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payoff Opinion Leaders

Wie weiter nach der Panopanik 2018?

10.01.2019 9 Min.
  • Jim Leaviss, Head of Retail Fixed Interest

Trotz den 2018 starken Korrekturen in allen Anlageklassen haben, gibt es nur wenige Möglichkeiten, die sich 2019 als Chancen für langfristig orientierte Investoren auf der Suche nach Wertpotenzial herausstellen könnten. Eine Analyse.

Letztes Jahr haben sich für die negativen Renditen von 90 Prozent der Anlageklassen aufgrund der Rückkehr der populistischen Politik einige stichhaltige Gründe finden lassen: Man denke an Brexit, Italiens politische Instabilität, die Wahl von AMLO in Mexiko und die Zölle überall. Nun könnte die Antwort auf diese negativen Renditen einfacher sein: Der faktisch globale Abzinsungssatz, die Rendite 2-jähriger US-Staatsanleihen, ist im Laufe des Jahres um fast 100 Basispunkte gestiegen und sorgte somit für eine Korrektur bei Vermögenswerten weltweit. Weshalb kam es dazu?


Nun, 2018 war das Jahr, in dem das weltweite Experiment „Quantitative Easing (QE)“ zu Ende ging. Nach der globalen Finanzkrise 2008 und den Nachwirkungen der anschliessenden Schuldenkrise der Eurozone begannen die Zentralbanken weltweit, massiv eigene Staatsanleihen zu kaufen. Der Grossteil der Fachliteratur ist sich einig, dass der Kauf von Staatsanleihen die Renditen senkte, was zu einem „Portfolio-Rebalancing“-Effekt führte. Dieser veranlasste die Anleger dazu, zur Generierung von Erträgen in risikoreichere Anlagen zu investieren. In Grossbritannien verkauften Gilt-Investoren ihre Staatsanleihen an die Bank of England und erwarben stattdessen hochwertige Unternehmensanleihen. Kreditfondsmanager fügten ebenfalls Hochzinsanleihen zu ihren Portfolios hinzu, während Hochzinsanleger von BB- auf B-bewertete Anleihen zurückgriffen. Dies führte zu einer globalen Inflation der Vermögenspreise, im Zuge derer der Preis aller Anlagen, von Aktien über Kunst bis hin zu gutem Wein, stieg. Die Eigentümer solcher Vermögenswerte waren in der Regel bereits wohlhabend, so dass die Ungleichheit in der Gesellschaft zunahm. Die Zentralbanken betrachteten dies als bekannten und notwendigen Nebeneffekt, da Inflation und Wirtschaftswachstum auch aufgrund niedrigerer Finanzierungs- und Schuldendienstkosten stiegen, was allen zugutekam – manch einer argumentiert jedoch, dass die quantitative Lockerung ein Faktor für die Zunahme der politischen Instabilität war.

Unterstützung für risikoaverse Investoren

Wenn all dies wahr ist, dann müsste man auch glauben, dass, wenn QE umgekehrt und zum Quantitative Tightening (QT), also zur quantitativen Straffung, wird, sich auch diese Portfolioeffekte drehen müssten. 2018 haben wir bereits gesehen, dass die Renditen von Staatsanleihen weltweit zu steigen beginnen und risikoaversen Anlegern helfen, ihre Ertragsziele zu erreichen, ohne dabei ein allzu hohes Kreditrisiko einzugehen. Dies hat dazu geführt, dass die „Renditetouristen“ in höher rentierenden Anlageklassen beginnen, sich wieder nach oben in der Qualitätsskala zu bewegen, was die Risikoprämien nach oben treibt, die Fremdkapitalkosten erhöht und den Preis für risikoreiche Anlagen senkt.

Bisher war QT vor allem eine Besonderheit der US-Geldpolitik und der Bilanz der US-Notenbank: Der Bestand der Zentralbank an US-Staatsanleihen, hypothekarisch gesicherten Wertpapieren und anderen Vermögenswerten wird voraussichtlich in zwei Jahren auf rund drei Billionen US-Dollar schrumpfen – ausgehend von einem Höchststand von über vier Billionen US-Dollar zwischen 2015 und 2017. Obgleich die Fed Anleihen nicht aktiv verkauft, ist ihre fehlende Marktpräsenz als ständiger Anleihenkäufer von grosser Bedeutung. Dies insbesondere in einer Zeit, in der das Angebot nur noch zunehmen wird. Die Steuersenkungen von US-Präsident Trump und der dauerhafte Anstieg der fiskalischen Belastungen durch eine alternde Bevölkerung führen dazu, dass wir auf absehbare Zeit Haushaltsdefizite von weit über einer Billion Dollar pro Jahr sehen werden. Es kommen also mehr Anleihen auf den Markt, aber der grösste Käufer ist weg.

