Währungen: Wo Chancen locken
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Serge Nussbaumer, Chefredaktor
An den Devisenmärkten blickt man derzeit gebannt auf Inflation, Zins, Geld- und Geopolitik. Wir zeigen auf, was von Euro, Dollar und Franken in diesem komplexen Umfeld zu erwarten ist und wie sich davon profitieren lässt. Ebenfalls im Blick: Kryptos – die «neuen» Währungen.
Wir leben in unruhigen Zeiten. Die Krisen scheinen nicht abreissen zu wollen: vor zwei Jahren der weltweite Schock durch die Corona-Pandemie, dann das Comeback der Inflation und nun die Russische Invasion der Ukraine. All das hat auch an den Währungsmärkten zu Turbulenzen und volatilen Wechselkursbewegungen geführt. Eine wahre Achterbahnfahrt vollführte zum Beispiel der EUR/USD-Kurs, das meistgehandelte und liquideste Währungspaar der Welt. Kostete der Euro im Frühjahr 2020 rund USD 1.08, wertete die Gemeinschaftswährung in der Spitze bis auf USD 1.23 auf, um dann wieder geschwind zurückzufallen. Zuletzt notierte der Euro nur noch bei USD 1.055, dem niedrigsten Stand seit Anfang 2017 (siehe Grafik 1). Auch beim Schweizer Franken hat sich Bemerkenswertes getan. Seinem Ruf als Krisenwährung gerecht werdend sah er sich im Verlauf der vergangenen zwei Jahre in erheblichem Umfang unter Aufwertungsdruck gesetzt. Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine ist die heimische Devise gegenüber dem Euro kurzzeitig sogar unter die Parität abgetaucht.
«All das hat auch an den Währungsmärkten zu Turbulenzen und volatilen Wechselkursbewegungen geführt.»
Währungen als Anlageklasse
Aus Anlegersicht spielt die Investmentklasse Devisen häufig nur eine untergeordnete Rolle. Gerade private Investoren legen ihr Augenmerk in erster Linie auf Aktien oder Obligationen. Jedoch ergeben sich aus den Bewegungen und Bewertungen der Währungen zueinander immer wieder attraktive Chancen. Dabei können spekulative Motive im Vordergrund stehen, etwa um mit Hebelprodukten kurz- bis mittelfristig auf steigende oder fallende Wechselkurstrends zu setzen. Aber auch strategische Gesichtspunkte können eine Rolle spielen – etwa um von Zinsdifferenzen in den verschiedenen Währungsräumen zu profitieren. Einen Blick ist der Devisenmarkt, kurz Forex, allemal wert. Bekanntlich ist er mit einem durchschnittlichen täglichen Handelsvolumen von USD 6.6 Billionen (Stand: 2019) der mit Abstand liquideste Markt der Welt. Zum Vergleich: An allen Aktienbörsen der Welt wird täglich nur ein Zehntel dieser Summe umgesetzt. Zudem kennt der Handel mit Währungen im Gegensatz zu den meisten anderen Anlageklassen keine Ruhepause. Durch die Zeitzonen in Asien, Europa und Amerika sind US-Dollar, Euro, Schweizer Franken, englisches Pfund & Co. rund um die Uhr handelbar.
«Aus Anlegersicht spielt die Investmentklasse Devisen häufig nur eine untergeordnete Rolle.»
Was die Devisenkurse bewegt
Wer auf Währungen setzen möchte, kommt nicht umhin, sich Gedanken darüber zu machen, welche Faktoren die Wechselkurse beeinflussen und von welchen Markterwartungen sie bewegt werden. Aktuell spielt bei Kursprognosen vor allem die Inflationsentwicklung, die Reaktion der Notenbanken darauf sowie die heikle Geopolitik eine zentrale Rolle. Das gilt vor allem für das Major-Paar EUR/USD. Der Euro hat zuletzt insbesondere unter den Ereignissen in der Ukraine gelitten, aber auch unter der sehr zögerlichen Haltung der EZB hinsichtlich eines restriktiveren geldpolitischen Kurses.
