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payoff Interviews

«Wir favorisieren in der aktuellen konjunkturellen Spätzyklusphase den Sektor Edelmetalle.»

07.11.2019 5 Min.
  • Serge Nussbaumer, Chefredaktor

Alex Tobler, Leiter Investment Advisory der Berner Kantonalbank AG, über die Aussichten von Rohstoffanlagen, mögliche Trigger einer Trendwende, den aktuell interessantesten Sektor, denkbare Anlagemöglichkeiten sowie seine persönlichen Favoriten.

Herr Tobler, Anlagen auf Rohstoffe brachten in den vergangenen Jah-ren nur selten positive Erträge. Das Verhältnis des S&P GSCI TR Index zum S&P 500 Index befindet sich auf einem 50-Jahre-Tief. Wie schätzen Sie die gegenwärtige Lage und die mittelfristigen Perspektiven ein?
Rohstoffanlagen sind in der Tat zurück-geblieben. Im Gegensatz zu Aktien basiert ihre Bewertung nicht auf Schätzungen der Profitabilität und des Cashflows, son-dern ist enger mit dem Angebot und der Nachfrage auf den physischen Märkten verknüpft. Damit bleibt weniger Raum für Bewertungsfantasie. Trübe Konjunkturaussichten und eine komfortable Angebotssituation bei vielen Rohstoffen sorgten für Gegenwind. Sofern sich die konjunkturelle Lage nicht verbessert oder Inflationsdruck entsteht, bleiben die Aus-sichten gedämpft. Davon ausgenommen sind Rohstoffe, bei denen es zu tempo- rären Angebotsengpässen kommt.

Was könnte der Auslöser für eine nachhaltige Trendwende sein?
Bessere Konjunkturaussichten getrieben durch fiskal- und geldpolitische Stimulierungsmassnahmen könnten eine nachhaltige Trendwende einläuten, oder aber auch ein Angebotsschock. Kürzlich hat ein Droh-nen-Anschlag auf eine Erdölanlage in Saudi-Arabien für eine Reduktion des globalen Angebots gesorgt. Die Preis-Rally war jedoch nur von kurzer Dauer, da die Ausfälle durch Lagerbestände und Ersatzkapazitäten rasch kompensiert werden konnten. Die Backwardation am vorderen Ende der Brent-Termin-kurve hat sich aber noch nicht zurückgebildet. Das spricht für eine angespannte Versorgungslage und birgt Potenzial für Preissteigerungen. Die Wirkung eines Angebotsschocks ist jedoch in der Regel zeitlich beschränkt.

Welches sind die grössten Belastungs- faktoren, die einem Rebound im Wege stehen?
Ein rückläufiges Wirtschaftswachstum, eine gedämpfte Inflation sowie die anhaltende US-Dollar-Stärke verhindern aktuell eine breite Erholung der Rohstoffanlagen. Rohstoffe standen auch im Zentrum des Handelskrieges zwischen China und den USA, was die Preise zusätzlich belastete. Bei einzelnen Rohstoffen haben wir teil-weise Angebotsüberhänge, die einen nach-haltigen Rebound im Moment limitieren.

In welchem der vier Sektoren Energie, Industriemetalle, Edelmetalle und Agrar sehen Sie in den nächsten zwölf Monaten die grössten Chancen?
Wir favorisieren im aktuellen Umfeld der konjunkturellen Spätzyklusphase den Sektor Edelmetalle. Aufgrund von Fundamentaldaten, die besser sind als erwartet, sehen wir zudem Potenzial bei Agrargütern, insbesondere im Sub- Sektor Getreide.

Welche Rohstoffe erachten Sie derzeit als besonders spannend?
Innerhalb der Edelmetalle bevorzugen wir Gold. Im Umfeld einer konjunkturellen Abschwächung und politischer Unsicherheit setzen wir auf dessen Versicherungscharakter. Zudem wird Gold von sinkenden Realzinsen unterstützt. Inner-halb der Agrargüter sind Soja und Weizen attraktiv. Schwierige Anbaubedingungen haben zu sinkendem Angebotserwartungen geführt. Weiter scheint der negative Effekt des Handelsstreits zwischen den USA und China eingepreist zu sein.

«Wir favorisieren im aktuellen Umfeld der konjunkturellen Spät- zyklusphase den Sektor Edelmetalle.»

Rohstoffaktien sind gemessen an Nachhaltigkeitskriterien fast durchwegs im hinteren Teil der Rangliste von Rating Agenturen zu finden? Woran liegt das und ist das aus Ihrer Sicht gerechtfertigt?
Der Rohstoffsektor weist aufgrund seiner Tätigkeiten zahlreiche soziale und ökologische Kontroversen auf, die eine schlechte Rangierung forcieren. Dazu gehören Menschenrechtsverletzungen oder kontroverses Umweltverhalten. Der Sektor hat jedoch bezüglich sozialer und ökologischer Aspekte in den letzten Jahren Fortschritte erzielt. Der Druck seitens Investoren und NGOs hat diese Veränderungen unterstützt. Wir bevorzugen innerhalb des Rohstoffsektors Unternehmen, die bezüglich ESG-Kriterien über-durchschnittlich abschneiden.

Zu welchen Anlagen raten Sie Anlegern, die sich im Rohstoffsektor positionieren möchten?
Wir empfehlen den Anlegern eine strategische Goldquote im Portfolio als Versicherung gegen Marktverwerfungen. Umgesetzt wird diese Position am besten mit einem Produkt, das Gold physisch hinterlegt. Ein breites Rohstoffexposure oder Investitionen in einzelne Sektoren können effizient und kostengünstig über index-basierte Produkte erfolgen, welche die Preisentwicklung der Terminkontrakte der jeweiligen Rohstoffe abbilden.

Was ist Ihr persönlicher Favorit bei den Rohstoffaktien?
Grundsätzlich empfehlen wir Anlegern, über ein breit diversifiziertes aktives Produkt in Rohstoffaktien zu investieren. Möchte ein Anleger dennoch in Einzel- titel investieren, favorisieren wir Titel wie Newmont Goldcorp. Das Unternehmen arbeitet an Effizienzsteigerungen und Profitabilitätsverbesserungen. Es befindet sich im Stadium des Turnarounds und stellt nicht zum Kerngeschäft gehörende Minen zum Verkauf. Der aktuelle Bewertungsabschlag wird sich im Falle einer erfolgreichen Neuausrichtung verringern. Zudem weist Newmont Goldcorp ein solides Nachhaltigkeits-Rating auf und gehört zu den Besten des Sektors hinsichtlich sozialer und ökologischer Aspekte.

Herzlichen Dank!

VITA

Alex Tobler ist seit 2015 für die Berner Kantonalbank AG (BEKB) tätig, zuerst als Portfolio Manager und seit 2018 als Leiter Investment Advisory. Zuvor arbeitete er bei Alnua in Zürich und bei Picard Angst in Pfäffikon SZ. In seinen Funktionen betreute er Anlagefonds sowie gemischte institutionelle Mandate. Neben seiner beruflichen Tätigkeit ist er in mehreren Branchenvereinigungen aktiv – darunter im Schweizerischen Fondverband (SFAMA). Ausser-dem ist er Mitglied der Anlagekommission der TRANSPARENTA Sammelstiftung. Alex Tobler hat an der Universität Zürich studiert und ist CFA Charterholder.

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