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payoff Focus

Wasser: Eine Ressource rückt in den Fokus

04.08.2022 10 Min.
  • Serge Nussbaumer, Chefredaktor

Die jüngste Hitzewelle in weiten Teilen Europas macht auf drastische Weise deutlich, wie wichtig ein sparsamer und nachhaltiger Umgang mit Wasser ist. Neben den Verbrauchern sind hier auch Unternehmen gefragt, welche sich mit ihren Produkten und Dienstleistungen dem «blauen Gold» widmen. Wir nehmen den Wassersektor unter die Lupe.

Noch ist der Sommer 2022 nicht vorbei. Aus meteoroligscher Sicht beginnt der Herbst am 1. September, während der kalendarische Wechsel knapp drei Wochen später erfolgt. Gleichwohl lässt sich schon jetzt sagen, dass weite Teile Europas wieder einmal eine Phase mit sehr heissen Temperaturen und einer extremen Trockenheit erlebt haben. Mitte Juli stülpte sich eine regelrechte Hitzeglocke über den alten Kontinent. «Noch nie hat es seit Beginn der Wetteraufzeichnungen in Europa an einem Tag so viele neue Temperaturrekorde gegeben», stellte das Portal wetteronline.de am 19. Juli fest. Besonders stark war Grossbritannien betroffen. Auf der Insel wurden zum ersten Mal überhaupt mehr als 40 Grad Celsius gemessen. Zwar kletterte das Quecksilber auch hierzulande weit über die 30-Grad-Marke. «Allerdings reichte es in der Schweiz für keine neuen Monats- und keine neuen Allzeitrekorde der Höchsttemperatur, dafür aber für lokal rekordwarme Nächte», berichtete MeteoSchweiz.

«Dadurch rückte eine Ressource in den Fokus.»

Die Folgen der Hitzewelle sind vielschichtig. Neben gesundheitlichen Problemen, vor allem für ältere und kranke Menschen, zogen die hohen Temperaturen und fehlenden Niederschläge rückläufige Wasserstände, eine Erwärmung von Gewässern sowie eine frappierende Waldbrandgefahr nach sich. Dadurch rückte eine Ressource in den Fokus, deren Verfügbarkeit für die Menschen in unseren Breitengraden lange Zeit eine Selbstverständlichkeit war – Wasser. Damit der Griff zum Hahn auch in Zukunft jederzeit möglich und bezahlbar bleibt, braucht es Gegenmassnahmen respektive enorme Investitionen in eine nachhaltige Wasserversorgung.

Enorme Vorkommen, rückläufiger Verbrauch

Das Bundesamt für Umwelt (BAFU) hat im Frühjahr 2021 die Ergebnisse aus dem Projekt Hydro-CH2018 «Hydrologische Grundlagen zum Klimawandel» vorgestellt. Zuvor hatte das BAFU gemeinsam mit 15 renommierten Schweizer Forschungsinstitutionen untersucht, wie sich der Klimawandel auf das Wasser auswirkt. Das Wichtigste vorab: Ein genereller Mangel an dem kühlen Nass herrscht weiterhin nicht. «Die Schweiz mit ihren Flüssen, Seen, Grundwasservorkommen, Gletschern und schneebedeckten Bergen ist eines der wasserreichsten Länder Europas», erklärt BAFU-Direktorin Katrin Schneeberger. Allein die Grundwasservorkommen belaufen sich auf 150 Kubikkilometer oder umgerechnet 150 Billionen Liter. Rund 12% davon lassen sich dem BAFU zufolge pro Jahr und nachhaltig nutzen.

«Ein genereller Mangel an dem kühlen Nass herrscht weiterhin nicht.»

Der mittlere Wasserverbrauch pro Einwohner und Tag betrug in der Schweiz 2020 knapp 300 Liter. In der jüngeren Vergangenheit ist dieser Wert laut den Zahlen des Bundesamtes für Statistik (BFS) sukzessive gefallen. Zur Jahrtausendwende benötigte ein Einwohner noch mehr als 400 Liter täglich (siehe Grafik 1). Zusammen mit den Kleingewerben stehen die privaten Haushalte für mehr als die Hälfte des gesamten Wasserverbrauchs in der Schweiz. Ein knappes Viertel entfällt auf Gewerbe und Industrie, während rund 12% verloren geht (siehe Grafik 2). So ärgerlich dieser «Schwund» ist, im internationalen Vergleich steht die Schweiz auch hier ordentlich da. Im von der jüngsten Trockenheit extrem betroffenen Italien ist das Leitungsnetz so desolat, dass 42% des verfügbaren Wassers versickern.

«Es droht ein Rückgang des verfügbaren Wasservolumens.»