Obwohl die Inflationsrate in der Eurozone im März auf 7.5% nach oben geschnellt ist und damit das höchste jemals gemessene Niveau seit Einführung der Gemeinschaftswahrung erreicht hat, scheint EZB-Chefin Christine Lagarde der Teuerungswelle weiterhin erstaunlich gelassen entgegenzusehen. Liegt das etwa daran, dass die Inflationsprognosen der EZB schon beinahe notorisch der tatsächlichen Entwicklung hinterherlaufen? Gerade dieser Punkt sorgt für zunehmenden Unmut in der konservativen Wirtschaftspresse: «Lagarde spielt va banque», heisst es beispielsweise in einem Artikel der NZZ vom 27. April 2022. Die EZB räume zwar Probleme bei der Inflationsprognose ein, ziehe aber keine Konsequenzen daraus. In dem Beitrag wird dem Zentralbankrat nahegelegt, nicht stur an den eigenen Inflationserwartungen festzuhalten, sondern schnellstmöglich damit zu beginnen, die Inflation zu bekämpfen.
«Lagarde spielt va banque.»
Erster Zinsschritt in Q3 erwartet
Die EZB rechnet weiterhin damit, dass die Inflation im kommenden Jahr wieder auf die Zielmarke von 2% zurückkehren wird. Das ist trotz der zu erwartenden Konsolidierung bei den Energiepreisen eine gewagte Einschätzung. Ungeachtet dessen: Die EZB wird nicht umhinkommen, in diesem Jahr an der Zinsschraube zu drehen, wenn auch nur ein bisschen. Der Marktkonsens geht derzeit davon aus, dass die Zentralbank im 3. Quartal 2022 den Einlagenzins, der aktuell bei minus 0.5% liegt, erhöht und dieser im 1. Quartal 2023 wieder positives Terrain erreicht. Allerdings unter der Voraussetzung, dass die Euro-Wirtschaft infolge der Ukraine-Krise nicht in eine Rezession abdriftet, was immer wahrscheinlicher wird.
«Wesentlich aggressiver geht die Fed gegen die hohe Inflation vor.»
USD: Fed macht mobil
Wesentlich aggressiver geht die Fed gegen die hohe Inflation vor. Die US-Notenbank hat den Leitzins bereits im März erhöht und dürfte weitere Schritte rasch folgen lassen. Möglicherweise sogar mehr als die fünf bis sechs Anhebungen, die der Markt derzeit erwartet. All das spricht tendenziell für den US-Dollar und gegen den Euro. Einige Marktexperten sehen den EUR/USD-Kurs von aktuell USD 1.05 auf oder gar unter Paritätsniveau fallen. Das mag sich zunächst etwas gewagt anhören, ist aber alles andere als an den Haaren herbeigezogen. Denn es wird vermutet, dass die EZB, sobald der Inflationsdruck etwas nachlässt, eine Pause einlegen und weitere Zinserhöhungen bis auf weiteres verschieben wird. Das hat auch damit zu tun, dass den europäischen Währungshütern ein übermässiger Anstieg der Zinsen nicht gelegen sein kann. Denn das könnte einige Euro-Staaten aufgrund ihrer hohen Verschuldung gefährlich in die Bredouille bringen. Sollte es tatsächlich zu einer Pause oder einem Stopp im Erhöhungszyklus kommen, dürfte das vom Markt als Abkehr vom Normalisierungspfad interpretiert werden und den Euro arg belasten. Was die Federal Reserve betrifft, besteht zwar die Gefahr, dass die raschen Zinserhöhungen Bremsspuren in der US-Wirtschaft hinterlassen. Solange die US-Notenbank aber bereit ist, der Inflationsbekämpfung den Vorrang einzuräumen, dürfte sich eine Konjunkturabkühlung nicht negativ auf den US-Dollar wirken.
«Daraus ergibt sich eine Polsterwirkung, über die etwaige Kursrückgänge abgefedert werden kön-nen.»