Draghi wie Trichet?

Auch die Europäische Zentralbank (EZB) beginnt mit dem Ausstieg aus der quantitativen Lockerung, zunächst durch eine Reduzierung ihrer monatlichen Anleihenkäufe. Dies dürfte trotz der Turbulenzen an den italienischen Anleihenmärkten der Fall sein: Die Rendite 10-jähriger BTPs erreichte im letzten Quartal dieses Jahres 3,68%, was auf Sorgen über die Zukunft Italiens in der Eurozone und die Schuldenlast des Landes zurückzuführen ist – und auch trotz einer hartnäckigen Kerninflationsrate, die bei rund 1% und damit deutlich unter dem 2%-Ziel der EZB verharrt. Könnte EZB-Präsident Mario Draghi den gleichen Fehler machen wie sein Vorgänger Jean-Claude Trichet 2011, als er die Geldpolitik zu früh straffte (siehe Grafik, blaue Linie) und eine fragile Wirtschaft (graue Linie) bremste, deren einziger Inflationsdruck von höheren Ölpreisen (orange) herrührte?


Wir befürchten, dass die Main Street den Schmerz der quantitativen Straffung bald zu spüren bekommen könnte, wie auch schon die Wall Street in diesem Jahr. Aber zunächst eine gute Nachricht: Die meisten Unternehmen machten sich die niedrigen Zinsen zunutze, um günstig Kredite mit langen Laufzeiten aufzunehmen. Das bedeutet, dass wir uns keine allzu grossen Sorgen um eine bevorstehende „Wand“ von fällig werdenden Unternehmensanleihen machen müssen, da die Unternehmen die Laufzeiten ihrer Anleihen verlängert haben, wodurch sich der Zeitpunkt, zu dem sie Kapital zur Refinanzierung ihrer Verbindlichkeiten benötigen, normalerweise zu wesentlich höheren Zinskosten, nach hinten verschiebt. Laut des Präsidenten der Federal Reserve, Jerome Powell, sind die Zinsen ausserdem möglicherweise nicht allzu weit von ihren Zyklushöchstständen entfernt: „Die Zinssätze sind im historischen Vergleich immer noch niedrig, und sie bleiben knapp unter dem breiten Spektrum der Schätzungen des Niveaus, das für die Wirtschaft neutral wäre“, – Jerome Powell, 28. November 2018. Damit widerruft er die Beurteilung des vorherigen Monats, in deren Rahmen er sagte, dass die Zinssätze „von der Neutralität noch weit entfernt“ seien.

Aber höhere Zinsen sind jetzt wichtig (vielleicht ein Faktor in Powells Rhetorikwechsel): Der 30- jährige US-Hypothekenzins erreichte zuletzt 4,8%, gegenüber 3,3% im Jahr 2016. Während sich die meisten existierenden Hausbesitzer wie z.B. Unternehmen diese günstigen Zinssätze wohl gesichert haben, sehen sich neue Kreditnehmer mit teureren Darlehen konfrontiert, und das hat bereits Auswirkungen: Die US-Wohnungs- und Immobiliendaten überraschen negativ in einem Ausmass, das sogar die Jahre 2008 und 2009 übertrifft:


Der Wohnungsmarkt ist für die Wirtschaft wirklich wichtig. Der „Multiplikatoreffekt“ eines Hausbaus ist signifikant, da es sich um eine arbeitsintensive Industrie handelt. Darüber hinaus kaufen Sie im Zuge eines Immobilienkaufs auch Haushaltsgeräte wie Kühl- und Gefrierschränke, Fernseher und Möbel – und oft auch ein Auto (später mehr zu Autos). Um den Einfluss des Wohnungsmarktes auf die Wirtschaft zu beurteilen, zeigt unsere Lieblingsgrafik aus dem Jahr 2007 den Zusammenhang zwischen den verfügbaren Immobilien (unverkaufte Neubauten entsprechend des Angebots in Monaten) und dem Wachstum des US-BIP: Immer dann, wenn das Angebot an unverkauften Häusern sieben Monate erreichte, folgte eine Rezession. So war es im Jahr 2008, obwohl die Wirtschaftsforscher der Meinung waren, dass das Wirtschaftswachstum 2,4% betragen würde – es war sogar negativ. Warum sollten wir uns jetzt Sorgen machen? Nun, das Angebot an unverkauften neuen Häusern liegt bei…7,4 Monaten.