Alarmierende Szenarien, multiple Lösungsansätze

Die komfortable Versorgungslage kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch in der Schweiz ein Wasserstress droht. «Die hydrologischen Szenarien Hydro-CH2018 zeigen, dass die wichtige Ressource zeitweise und regional so knapp oder so warm wird, dass der Mensch sich einschränken muss und die Natur leidet», erklärt das BAFU. Beispielsweise könnten die Sommerabflüsse aus Flüssen und Seen ohne effektiven Klimaschutz um 40% schrumpfen. Da gleichzeitig weniger Schmelzwasser die Täler erreicht, die Niederschlagsmengen zurückgehen und die Verdunstung steigen würde, droht ein Rückgang des verfügbaren Wasservolumens. Derweil dürfte der Verbrauch hitzebedingt zunehmen. «Die Gesellschaft und Wirtschaft müssen sich auf die neuen klimatischen Bedingungen einstellen und auch der Natur Rechnung tragen», fordert BAFU-Direktorin Katrin Schneeberger.

«Die Regionen Lombardei und Piemont möchten den See im Sommer als Wasserreserve nutzen und daher vorab gut füllen.»

Das Projekt skizzierte eine Reihe von Lösungsansätzen: Neben einer Diversifikation der Wasserversorgung auf voneinander unabhängige Quellen zählt dazu eine Anpassung der Landwirtschaft. «Der Anbau von trockenheitsresistenten Arten oder Sorten ist unumgänglich», schreiben die Autoren von Hydro-CH2018. Ungeachtet dessen benötigen die Bauern innovative Bewässerungssysteme. Als weiteren Punkt skizzieren die Experten zusätzliche Reinigungsstufen für die Behandlung von Abwässern. In der Fülle an Verbesserungsvorschlägen findet sich auch der Punkt «Internationale Zusammenarbeit». Das Projekt ruft dazu auf, die Probleme grenzüberschreitend anzupacken. Neben dem Wasserstand des Rheins und seinen Folgen für die Schifffahrt nennen die Wissenschaftler den Lago Maggiore als Beispiel. Die Regionen Lombardei und Piemont möchten den See im Sommer als Wasserreserve nutzen und daher vorab gut füllen. «Die am Ufer liegenden Städte und Gemeinden dagegen – auf Schweizer wie auf italienischer Seite – möchten den Wasserpegel auf einen tieferen Stand regulieren», so die Autoren. Auf diese Weise könne der Lago Maggiore die Sommerhochwasser aufnehmen, ohne dass er über die Ufer tritt.

«Es soll allen Menschen Zugang zu einwandfreiem und bezahlbarem Trink- wasser verschaffen.»

Ein ambitioniertes Ziel

Eine internationale Brille sollten auch Investoren aufsetzen, wenn sie den Wassersektor nach Anlagechancen durchsuchen. Zu den ausgewiesenen Experten auf diesem Gebiet zählt Stefan Schütz, Leiter Equity Research & Fonds Manager bei der Tareno AG in Basel. Er ist für das Portfolio des Tareno Global Water Solutions Fund verantwortlich. «Unser Anlageuniversum ist sehr heterogen und bietet daher viele Möglichkeiten», erklärt Schütz im Interview auf Seite 10. Im Anlageprozess fokussiert sich das Tareno-Team auf Unternehmen, die zum Erreichen des von den Vereinten Nationen ausgegebenen Sustainable Development Goal (SDG) 6 beitragen. Es soll allen Menschen Zugang zu einwandfreiem und bezahlbarem Trinkwasser sowie zu einer angemessenen und gerechten Sanitärversorgung und Hygiene verschaffen. «Um unsere Ziele zu erreichen, bedarf es nicht weniger als einer Verdreifachung der Investitionen in Wasserinfrastruktur», stellen die Vereinten Nationen fest. An dieser Stelle tut sich eine echte Wachstumsquelle auf, an der neben zahlreichen Versorgern Industrieunternehmen unterschiedlichster Couleur positioniert sind.

«Derweil hat Geberit im jüngsten Ausverkauf die über diesen Zeitraum erzielten Gewinne nahezu vollständig eingebüsst.»

Bereits seit 2007 berechnet S&P Dow Jones eine Aktienbenchmark für diesen speziellen Sektor. Im S&P Global Water Index kommen 50 Unternehmen zusammen, die im Wassergeschäft aktiv sind. Aus regionaler Sicht geben US-Aktien den Ton an, sie steuern zusammen mehr als die Hälfte zu der Auswahl bei. Mit American Water Works (AWW) kommt auch das Schwergewicht aus den Staaten. Nach eigenen Angaben ist der Konzern aus New Jersey der grösste und geografisch am breitesten aufgestellte börsenkotierte Wasserversorger der USA. In 24 Bundesstaaten betreibt AWW ein annähernd 85‘000 Kilometer langes Leitungsnetz; 560 Wasser- und Klärwerke versorgen 14 Millionen Menschen mit regulierten Trink- und Abwasserdienstleistungen.