Von der US-Dollar-Power profitieren
Wer von einem weiter erstarkenden US-Dollar ausgeht, kann auf vielfältige Weise davon profitieren. Risikofreudige Anleger stehen etwa mit Short-Hebelprodukten Instrumente zur Verfügung, um auf einen fallenden EUR/USD-Kurs zu setzen. Ein Beispiel dafür ist der Mini-Future Short MEUAEV der Bank Vontobel. Das Produkt ermöglicht es Anlegern, mit einem Hebel von aktuell 11.5 an einem sinkenden EUR/USD-Kurs zu partizipieren. Der Mini-Future verfügt über keine feste Laufzeit. Aber: Sollte der EUR/USD-Kurs entgegen den Erwartungen zulegen und die Stop-Loss-Marke bei aktuell 1.1414 reissen, würde das Produkt sofort fällig und lediglich zu einem geringen Restwert zurückgezahlt werden. Den überproportionalen Gewinnchancen stehen also entsprechend hohe Risiken gegenüber.
«In beiden Fällen wäre eine taktische EUR/CHF- Long-Position eine Option.»
US-Hochzinsanleihen gegen Inflationsängste
Ein andere – zwar nicht ganz so naheliegende – aber dennoch interessantere Investmentmöglichkeit in den US-Dollar bietet der US-High-Yield-Markt, also das US-Hochzinssegment. Warum? Steigende Zinsen gehen doch mit fallenden Anleihekursen einher. Allerdings hat die Vergangenheit gezeigt, dass sich die Renditen von Papieren unterhalb des Investment Grades (Rating kleiner als BBB) in einem Umfeld von steigenden Zinsen und Inflation als ausserordentlich widerstandsfähig erwiesen haben. Sie bieten zum einen höhere Coupons. Daraus ergibt sich eine Polsterwirkung, über die etwaige Kursrückgänge abgefedert werden können. Zum anderen weisen sie tendenziell kürzere Laufzeiten auf. In einem Umfeld steigender Zinsen bedeutet eine kürzere Duration ein geringeres Abwärtsrisiko, da Geld schneller in Neuemissionen mit einer höheren Verzinsung reinvestiert werden kann. Zu interessanten Ergebnissen kommt in diesem Zusammenhang eine Studie der US-Investmentbank T. Rowe Price. Demnach gab es in den vergangenen 15 Jahren sechs Zeiträume, in denen die Zinsen von 10-jährigen US-Staatsanleihen um 100 Basispunkte oder mehr gestiegen sind. Und in jedem dieser Zeiträume lieferten Hochzinsanleihen positive Performance-Ergebnisse mit einer durchschnittlichen kumulierten Rendite von 9.39 % (siehe Grafik 4). Eine Möglichkeit, breit diversifiziert in den Markt für US-Hochzinsanleihen einzusteigen, bietet der iShares USD High Yield Corp Bond UCITS ETF (ISIN: IE00B4PY7Y77). Der Exchange Traded Fund bildet die Wertentwicklung eines Portfolios aus US-Dollar lautenden Unternehmensanleihen unterhalb des Investment Grades ab. Der die Allokation vorgebende Referenzindex ist der Markit iBoxx USD Liquid High Yield Capped Index. Frei von Risiken ist der genannte ETF freilich nicht. Denn Papiere aus dem Non-Investment-Grade-Segment beinhalten deutlich höhere Ausfallrisiken, was zu Verlusten beim ETF führen kann.
«Wenn es um Devisen geht, dürfen mittlerweile auch Kryptowährungen nicht mehr unerwähnt bleiben..»
Und was macht der Schweizer Franken?