Der ultimative Indikator

Der ultimative Indikator, der die Menschen wirklich beunruhigt, reflektiert dieses düstere Szenario: Die Form der Zinsstrukturkurve. Üblicherweise sind positivere Zinskurven nach oben geneigt, und die Renditen für langlaufende Anleihen sind höher als für Anleihen mit kurzen Laufzeiten, was eine Prämie für die Ungewissheit widerspiegelt (zukünftige Inflationsschocks oder eine finanzpolitisch verantwortungslose Regierung zum Beispiel). Wenn sich die Zinskurve jedoch verflacht und sogar invertiert (und langfristige Anleihen eine niedrigere Rendite bieten als Papiere mit kürzeren Laufzeiten), ist dies in der Regel ein Vorbote einer Konjunkturabschwächung, da dies ein geringeres Vertrauen in die Zukunft widerspiegelt. Tatsächlich gibt es praktisch keinen Fall einer Inversion, ohne dass darauf eine Rezession folgte, was teilweise erklärt, weshalb die Aktienmärkte am 4. Dezember um 3% gefallen sind und die Renditen von 5-jährigen US-Staatsanleihen unter die von 2-jährigen Papieren gesunken sind. Wenn langlaufende Anleihen weniger Ertrag bringen als kurzlaufende, prognostiziert der Anleihenmarkt, dass die Zentralbank die Zinsen senken muss, weil eine Rezession bevorsteht.


Stehen wir also kurz vor dem Höhepunkt des Zinserhöhungs-/Drosselungszyklus der Fed? Wenn dem so wäre, könnte man meinen, dass der Ausverkauf des Jahres 2018 in fast allen Anlageklassen beinahe vorbei sein könnte und dass sowohl Staatsanleihen als auch Unternehmensanleihen Wertpotenzial haben. Letztere müssen jedoch womöglich zuerst eine Konjunkturabschwächung meistern.

Hochzinsanleihen haben sich seit der Zeit nach der Finanzkrise 2007/08 (ausser 2015, aufgrund des Ölpreis-Absturzes) besonders gut entwickelt. Die Anlageklasse hat vom sogenannten Goldlöckchen-Szenario profitiert, bei dem das Wachstum stark genug ist, um die Erträge zu steigern, aber auch nicht zu stark, so dass es die Zinsen deutlich nach oben drücken würde. Dies hat die Ausfallraten in einem Umfeld niedrig gehalten, in dem sich die Renditetouristen bereitwillig in der Kapitalstruktur nach unten bewegten, um gute Erträge zu erzielen.

Dies verändert sich jedoch allmählich in diesem Jahr, da 2-jährige US-Staatsanleihen eine Rendite von 2,7% bei geringem Risiko aufweisen, wodurch Transaktionen im Nicht-Investment-Grade-Segment risikoadjustiert weniger attraktiv werden. Die Märkte sind gnadenlos: Spreads von US-Hochzinsanleihen haben sich beispielsweise in knapp zwei Monaten um mehr als 100 Basispunkte ausgeweitet. Dennoch ist die Anlageklasse in diesem Jahr eines der wenigen Segmente, das schwarze Zahlen schreibt, was weitgehend durch einen starken Angebotsrückgang unterstützt wird: Aufgrund der steigenden Zinsen haben sich die Unternehmen auf den Markt für Leveraged Loans begeben, eine kostengünstigere Finanzierungsform. Von den Anlegern, die sich über einen variablen Zinssatz in einem Umfeld steigender Zinsen freuen – und die scheinbar auch gerne die Verschlechterung der Kreditstandards und die damit verbundenen schwachen Covenants ignorieren – wurde diese Entwicklung begrüsst.

Wenn das Hochzinssegment durch das knappe Angebot unterstützt wurde, wurden US-Unternehmensanleihen mit Investment-Grade in diesem Jahr vom Gegenteil nach unten gezogen: Ein Jahrzehnt des billigen Geldes hat den US-Unternehmen mit Investment-Grade-Status geholfen, Schuldtitel im Wert von Milliarden Dollar auszugeben, die oft zur Erhöhung der Dividendenzahlungen oder zum Rückkauf eigener Aktien verwendet wurden, was die Aktienkurse steigert. Der Marktwert der IG-Ratingkategorie knapp über „Junk“, also BBB-Anleihen, ist tatsächlich auf 3 Billionen Dollar angeschwollen, mehr als doppelt so hoch wie vor zehn Jahren. Die Ratingklasse hat mittlerweile ein Volumen, das fast dreimal so gross ist wie der gesamte US-Hochzinsmarkt, was Sorgen über die Auswirkungen möglicher Herabstufungen im Hochzinsuniversum aufwirft.

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