An der Börse punktet AWW mit einem defensiven Geschäftsmodell sowie stetig steigenden Gewinnen und Dividenden. Im Zeitraum 2017 bis 2022 hat das Unternehmen die Ausschüttung um durchschnittlich knapp ein Zehntel pro Jahr erhöht. Mit Investitionen in die Infrastruktur sowie weiteren Übernahmen möchte CEO Susan Hardwick dafür sorgen, dass es auch in Zukunft bei dieser Gangart bleibt. Obwohl die AWW-Aktie zuletzt korrigiert hat, steht auf Sicht von fünf Jahren für das S&P 500-Mitglied ein Kursplus von 85% zu Buche.

Derweil hat Geberit im jüngsten Ausverkauf die über diesen Zeitraum erzielten Gewinne nahezu vollständig eingebüsst. Der Sanitärtechnikspezialist zählt zu den 10 Schwergewichten im S&P Global Water Index. Operativ machten den Zürchern zuletzt die steigenden Kosten für Rohmaterialien, Energie und Personal zu schaffen. Im 1 Quartal 2022 schrumpfte der Gewinn um 5.3% auf CHF 220 Millionen. Auf der Umsatzseite konnte der Konzern dagegen, auch dank erhöhter Preise, ein Wachstum von 7.8% auf CHF 980 Millionen erzielen. Wie sich die Nachfrage nach den Installations- und Spülsystemen sowie Rohrleitungen von Geberit im 2. Quartal entwickelt hat, erfahren Investoren am 28. August, wenn der Konzern seinen Semesterbericht präsentiert.

«Vor gut drei Jahren hat die Bank Vontobel das Investmentthema Wasser am Schweizer Markt fürStrukturierte Produkte eingeführt.»

Fest steht, dass der S&P Global Water Index trotz der Korrektur der vergangenen Monate in Relation zum globalen Aktienmarkt einen Vorsprung halten konnte. Auf Sicht von fünf Jahren steht für die Themenbenchmark gegenüber dem MSCI World Index eine Outperformance von mehr als 20 Prozentpunkten zu Buche (siehe Grafik 3).

Anlagelösungen: Korrektur als Einstiegschance

Praktisch von Anfang an hat iShares diese Benchmark über den ETF IH20 investierbar gemacht. Heute verwaltet der passive Indexfonds knapp USD 2 Milliarden. Der Branchenkrösus ruft eine Gesamtkostenquote von 0.65% p.a. auf. Mit fünf Basispunkten weniger gibt sich Lyxor beim MSCI Water ESG Filtered ETF LYWATCHF zufrieden. In dieser Benchmark sind 15 Aktien weniger enthalten, als beim S&P Global Water. Neben Schwergewicht AWW schafft es auch Geberit unter die Top 10. Auf Sicht von fünf Jahren hat der MSCI-Gradmesser eine Performance von durchschnittlich knapp 8% p.a. erzielt. Damit hinkte er dem von S&P berechneten Pendant um rund 50 Basispunkte pro Jahr hinterher.

«Die Performance überzeugt.»

Vor gut drei Jahren hat die Bank Vontobel das Investmentthema Wasser am Schweizer Markt für Strukturierte Produkte eingeführt. Die Emittentin setzte hierfür einen eigenen Index auf. Aktuell sind in der Vontobel Aqua Strategy 41 Unternehmen enthalten. Sie kümmern sich um die Wassergewinnung, -speicherung und -effizienz oder liefern die entsprechende Infrastruktur. Geberit fehlt in dieser Auswahl. Dafür hält Georg Fischer die Schweizer Fahne hoch. Der Industriekonzern ist mit seiner Rohrleitungssparte beispielsweise in den Bau von Wasseraufbereitungsanlagen involviert. Die Behandlung von Ballastwasser zählt zu den Kompetenzen von Indexmitglied Alva Laval. Schiffe nehmen zur ihrer Stabilisierung Ballastwasser auf und pumpen es andernorts wieder ab. Auf diese Weise sorgen die Ozeanriesen für die ungewünschte Verbreitung von Organismen, Bakterien und Viren. Alfal Lavel hat 2006 das erste System zur Ballastwasserbehandlung für den kommerziellen Einsatz vorgestellt. Heute profitieren die Schweden davon, dass die Reedereien viele Schiffe bis 2024 mit einer solchen Anlage ausstatten müssen.

Vontobel bildet die Aqua Strategy mit zwei Tracker-Zertifikaten ab. Anleger können wahlweise zum auf US-Dollar lautenden Partizipationsprodukt PSTQAV oder der CHF-Variante PSTQUV greifen. Die Performance überzeugt: In US-Dollar hat sich das Produkt seit der Emission um mehr als 40% verteuert und damit den S&P Global Water Index um gut 10 Prozentpunkte hinter sich gelassen.

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