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payoff Blockchain Report

Web3: Für ein neues Internet

24.02.2022 6 Min.
  • Pascal Hügli
    Redaktor

Die Kryptowelt ist von zwei übergeordneten Narrativen dominiert: So kann Bitcoin als das Antidot gegen die Zentralisierung des Geldes angesehen werden.

Die Erscheinung rund um Ethereum und andere Smart-Contract-Plattformen hingegen verkörpert den Versuch, die Zentralisierung des Internets zu brechen. Diese Bewegung wird gemeinhin unter dem Begriff «Web3» zusammengefasst und beschreibt den derzeit stattfindenden Paradigmenwechsel zu einem stärker nutzerorientierten Internet. Die Art und Weise wie das Internet aktuell funktioniert, soll dabei fundamental auf den Kopf gestellt werden.

Um diesen Wandel verstehen zu können, müssen wir uns den Werdegang des Internets vergegenwärtigen. In der Form von Web 1.0 hat das World Wide Web zu Beginn der 1990er Jahre seinen Anfang genommen. Zu dieser Zeit waren die meisten Webseiten statisch und Webnutzer konsumierten lediglich bereitgestellte Inhalte. Indem eine öffentliche Informationsteilung mittels statischer Webseiten möglich wurde, war der Grundstein für das heutige Internet gelegt.

Die Zeit des digitalen Feudalzeitalters

Mitte 2000 wurde die Idee des Webs als Plattform geboren und es begann die Zeit von Web 2.0. Die Internetnutzer waren nicht mehr nur Konsumenten, sondern begannen eigenhändig Inhalte zu produzieren. Neue technologische Durchbrüche machten Webseiten zu dynamischen Erscheinungen, die eine Interaktion zwischen den Webnutzern ermöglichte. Social-Media-Plattformen, Blogs, Video-Sharing-Webseiten entstanden. Auf diesen Plattformen konnte man als Nutzer durch das Hinterlassen von Kommentaren, das Hochladen von Inhalten, das Anlegen von Konten oder das Beitreten zu Online-Foren aktiv werden.

Diese Möglichkeiten führten zu einem exponentiellen Wachstum und das wurde vor al- lem durch die Einführung von Smartphones beschleunigt. Auch schuf das Plattformmodell rund um Web 2.0 starke Netzwerkeffekte, die erfolgreichen Plattformunternehmen wie Apple, Alphabet (Google), Facebook (neu Meta) und Amazon hervorbrachten. Deren Dominanz ist heute unerreicht. Sie kontrollieren die digitalisierte Lebenswelt und deren Ressourcen. Wer sich im Internet bewegen möchte, kommt um diese Techgiganten nicht herum – sie sind die digitalen Feudalherren unserer Zeit. Als Nutzer ist man auf Gedeih und Verderb von diesen digitalen Torwächtern abhängig. Auch gehören einem die Früchte der eigenen Arbeit nicht wirklich. Das zeigt sich vor allem dann, wenn man als Nutzer von einer Plattform gelöscht wird und damit sein digitales Schaffenswerk auf einen Schlag verliert.

Echtes, digitales Eigentum wird Realität

Mit dem Aufkommen öffentlicher Blockchains scheint sich nun aber das Ende dieser digitalen Feudalzeit abzuzeichnen. Öffentliche Blockchains sind nicht-staatliche Eigentumssysteme. Deren Eigentumssicherheit basiert auf Mathematik und einer dezen- tralen Anreizstruktur zur globalen Konsens- findung und nicht auf einem staatlichen Gewalt- oder Hoheitsmonopol. Zwar müssen sich diese neuen Eigentumssysteme noch beweisen, doch sind sie dem Prinzip nach genau das: neue ökonomische Institutionen zur Eigentumsverwaltung.

Dieser Paradigmenwechsel wird als der Übergang von Web 2.0 zu Web 3.0 beschrieben. Als neue Form des Internets hat Web3 digitales Eigentum in Form digitaler Inhaberinstrumente ermöglicht. Die Früchte der eigenen Arbeit können tatsächlich besessen werden – in Form von Krypto-Assets und nicht-fungiblen Token (NFTs). Diese stellen in der neuen Web3-Welt die digitalen Güter einer neuen digitalen Wirtschaft dar. DeFi ist die systemeigene Finanzordnung, öffentliche Blockchains sind die Settlement-Infrastrukturen und DAOs sind die neuen dezentral organisierten Unternehmen.

