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payoff Focus

Zwei alte Herren lassen Nippon strahlen

06.07.2023 8 Min.
  • Serge Nussbaumer
    Chefredaktor

Der neue Gouverneur der Bank of Japan, Kazuo Ueda, setzt die expansive Geldpolitik seines Vorgängers fort, während Warren Buffett sein Engagement in dem asiatischen Land ausbaut – die jüngste Rallye an der Tokioter Börse ist eng mit diesen beiden Männern verbunden.

Ende August feiert Warren Buffet seinen 93. Geburtstag. Das hohe Alter hielt den legendären Investor nicht davon ab, eine mehr als zwölfstündige Flugreise über den Pazifik anzutreten. Im April machte er sich auf den Weg nach Japan. Auch der Anlass des Trips zeigt, dass bei Buffett von Ruhestand keine Rede sein kann. Dass «Orakel von Omaha» kam nach Japan, um seinem Faible für die drittgrösste Volkswirtschaft der Welt respektive die sich dort bietenden Anlagechancen einmal mehr Ausdruck zu verleihen. Mit seiner Beteiligungsgesellschaft Berkshire Hathaway war Buffett im August 2020 – zu seinem 90. Geburtstag – bei fünf japanischen Handelsunternehmen eingestiegen.

Jetzt hat er das Engagement in die, auch als «sogo shosha» bekannten, Gesellschaften ausgebaut. Berkshire Hathaway hält nun jeweils 7.4% an Itochu, Mitsubishi, Mitsui, Sumitomo und Marubeni. «Ich verstehe prinzipiell, was diese Unternehmen machen», sagte der Börsenstar in einem Interview mit CNBC. Dieses Urteil ist genauso typisch für Buffett, wie sein Faible für Aktien mit einer attraktiven Ausschüttungspolitik. Bei seinem Quintett rechnet er jedenfalls mit steigenden Dividendenrenditen. Buffett kündigte zudem die Ausgabe von Yen-Anleihen an und kann sich auch weitere Beteiligungen in Nippon vorstellen. «Es gibt da immer ein paar Unternehmen, über die ich nachdenke», sagte er im Gespräch mit der Finanzpublikation «Nikkei».

Eine imposante Rallye

Praktisch zeitgleich mit dem prominenten Besuch setzte die Börse in Tokyo zum Ausbruch nach oben an. Seit der legendäre Value-Investor vor Ort war, steht für den Nikkei 225 ein Plus von knapp einem Fünftel zu Buche. Japans Leitindex hat damit in diesem Zeitraum sogar besser abgeschnitten, als die vom KI-Fieber gepackte US-Technologiebörse Nasdaq. Aus charttechnischer Sicht konnte der Nikkei 225 eine mehrjährige Seitwärtsbewegung nach oben auflösen (siehe Grafik 1). Der Ausbruch führte die Benchmark auf das höchste Niveau seit dem März 1990. 

Es gibt einen zweiten älteren Mann, der beim Comeback des japanischen Aktienmarktes seine Hände im Spiel hatte – Kazuo Ueda. Anfang April hat der 71-jährige den Posten als Gouverneur der Bank of Japan (BoJ) übernommen. Zwei geldpolitische Sitzungen fanden unter seiner Leitung bereits statt. Dabei wurde klar: Ueda bleibt auf dem Kurs seines Vorgängers, Haruhiko Kuroda. Während andere Notenbanken im Kampf gegen die Inflation längst vehement an der Zinsschraube drehen, agiert die BoJ expansiv. Hierfür greift sie zum Instrument der Zinskurven-Steuerung, im Fachjargon Yield-Curve-Control (YCC). Die Währungshüter peilen Zielmarken von minus 0.1% für die kurzfristigen Zinsen und 0% für die Rendite zehnjähriger Staatsanleihen an. Flankiert wird diese Politik vom Erwerb von Staatsanleihen sowie riskanterer Vermögenswerte wie ETFs.

Weder die Kritik – Gegner halten der BoJ unter anderem eine Aushöhlung der Marktliquidität vor – noch die erhöhte Inflation scheinen Ueda und seine Kollegen vom Kurs abbringen zu können. Seit immerhin 13 Monaten steigen die Konsumentenpreise in Japan um jeweils mehr als 2%, dem von der Notenbank angestrebten Wert. Nach Ansicht der Zentralbank hat sich die lange Zeit auf einem extrem niedrigen oder gar negativen Niveau dahinsiechende Teuerung noch nicht nachhaltig stabilisiert. Sie dürfte daher abwarten, bis die Löhne kräftig steigen. In Stein gemeisselt ist diese Strategie allerdings nicht. «Wir entscheiden über die Politik, indem wir die Vorteile und Kosten jeder Massnahme sorgfältig abwägen», sagte Kazuo Ueda nach der jüngsten Sitzung. Ungeachtet dessen hat der Gouverneur einen Prüfungsprozesses für die notorisch ultralockere Geldpolitik in Japan in die Wege geleitet. Dieses Verfahren könnte bis zu anderthalb Jahre in Anspruch nehmen.

