Was ist los in Thailand?
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Luca Castoldi
Senior Portfolio Manager
REYL Intesa Sanpaolo Singapur
Thailand steht im Zentrum politischer Turbulenzen und erlebte im August einen wichtigen Wechsel an der Spitze des Landes. Die Anleger sind für die zweitgrösste Wirtschaft in Südostasien vorsichtig.
Der vergangene Monat war in Thailand politisch besonders turbulent: Anfang August wurde die die jugendorientierte Oppositionspartei «Move Forward Party» aufgelöst, nachdem sie die nationalen Wahlen 2023 gewonnen hatte. Der Sieg der Move Forward Party, die 151 der 500 verfügbaren Sitze im Repräsentantenhaus errang, war ein historischer Moment in der thailändischen Politik. Es war das erste Mal seit über 20 Jahren, dass die Pheu Thai-Partei, die eng mit dem ehemaligen Premierminister Thaksin Shinawatra verbunden ist, mit einer Wahlniederlage konfrontiert wurde. Wieso wurde die Move Forward jetzt aufgelöst? Die Partei habe die konstitutionelle Monarchie und die nationale Sicherheit bedroht. Die Partei hatte zuvor eine energische Kampagne gegen das Militärregime geführt. Zudem hat sie sich für eine radikale Änderung der Gesetze ausgesprochen, die eine Kritik an der Monarchie verbieten – bekannt als «Majestätsbeleidigungsgesetze».
Pita Limjaroenrat, der Vorsitzende der Partei Move Forward, musste nach dem Wahlsieg noch die Zustimmung des Parlaments einholen, um seinen Sieg zu besiegeln. Das Schicksal wollte es, dass er schliesslich von konservativen Senatoren an der Machtübernahme gehindert wurde. Als Folge wurde Srettha Thavisin, ein Verbündeter Thaksins, zum neuen Premierminister gewählt. Dies kurz nachdem Thaksin nach 15 Jahren selbst auferlegtem Exil nach Thailand zurückgekehrt war, um den Korruptionsvorwürfen zu entgehen.
Premier nach einem Jahr wieder weg
Thavisins kometenhafter Aufstieg zum Premierminister erfolgte ebenso schnell wie sein Niedergang nach nur einem Jahr Amtszeit. Seine kurze Amtszeit wurde notorisch von seiner unverantwortlichen fiskalischen Haltung durch seine 500 Milliarden Baht schwere Vorzeigepolitik «Digital Wallet» überschattet. Sie hat der thailändischen Wirtschaft praktisch nichts gebracht und sich durch wiederholte Verzögerungen bei der Umsetzung als langsam erwiesen hat. Am 14. August 2024 entliess ihn das thailändische Verfassungsgericht offiziell aus seinem Amt, nachdem er zuletzt kontrovers darüber diskutiert hatte, ob er einen vorbestraften ehemaligen Anwalt in sein Kabinett berufen sollte.
Tochter des Ex-Premier übernimmt
Die Amtsenthebung zwang die Pheu Thai Partei dazu, am 15. August einen neuen Kandidaten für das Amt des demokratisch nicht gewählten Premierministers zu nominieren. Paetongtarn Shinawatra, die 38-jährige Tochter Thaksins, wurde zum jüngsten Premierminister Thailands ernannt. Trotz ihrer mangelnden Erfahrung wurde Paetongtarns Ernennung von der Pheu Thai Partei und den Gesetzgebern unterstützt. Sie gewann schliesslich das Vertrauensvotum des Parlaments. Ihr früher Start war jedoch bereits von Schwierigkeiten geprägt, insbesondere bei der Fertigstellung der Zusammensetzung ihres Kabinetts aufgrund interner Streitigkeiten und sorgfältiger Hintergrundprüfungen der Kandidaten für Ministerposten.
Paetongtarns Aufstieg zum Premierminister birgt sowohl Chancen als auch Herausforderungen für Thailand. Ihr Mangel an Erfahrung hat zu Bedenken geführt, ob sie in der Lage sein wird, die komplexen Herausforderungen der mit 500 Milliarden US-Dollar zweitgrössten Wirtschaft in Südostasiens zu bewältigen. Viele erwarten, dass sie sich stark auf ihren Vater Thaksin und dessen zweigleisigen politischen Ansatz – genannt «Thaksinomics» – berufen wird. Paetongtarn hat sich verpflichtet, die Wirtschaft zu revitalisieren, aber ihre Strategien bleiben unklar. Die Regierung sollte sich auf die Ankurbelung des Wachstums konzentrieren und gleichzeitig die hohen Lebenshaltungskosten und die Rekordverschuldung der thailändischen Haushalte in Angriff nehmen. Obwohl die Auswirkungen der verschiedenen Konjunkturmassnahmen in Bezug auf Umfang und Multiplikator-Wirkung ungewiss bleiben, dürfte sich dadurch nichts an den geplanten Defiziten und dem Angebot an Anleihen ändern: Die ursprüngliche Finanzierung wurde bereits im Nachtragshaushalt für 2024 und im Haushaltsentwurf für 2025 zugewiesen.
BIP von fünf Prozent erwartet
Die Finanzmärkte interessierten sich auch sehr für die Fortsetzung von Thavisins 500 Milliarden Baht pro digitalem Portfolio Subventionsprogramm. Man erhoffte sich, dass es die thailändische Wirtschaft unterstützen würde, wie viele ihrer Nachbarn in Südostasien ein jährliches Wachstum von fünf Prozent zu erreichen. Da die politische Lage derzeit heikel ist, da die Nationale Antikorruptionskommission (NACC) und die Bank von Thailand (BoT) ihre Position überdacht haben, ist das Programm für die digitale Brieftasche gelinde gesagt sehr unsicher. Daher haben die Anleger zweifellos ihren Optimismus gegenüber Aktien aus den Sektoren Lebensmittel, Einzelhandel und Ermessenskonsum zurückgezogen. Das sind Sektoren, die mit der durch das zugehörige Programm bereitgestellten Liquidität von einem steigenden Konsum profitieren würden.
Mit einem durchschnittlichen Wachstum von weniger als zwei Prozent in den letzten zehn Jahren hinkt Thailand hinter seinen Nachbarn Malaysia und Indonesien her, die bis 2023 ein Wachstum von etwa vier bis fünf Prozent verzeichnen. Im vergangenen Jahr haben auch ausländische Investoren weiterhin Geld in diese Volkswirtschaften gepumpt und sie als zukünftige Wachstumsmotoren in Südostasien gepriesen. Angesichts der optimistischen Wachstumsaussichten Thailands bleibt die Unsicherheit des derzeitigen steuerlichen und politischen Umfelds ein harter Kampf für Investoren, die auf eine Investition in den thailändischen Aktienmarkt hoffen.