Web3-Applikationen funktionieren anders

Das Vorhandensein neuer Werte, neuer Strukturen und Entitäten schafft eine von Grund auf verschiedene Interkation mit Web3-Applikationen jeglicher Art. Um eine solche Web3-Applikation nutzen zu können, muss ein Nutzer kein Benutzerkonto erstellen, sondern die eigene Wallet mit der Applikation verbinden. Die Wallet stellt sicher, dass sich die Web3-Applikation mit der Identität des Nutzers verbindet, die dieser auf einer entsprechenden öffentlichen Blockchain besitzt. Diese Identität wiederum existiert in der Form eines «Public Key» (öffentlicher Schlüssel), der durch einen «Private Key» (geheimer Zugangsschlüssel) gesichert ist. Ent- scheidend ist: Dieser öffentliche Schlüssel funktioniert unabhängig von einer Wallet. Diese stellt nur eine Benutzeroberfläche dar, um den Schlüssel mit einer Web3-Applikation interagieren zu lassen.

Wenn ein Web3-Nutzer also mit einer Web3-Applikation interagiert und seine persönliche Wallet verbindet, dann weiss die Web3-Applikation nichts über den Nutzer. Sie kennt nur den kryptografischen Hash in Form des «Public Key», mit dem die Anwendung verbunden ist. Keine Identifikation mittels Benutzerkonto ist mehr nötig. Das heisst: Als Nutzer ist man nicht länger auf die Techgiganten angewiesen, um mit Web3-Applikationen zu interagieren.

Als Endnutzer selbst für die Nutzung bezahlen

Diese Funktionsweise ist fundamental verschieden von derjenigen, an die wir uns mit Web2-Applikationen gewöhnt haben. Diese laufen auf Webservern, die im Namen der Plattformbetreiber unterhalten werden. Als Applikationsbetreiber zahlen diese für die Webserver, unabhängig davon, ob sie auf der Infrastruktur eines Cloud-Anbieters oder in ihren eigenen Rechenzentren laufen; die Kosten für den Betrieb dieser Anwendungen werden von den Eigentümern der Anwendungen selbst getragen.

Der Endnutzer hingegen zahlt in der Web2- Welt nie für Rechen-, Speicher-, oder Netzwerkkosten, die für den Betrieb der Webanwendungen erforderlich sind. Hierin liegt denn auch die Krux der Sache: Da die Webanwendung fast immer umsonst ist, muss der Applikationsanbieter die Kosten für das Betreiben der Anwendung durch das Monetarisieren der Nutzerdaten hereinholen. Das macht den Nutzer zum berühmt berüchtigten Produkt der Web2-Welt.

In diieser Hinsicht stellt Web 3.0 das Kos- tenmodell auf den Kopf. Damit man als Nutzer mit einer Web3-Applikation interagieren kann, muss man die anfallenden Kosten dem Netzwerk in Form von Transaktionsgebühren selbst bezahlen. Bezahlt werden die Miner oder Validatoren, welche anstelle eines Rechenzentrum die Rechen-, Speicher- und Netzwerkressourcen bereitstellen.

Zensurresistenz ist nicht die eigentliche Innovation

Der Umbruch zwischen Web 2.0 und Web 3.0 besteht somit darin, dass der Datenfluss zur Interkation mit Internet-Applikationen nicht länger über einige wenige Torwächter statt- finden muss. Auch gibt es das Konzept eines Benutzerkontos nicht mehr. Das hat zur Folge, dass auch keine persönlichen Nutzerdaten mehr bei einzelnen Plattformen lagern und diese die Daten nicht mehr kontrollieren.

Vielmehr ist es der Nutzer selbst, der seine Daten kontrolliert und diese nach seinem ei- genen Gutdünken situativ freigeben kann. Nicht-fungible Token können in dieser Hinsicht eine entscheidende Rolle spielen, indem sie reale Anmeldedaten und Identifikatoren einer Person in die neue Internetwelt übertragen. So wird man als Nutzer nicht jedes Mal seine Führerscheindaten eingeben müssen. Mittels digitaler Signatur wird man über die persönliche Wallet ein NFT des Führerscheins, der Krankenkassenkarte oder der Versicherung freigeben können, um sich so je nach Bedarf auszuweisen.

Nicht ausgeschlossen ist, dass Web3-Protokolle kurieren wollen, was auf ihren Plattformen zum Handel angeboten wird. Als private Unternehmen, die oftmals hinter diesen Protokollen stehen, haben sie letztlich das Recht dazu. Dass verschiedene Web3-Applikationen häufig dafür kritisiert werden, nicht zensurresistent genug zu sein (siehe OpenSea-Kontroverse), tut der Innovation derselben eigentlich keinen Abbruch. Zwar ist es erstrebenswert, Web3-Applikationen dem eigentlichen Blockchain-Ethos nach möglichst zensurresistent zu machen. Unantastbar bleiben die digitalen Eigentumsrechte auf der öffentlichen Blockchain allemal. Und das ist zum Vorteil der Nutzer.

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