen im Jahr 2018.
Auch Larry Fink vom Hype erfasst
Auch im traditionellen Assset-Management ist AI in aller Munde. So kühl die Raumtemperatur beim BlackRock 2023 Investor Day in New York war, so heissblütig sprach CEO Larry Fink über die massive Transformation, die uns allen mit AI bevorsteht. Zufälligerweise hat man auch den iShares Robotics and Artificial Intelligence Multisector ETF im Angebot, womit Anleger in das Thema bequem investieren können. Auch andere Fondshäuser wie die DWS, Allianz, Vontobel und Oddo BHF sind stark mit entsprechenden Themenfonds am Start. Bei den Themen-Zertifikaten gibt es inzwischen eine sehr breite Auswahl, manch Beobachter würde gar vom AI-Dschungel sprechen.
Bunte Mischung
Interessant ist die kritische Begutachtung, was eigentlich in den kotierten Wertschriften – egal ob Fonds, ETF oder Strukturiertes Produkt – an Basiswerten beim Thema AI enthalten ist? In welche (vermeintlichen) AI-Unternehmen wird das Geld der Anlegenden investiert? Etwas unheimlich tauchen als grösste Positionen oft Amazon oder Adobe auf. Noch eher mit AI in Verbindung zu bringen sind tatsächlich Chipdesigner und -hersteller wie Nvidia, doch auch hier ist bei den aktuellen Kursexplosionen Vorsicht geboten.
Nüchtern bei genauem Hinsehen
Teil der Wahrheit ist – so etwas liest man natürlich in keinem der fancy AI-Investment Memos –, dass es derzeit keine echte «künstliche Intelligenz» gibt, sondern es unter dem Strich, sorry für die ernüchternde Abkürzung, von Menschen eingetippte Codezeilen sind, die auf definierte Inputs wiederum definierte Outputs erzeugen. Selbstverständlich kann dies erhebliche Produktivitätssprünge in diversen Branchen ermöglichen und auch Wettbewerbsvorteile erzeugen, doch von Zauberhand entsteht auch künftig kein authentisches Fachbuch, eine selbstlernende AI-Beifahrerin im Auto oder werden konsistent Überrenditen am Markt in einem AI-Vermögensverwalter erwirtschaftet. Daher sind die Bewertungen von «AI-linked» Unternehmen im Börsenumfeld wie auch im Private Equity und Venture Capital Bereich mit grösster Vorsicht ein gutes Stück an die Realität zu diskontieren.
Ältere Semester unter Anlegern kennen vielleicht noch ähnliche Hypes wie den «Commodities Super-Zyklus» (2004-2008) mit Superstars wie Jim Rogers oder das «Emerging Markets Century» oder die «BRICs-Decade» des in zwischen geadelten Lord Jim O’Neill. Besser man sieht sich nicht die Performance an, die bis heute mit diesen Mega-Trends erzielt wurde. Wirklich profitabel sind Mega-Trends nur die ersten drei bis vier Jahre – für Anlegende und Initiatoren gleichermassen.
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