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Wendepunkt in der globalen Handels- und Wirtschaftspolitik

05.07.2019 4 Min.
  • Salman Ahmed, Chief Investment Strategist

Wir sind an einer Zäsur angelangt, was die Wirtschaftsnachrichten und die globale gemässigte Geldpolitik betrifft. Es gibt eine zunehmende Diskrepanz zwischen schwächeren globalen Konjunkturdaten, die ihrerseits geldpolitische Impulse auslösen, und den Meldungen über die Handelsentwicklung.

Das G20-Treffen in Osaka bestätigte, wie vermutet, eine Entspannung der Beziehungen zwischen USA und China. Beide Länder einigten sich auf eine Wiederaufnahme der Handelsgespräche. Die teilweise Entlastung, die Huawei angeboten wurde, war ein wenig besser als erwartet – auch, wenn die Einzelheiten noch nicht bekannt sind. Generell scheinen die Nachrichten nicht mit dem Stimmungsumschwung der globalen Zentralbanken in Einklang zu stehen.

Rückgang weltweiter Investitionsausgaben als grösste Unsicherheit für den Konjunkturzyklus

Daher sehen wir das bedeutendste Risiko für den globalen Wirtschaftszyklus in der fortlaufenden Verschlechterung der Zahlen (insbesondere im verarbeitenden Gewerbe) seit Ende 2018. Wir erwarten, dass diese Eintrübung die Entwicklung der Geldpolitik angesichts der niedrigen Inflation ankurbeln wird. Insbesondere der Handelskrieg beeinflusst die wirtschaftlichen Entscheidungen. Wir sind besorgt über den starken Rückgang der weltweiten Investitionen, die mittlerweile bereits im negativen Bereich verlaufen dürften. Aus unserer Sicht stellen sie ein erhebliches Risiko für den globalen Konjunkturzyklus dar.

Langfristig geht es vor allem um die Frage, ob eine unzuverlässige Handelspolitik ebenso viel Schaden anrichten könnte wie ein direkter Konflikt. Ein weiteres essenzielles Risiko ist das Ausmass der Beeinträchtigung des globalen Wachstums angesichts sich abzeichnender Anzeichen einer Neuanpassung der Wertschöpfungskette ist. Die derzeit einsetzende Wachstumsverlangsamung dürfte disinflationär wirken und sich fortsetzen, da die jüngsten globalen Einkaufsmanager-Indizes unter den Erwartungen liegen und sich weiter abschwächen.

Die Lockerungspolitik der Zentralbank auf breiter Front bleibt unser Basisszenario für die US-Notenbank und die Europäische Zentralbank (EZB). Wir vermuten, dass das Federal Open Market Committee in der September-Sitzung die Zinsen um 25 Basispunkte senken wird. Neben der niedrigen Inflation werden die neu geschaffenen Stellen ausserhalb der Landwirtschaft in den USA vom Juni entscheidend sein, um das Tempo der Verlangsamung zu ermitteln und festzustellen, wann die Fed die Zinsen senken wird. Obwohl die Märkte eine Senkung im Juli signalisieren, könnten die Beschäftigungszahlen ausserhalb der Landwirtschaft dazu führen, dass der Zeitpunkt vorübergehend verschoben wird.

Angesichts der anhaltenden Unsicherheiten und der damit einhergehenden Auswirkungen auf die globalen Investitionen dürfte die lockere Geldpolitik der führenden Zentralbanken in den kommenden Monaten ein wichtiges Thema bleiben. Wir sehen jedoch keinen Zusammenhang zwischen den kurzfristigen Entwicklungen im Kontext des Handelskrieges und der lockeren Geldpolitik der Notenbanken, da sich die Abwärtsrisiken für das globale Wirtschaftswachstum immer stärker verstetigen.

EZB setzt Impulse

Die EZB hat ihren expansiven geldpolitischen Kurs offensichtlich bestätigt, indem sie die Notwendigkeit zusätzlicher Impulse betont hat. EZB-Präsident Mario Draghi ebnete in seiner Rede im Juni in Sintra den Weg für eine neuerliche quantitative Lockerung (QE) und weitere Zinssenkungen, da die Inflation ihr Ziel kontinuierlich unterschreite. 

Die gleiche Rhetorik äusserten auch andere EZB-Mitglieder auf der Konferenz von Helsinki in dieser Woche. Nicht zuletzt wurde die IWF-Chefin Christine Lagarde nun als neue Vorsitzende der EZB bestätigt, was uns in der Erwartung bestärkt, dass die QE bald kommt. Lagarde gilt als Taube, da sie die politischen Impulse unterstützt. Ihre Ernennung dürfte aus unserer Sicht den geldpolitischen Handlungsrahmen von Draghi erweitern. 

Wir glauben, dass die EZB zunächst die Zinsen um 10 auf minus 50 Basispunkte senken und schliesslich das QE-Programm mit einem stärkeren Fokus auf Unternehmensanleihen neu starten wird. Sollten sich die Konjunkturzahlen nicht wesentlich verbessern, könnte die EZB ab Herbst Anleihen im Wert von 800 Millionen bis 1 Billion Euro über einen Zeitraum von 10 bis 12 Monaten kaufen.

Auswirkungen auf Investitionen: Die Suche nach Rendite setzt sich fort

Wir gehen davon aus, dass die Zinsen weiterhin niedrig bleiben werden. Wenn das Vertrauen in das Wirtschaftswachstum zurückkehrt, wird sich die «Suche nach Renditen» noch intensiveren, da die Inflation unter ihrem Zielwert bleibt. Allerdings bedeutet eine deutliche Erholung der Risikomärkte Stand heute eine volatilere Entwicklung, da die Situation im Zusammenhang mit dem Handelskrieg ungewiss bleibt. Angesichts dieser Entwicklungen und unseres mangelnden Optimismus hinsichtlich der weltweiten Investitionsausgaben haben wir risikoreiche Anlagen, insbesondere in Schwellenländern, neutral gewichtet.

Da die EZB die Wiederaufnahme der QE vorbereitet und deren positive Signalwirkung nutzt, erwarten wir, dass sich europäische Vermögenswerte relativ gesehen besser entwickeln werden. Festverzinsliche Wertpapiere mit guter Qualität wie beispielsweise Crossover-Strategien dürften sich gut entwickeln.

Die Aussicht auf eine lockerere Geldpolitik der Zentralbank könnte auch die Aktienmärkte beflügeln. Dennoch sind wir mittelfristig vorsichtiger, da der Rentenmarkt, den wir genau beobachten, Rezessionssignale sendet.

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