

Warum Investoren Mexiko nicht unterschätzen sollten
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Christopher DiSalvatore
Redwheel -
Ferdinand Campell
Redwheel
Das Redwheel-Emerging-Markets-Team hat jüngst Mexiko besucht und mit Vertretern aus Wirtschaft und Politik gesprochen. Sie schildern die Stimmung vor Ort und beleuchten strukturelle Entwicklungen, die eine genauere Betrachtung wert sind.
Mexiko ist als Wirtschaftsstandort stark von den USA abhängig. Mehr als 80 Prozent der Exporte gehen über die Nordgrenze in die Vereinigten Staaten. Schon die Ankündigung von Zöllen durch den nächsten US-Präsidenten Donald Trump hat daher das Potenzial, die mexikanische Wirtschaft ins Mark zu treffen. Bei den Wahlen in Mexiko im Sommer 2024 hat die amtierende Regierungspartei einen klaren Sieg errungen. Seither herrscht eine gewisse Unsicherheit darüber, welche Richtung die Politik nun einschlagen wird. Diese Bedenken spiegeln sich zum Teil auch an den Aktienmärkten wider, die zuletzt entsprechende Risiken eingepreist haben.
Solides wirtschaftliches Fundament
Doch trotz der erheblichen Volatilität an den Aktienmärkten und einer Währungsabwertung von etwa 20 Prozent bleibt das Wirtschaftswachstum Mexikos stabil. Aktuell liegt es real bei etwa 2,2 Prozent. Zwar könnte es aufgrund einer Verlangsamung der US-Wirtschaft zu weiteren Schwächen kommen, derzeit aber ist das Fundament solide. Dennoch herrscht in vielen Unternehmen eine abwartende Haltung, auch angesichts der Regierungsübernahme von Claudia Sheinbaum im vergangenen Oktober. Die promovierte Umweltwissenschaftlerin und ehemalige Bürgermeisterin von Mexiko-Stadt trat 2024 als erste Frau in der Geschichte Mexikos das höchste Staatsamt an. Ihre politische Agenda und ihre Massnahmen werden angesichts einer Fülle von Herausforderungen entscheidend dafür sein, wie sich das Vertrauen in die Wirtschaft weiterentwickelt.
Drei zentrale Themen werden in den nächsten drei bis fünf Jahren massgeblich für die wirtschaftliche Entwicklung Mexikos sein. Erstens: das Wachstum im Bereich niedriger Einkommen. Insbesondere der Discount-Einzelhandel zeigt hier grosses Potenzial. Aktuell gibt es rund 2500 Filialen und das Segment wächst jährlich um 400 bis 500 neue Geschäfte. Die Penetration von Discount-Märkten in Mexiko liegt derzeit bei nur 2 Prozent, verglichen mit 10 bis 12 Prozent in anderen Ländern. Zweitens: Der E-Commerce-Sektor wächst strukturell, in Mexiko ausgehend von einer aktuellen Marktdurchdringung von 7 bis 8 Prozent. Besonders Mercado Libre profitiert von dieser Entwicklung und nutzt seine Netzwerkeffekte, um auch im FinTech-Bereich zu expandieren. Drittens: Nearshoring bietet dem Land erhebliche Chancen. Durch die Verlagerung von Lieferketten weg von China hin zu Mexiko könnten besonders der Industriesektor und die gewerbliche Immobilienwirtschaft profitieren.
Bau-Boom voraus?
Auch das Thema Infrastruktur spielt eine wichtige Rolle und ist im Redwheel-Portfolio etwa durch die bedeutende Position von Cemex vertreten: Obwohl der global agierende Baustoffhersteller als zyklisches Unternehmen gilt, profitiert er vom Rückenwind im Infrastrukturbereich. Mit sinkenden Zinssätzen in Mexiko und in den USA könnten neue Infrastrukturprojekte angestossen werden, was Cemex zugutekommen würde. Das Unternehmen hat in den letzten Jahren nicht zum Kerngeschäft gehörende Vermögenswerte im Wert von über zwei Milliarden US-Dollar veräussert. Ein grosser Teil dieser Erlöse dürfte zur Schuldenreduktion verwendet werden. Das stärkt das Unternehmen finanziell. Zudem hat Cemex gezielte Akquisitionen im Bereich Nachhaltigkeit getätigt. Dies bewerten die Marktteilnehmer positiv.
Fazit: Mexiko befindet sich noch in einer politischen Übergangsphase. Die Dominanz einer Partei in allen politischen Institutionen sorgt für eine abwartende Haltung bei Unternehmen und Investoren. Dennoch bestehen interessante Chancen, insbesondere im Bereich Nearshoring und aufgrund struktureller Entwicklungen. Die aktuelle Marktbewertung deutet auf ein Umfeld hin, das gezielte Investitionen ermöglicht. Und Mexiko hat in der Vergangenheit bereits bewiesen, dass die wirtschaftlichen Möglichkeiten oft unterschätzt werden. Trotz einer vorsichtigen Einschätzung auf makroökonomischer Ebene bleiben die strukturellen Wachstumstreiber vielversprechend.