Im Unterschied zu vielen anderen Ländern bewegt sich die Teuerung in der Schweiz mit einer Inflationsrate von 2.4% (März 2022) noch auf moderatem Niveau. Zwar dürfte die Inflation auch hier länger auf einem höheren Level verweilen als vor dem Ukraine-Krieg gedacht. Allerdings trägt der starke Schweizer Franken dazu bei, dass die Inflation nicht überschiesst. Für die SNB besteht somit kein dringender Handlungsbedarf in Sachen Geldpolitik. Sie dürfte sich vielmehr an der EZB orientieren und den Leitzins erst im 3. Quartal anheben. Viel Spielraum für (deutlich) höhere oder niedrigere EUR/CHF-Notierungen ergeben sich aus diesem Aspekt also nicht. Für Bewegung könnte allerdings ein anderer Faktor sorgen: der Krieg in der Ukraine. Der russische Angriff hat die Nachfrage nach dem Franken als sicheren Hafen stark angefacht. Je nachdem, welchen weiteren Verlauf die Krise nimmt, sind verschiedene Szenarien vorstellbar. Eine weitere Eskalation oder gar ein Übergreifen des Konflikts auf weitere (osteuropäische) Länder dürfte den Aufwertungsdruck auf den Franken erneut verstärken. Die SNB könnte dem zwar eine Weile zusehen, wird aber, wenn ein gewisser Punkt erreicht ist, zur Intervention bereit sein und damit für eine Entlastung beim Schweizer Franken sorgen. In dem anderen Szenario bleibt der Ukraine-Krieg zwar ein Thema, er treibt jedoch die Risikoaversion an den Märkten nicht weiter an. Es stellt sich sozusagen ein Gewohnheitseffekt ein. In diesem Fall sollte der Druck vom Schweizer Franken von selbst weichen, also ohne Eingreifen der SNB. In beiden Fällen wäre eine taktische EUR/CHF-Long-Position eine Option, setzt aber zumindest im Interventionsszenario ein gutes Timing voraus. Als spekulative Finanzinstrumente können hier ebenfalls Hebelprodukte wie Mini-Futures zum Einsatz kommen. Einen Mini-Future Long auf EUR/CHF ist in der Produkttabelle zu finden.
Kryptos: Währungen der Zukunft?
Wenn es um Devisen geht, dürfen mittlerweile auch Kryptowährungen nicht mehr unerwähnt bleiben. Immerhin gelten Bitcoin, Ether & Co vielen Anlegern bereits als die (digitale) Zukunft des Geldes. Mehr als 10‘000 Cyber-Coins sind mittlerweile im Umlauf. Zusammen bringen sie eine Marktkapitalisierung von mehr als USD 2 Billionen auf die Waage. Da mag man schnell den Überblick verlieren. Erschwerend kommt hinzu, dass der Wert von Kryptowährungen zum Teil von ganz anderen Faktoren beeinflusst wird, als das bei klassischen Devisen der Fall ist. So etwas wie Notenbanken gibt es im Krypto-Universum bekanntlich nicht. Es ist also niemand da, der über die Geldpolitik die Währung steuert und an dessen Entscheidungen man sich orientieren könnte. Stattdessen reagiert Cybergeld oftmals sehr sensibel auf Posts von Influencern aus den sozialen Medien. Ein prominentes Beispiel dafür ist Tesla-Chef Elon Musk, der gerade mit einem Kaufangebot für Twitter für Schlagzeilen sorgt. Schon in der Vergangenheit liessen seine Tweets den Bitcoin – je nach Inhalt der Nachricht – mal ruckartig durch die Decke gehen oder abrupt in die Tiefe rauschen. Entsprechend schwierig ist es, die Wertentwicklung von Kryptowährungen seriös zu prognostizieren.
Nicht alles auf einen «Coin» setzen
Trotz aller Unsicherheiten: Der Krypto-Sektor hat mittlerweile eine Bedeutung erreicht, die sich aus Anlegersicht kaum mehr ignorieren lässt. Allerdings ist es für Investoren, die mit der Materie wenig vertraut sind, ratsam, nicht alles auf einen «Coin» zu setzen. Stattdessen bieten sich gerade für Einsteiger Produkte an, die einen langfristigen Anlagehorizont ermöglichen, eine angemessene Streuung gewährleisten und eine automatische Steuerung beinhalten. Dazu gehört ein Tracker-Zertifikat (Symbol: CCMITQ) auf den Leonteq Crypto Market Index. Der Index bildet die Wertentwicklung von derzeit 11 Krypto-Assets ab, die zusammen für rund 73 % der gesamten Krypto-Marktkapitalisierung stehen. Die Zusammensetzung wird vierteljährlich überprüft und angepasst und umfasst derzeit Algorand, Avalanche, Bitcoin, Cardano, Dogecoin, Ether, Litecoin, Polkadot, Polygon, Solana und XRP.