Wer jetzt vom Investitionsboom profitiert
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Benjardin Gärtner
Leiter Portfoliomanagement Aktien
Union Investment
Regierungen unterstützen mit Milliardenprogrammen die Rückkehr strategisch wichtiger Produktionen in den eigenen Einflussbereich. Das sorgt für einen Investitionsboom in Branchen, die an der Börse lange kaum interessiert haben.
Die aktuelle Entwicklung der Weltwirtschaft gibt wenig Anlass zur Euphorie an den Börsen: Die Wachstumsdynamik in den USA und im Euroraum lässt nach und Chinas Neustart nach den Corona-Lockdowns ist eher verhalten. Dazu kommen geopolitische Unsicherheiten wie der Ukraine-Krieg und die zunehmende Blockbildung zwischen den USA und China. Doch wer investieren möchte, sollte sich davon nicht verunsichern lassen.
Denn dieses Umfeld eröffnet auch neue Chancen: Die Blockbildung, Lieferengpässe während der Corona-Pandemie und die Energiekrise nach Ausbruch des Ukraine-Kriegs haben dazu geführt, dass Regierungen die Produktion von strategisch wichtigen Gütern wieder im eigenen Land und in befreundeten Ländern ansiedeln möchten.
Die US-Regierung etwa unterstützt die Rückkehr für Bezugsquellen von Zukunftstechnologien wie Computerchips, Batterien, Elektroautos und kritischen Mineralien mit Investitionsanreizen von knapp 1,3 Billionen US-Dollar. Auch die EU hat mit dem Chips Act oder dem Wiederaufbaufonds milliardenschwere Pakete zur Förderung des grünen und digitalen Wandels im Euroraum aufgelegt.
Halbleiterbranche eine der Schlüsselindustrien
Die staatlichen Subventionen zeigen Wirkung: So gab Intel bekannt, dass es in den USA mehr als 40 Milliarden US-Dollar in den Bau neuer Fertigungskapazitäten investieren will. In Magdeburg plant der Chip-Gigant den Bau einer 17 Milliarden US-Dollar teuren Anlage. Der weltgrösste Halbleiterhersteller TSMC aus Taiwan will in Arizona bauen, der chinesische Batteriehersteller Amperex Technology nimmt rund sieben Milliarden US-Dollar für eine neue Fabrik in Ungarn in die Hand.
Die Halbleiterbranche ist also eine der Schlüsselindustrien, die vom neuen Investitionszyklus profitieren dürfte. Klassische Chip-Produzenten wie Intel haben durch den Bau neuer Fabriken zunächst höhere Kosten – ihre Zulieferer hingegen profitieren unmittelbar. Dazu gehören beispielsweise die niederländischen ASML und ASM International, die Fertigungsanlagen für die Chipindustrie herstellen.
Industriesektor wird nun zur Stärke
Doch auch in anderen Branchen wird physisch in neue Produktionsanlagen investiert: Hier sind vor allem Angebote der lange vernachlässigten „Old Economy“ gefragt. Diese Unternehmen sind häufig in Europa angesiedelt und Europas langjährige Schwäche – die Dominanz des Industriesektors – wird nun zur Stärke. Zwar rückt der Wirtschaftsstandort aufgrund von Standortnachteilen wie den im Vergleich zu den USA hohen Energiepreisen nicht in den absoluten Fokus der Investoren, aber hiesige Unternehmen profitieren von der neuen Entwicklung beidseits des Atlantiks.
Weltweit tätige Industriekonzerne wie Siemens oder ABB beispielsweise dürften mit ihren Produkten und Dienstleistungen zur Automatisierung und Digitalisierung von Industrieprozessen durch Unternehmen aus dem Verarbeitenden Gewerbe in beiden Regionen Rückenwind erhalten.
Klassische Baustoffhersteller wie die irische CRH, Hersteller und Vermieter von Baumaschinen wie die US-Konzerne Caterpillar und United Rentals, aber auch Anbieter von (Netz)-Infrastruktur oder von Vorprodukten und Bauteilen wie Eaton Corporation, die unter anderem Komponenten für hydraulische und elektrische Systeme herstellt, dürften vom Investitionsboom profitieren.
Stahlbranche und IT-Services
Ein weiterer spannender Sektor ist die Stahlbranche, die einerseits Baumaterialien für Fabriken liefert, zugleich aber die Herstellung aufgrund der hohen CO2-Emissionen „grüner“ werden muss. Eine mögliche Lösung ist der Einsatz von Wasserstoff für die Stahlherstellung. Unternehmen wie die österreichische Voestalpine und ArcelorMittal mit Sitz in Luxemburg investieren bereits in Verfahren, die die Produktionsprozesse klimafreundlicher machen sollen.
Aber auch Konzerne, die industrienahe IT-Services und entsprechende Infrastruktur anbieten, dürften gefragt sein. Dazu gehört unter anderem SAP sowie der französische Konzern Dassault Systèmes. Ebenso dürften einzelne IT-Unternehmen vom Boom rund um Künstliche Intelligenz (KI) profitieren, darunter grosse Tech-Firmen wie Nvidia und Microsoft.Es gibt also eine ganze Reihe von Unternehmen, die trotz des herausfordernden konjunkturellen Umfelds von den Milliardeninvestitionen der Regierungen profitieren können. Wer sich mit seinem Geschäftsmodell auf die neuen Herausforderungen eingestellt hat, dürfte zu den Gewinnern an der Börse zählen.