
Wenn Schwellenländeranleihen nach der Pfeife der Inflation tanzen
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Andrew Keirle, Portfolio Manager
Wie sich höhere Ölpreise auf die Inflation und die Anlageklasse auswirken könnten.
Die wichtigsten Erkenntnisse
- Ölexporteure in den Schwellenländern dürften von einem geringeren fiskalischen Finanzierungsbedarf und verbesserten Ertragsbilanzen profitieren.
- Die meisten Zentralbanken dürften ihre Geldpolitik trotz des Potenzials für einen Anstieg der Gesamtinflation beibehalten.
- Attraktive Bewertungen und Zinsdifferenzen stärken weiterhin die Währungen der Schwellenländer.
Der steigende Ölpreis steht derzeit im Mittelpunkt des Marktgeschehens. Was dies für die Schwellenländer möglicherweise bedeutet und wie es sich auf die Inflation und insbesondere auf die Währungen auswirkt, war ein wichtiger Diskussionspunkt bei unseren letzten Treffen zur Anlagepolitik.
Potenzielle Profiteure eines höheren Ölpreises
Die Hoffnung auf eine Erholung der Weltwirtschaft und die Kürzung der Ölproduktion haben den Ölpreis auf den höchsten Stand seit mehr als einem Jahr steigen lassen. Für die souveränen Energieproduzenten und -exporteure in den Schwellenländern dürfte dies in zweierlei Hinsicht hilfreich sein: erstens durch die Verringerung des fiskalischen Finanzierungsbedarfs und zweitens durch die Verbesserung der Position ihrer Ertragsbilanz.
«Wir sollten davon ausgehen, dass sich die Steuer- und Exporteinnahmen der wichtigsten EM-Produzenten und -Exporteure aufgrund der anhaltend höheren Ölpreise verbessern werden», sagte Andrew Keirle, Portfoliomanager und Mitglied des Global Fixed Income Investment Teams. In Bezug auf den Finanzierungsbedarf erwarten wir, dass Saudi-Arabien, Katar und Russland die grössten Verbesserungen im Investment-Grade-Bereich erfahren werden, während Angola und Ecuador unter den Staaten mit einem Rating unterhalb von Investment Grade am meisten profitieren könnten. Im Gegensatz dazu ist es möglich, dass sich Nigeria schlechter entwickeln wird, da sein Finanzierungsbedarf im Jahr 2021 aufgrund erhöhter Fälligkeiten und anhaltender struktureller Schwächen bei der Steuererhebung steigen wird.
Auf der Aussenhandelsseite wird eine Umkehrung des Trends vom letzten Jahr erwartet. «Höhere Ölpreise sollten dazu beitragen, die Leistungsbilanz der Ölexporteure zu verbessern, nachdem sich die Preise im letzten Jahr deutlich verschlechtert hatten», sagte Keirle und merkte an, dass zu den Nutzniessern dieses Trends Israel, Russland, Kolumbien und Mexiko gehören könnten.
Konsequenzen für die Inflation infolge steigender Ölpreise
Die Erholung der Ölpreise dürfte dazu beitragen, die Gesamtinflation in den Schwellenländern in den nächsten Monaten moderat zu erhöhen. Die Kerninflation, die den Lebensmittel- und Energiesektor ausklammert, dürfte jedoch hinterherhinken, da es einige Zeit dauern wird, bis sich die Produktionslücken schliessen und die Aktivität normalisiert.
«Eine höhere Gesamtinflation könnte an den Märkten eine Debatte darüber entfachen, ob die Zentralbanken in den Schwellenländern Massnahmen ergreifen und die Zinssätze anheben müssen», sagte Keirle. «Obwohl es Potenzial für ein gewisses Handeln gibt, solange es keine zweiten Inflationsrunden geben wird, ist es unwahrscheinlich, dass die Zentralbanken der Schwellenländer in nächster Zeit substanziell reagieren werden.»
Im Grossen und Ganzen gehen wir davon aus, dass viele Zentralbanken in den Schwellenländern in diesem Jahr in der Warteschleife verweilen, obwohl eine Handvoll von ihnen mit Zinserhöhungen beginnen könnte. Brasilien nimmt in dieser Hinsicht eine Sonderstellung ein und dürfte die Zinssätze als Reaktion auf den Inflationsdruck anheben. Aus Währungssicht könnte dies das brasilianische Real unterstützen, der unserer Meinung nach weiterhin unterbewertet ist.
Die Tschechische Republik ist ein weiterer potenzieller Kandidat für eine Zinserhöhung im Jahr 2021, da die Kerninflation konstant über dem Zielwert der Zentralbank liegt. «In Mittel- und Osteuropa bevorzugen wir die tschechische Krone als Long-Position in Erwartung einer schnelleren geldpolitischen Normalisierung», so Keirle.
Jenseits der Schwellenländer – Die Inflation wird eine weltweite Erscheinung sein
Es wird erwartet, dass die Inflation in den Industrieländern aufgrund von Basiseffekten durch den Ölpreis und der Wahrscheinlichkeit eines wieder anziehenden Konsums ebenfalls steigen wird. Dies, zusammen mit der Erwartung einer Erholung des Wirtschaftswachstums im weiteren Verlauf dieses Jahres, sollte die Renditen von Kernanleihen nach oben treiben und die Kurven steiler werden lassen – eine Entwicklung, die wir in den letzten Monaten bereits an den Märkten gesehen haben.
«Die US-Notenbank hat sich eindeutig zurückhaltend geäussert und versprochen, die Zinssätze für einen längeren Zeitraum niedrig zu halten und über eine potenziell höhere Inflation hinwegzusehen», sagte Keirle. «Vor diesem Hintergrund sollten die Unterschiede bei den Renditen für EM-Währungen günstig bleiben, auch wenn die Zinssätze in den entwickelten Märkten in letzter Zeit tendenziell gestiegen sind.»
Attraktive Bewertungen stärken unseres Erachtens den Investment Case für EM-Währungen weiter. «Der Abwärtstrend des US-Dollars mag vorübergehend gestoppt sein. Wir glauben jedoch, dass die langfristigen Treiber für eine Schwäche bestehen bleiben, was den EM-Währungen zu einer Aufwertung verhelfen sollte», schloss Keirle.