Yen unter Druck

Nach Ansicht von NordLB-Analyst Tobias Basse sind höhere Leitzinsen in Japan erst nach dem Ende der Prüfungsphase zu erwarten. Aktuell spielt die BoJ seiner Meinung nach auf Zeit. «Ein Ende der Massnahmen zur Yield-Curve-Control bleibt angesichts der aktuellen Preisdaten allerdings möglich», meint Basse. Sein Haus rechnet damit frühestens im 4. Quartal 2023. Dass die Norddeutschen mit dieser Einschätzung nicht allein sind, zeigt die Wertentwicklung des Japanischen Yen. Egal, ob US-Dollar, Euro, Schweizer Franken oder Britisches Pfund: Relativ zu anderen wichtigen Währungen steht die Valuta des asiatischen Landes massiv unter Druck. Am meisten Beachtung findet an den Devisenmärkten das Gespann USD/JPY. Im vergangenen Oktober war der Dollar zum ersten Mal seit dem Sommer 1990 über die Marke von JPY 150 geklettert. Zwar kam das FX-Duo im Zuge einer allgemeinen Greenback-Schwäche anschliessend etwas zurück. Mittlerweile zeigt der Kurs jedoch wieder deutlich nach oben. Seit dem Jahreswechsel büsste der Yen relativ zum Dollar mehr als 9% ein (siehe Grafik 2).

Geht es nach dem Internationalen Währungsfonds, dann wird sich die Inflation in Japan auch im kommenden Jahr über der Marke von 2% halten. Erst für 2025 rechnen die IWF-Ökonomen mit einem Rückfall unter das BoJ-Ziel. Beim Wirtschaftswachstum gehen sie dann ebenfalls von einer deutlichen Abschwächung aus (siehe Grafik 3). Während Japan damit im Ranking der G7-Staaten wieder abrutschen würde, braucht das Land den Vergleich mit den anderen Wirtschaftsmächten im laufenden Jahr nicht zu scheuen. Der IWF erwartet eine Steigerung des Bruttoinlandsprodukts um 1.3%. Damit bildet Japan zusammen mit den USA und Kanada die Spitze unter den G7-Ökonomien.

Unterschiedliche Stärken

Laut Nicola Takada Wood profitiert Japan von der im vergangenen Herbst erfolgten Wiederaufnahme des Reiseverkehrs mit dem Ausland. Das habe vor allem den Austausch mit China, dem wichtigsten Handelspartner, geholfen. In einem Gastbeitrag auf payoff.ch nennt die Portfolio Managerin des Redwheel Nissay Japan Stewardship Fonds den Besuch und die Aussagen Warren Buffetts als «Marketing-Meisterstück für Japan». Ausserdem bezeichnet sie die fein choreografierte Zusammenarbeit zwischen der Regierung, der Zentralbank, den Finanzinstituten und den Regulierungsbehörden als eine charakteristische Stärke dieser Volkswirtschaft. Als weitere Pro-Argumente nennt sie die laufende Reform zur Unternehmensführung und die Bewertung. 

An dieser Stelle gibt ihr ein Blick in das aktuelle Factsheet für den MSCI Japan Index Recht. Mit 237 enthaltenen Unternehmen deckt diese Benchmark rund 85% der streubesitzangepassten Kapitalisierung des japanischen Aktienmarktes ab. Per Ende Mai 2023 belief sich das Kurs-Gewinn-Verhältnis KGV (forward) für die Landesauswahl auf weniger als 14. Zum Vergleich: Beim MSCI World Index betrug diese viel beachtete Kennziffer mehr als 16. Auch beim Kurs-Buchwert-Verhältnis zeigt Japan eine günstigere Quote als der globale Aktiengradmesser. Gleiches gilt für die Dividendenrendite (siehe Tabelle 1).

Natürlich ist die Tokioter Börse nicht vor Rückschlägen gefeit. Ausbremsen könnte die Rallye zum einen eine stärkere Abkühlung der Weltkonjunktur. Hier müssen die Japan-Bullen vor allem die fragile Entwicklung in China im Blick behalten. Hinzu kommt die Gefahr, dass die BoJ den Ausstieg aus ihrem expansiven Kurs tatsächlich nicht schafft. Dann droht das Land mit seiner alternden und zugleich schrumpfenden Bevölkerung in eine wirtschaftliche Lethargie zurückzufallen. Auf der anderen Seite darf es die Notenbank mit den Zinserhöhungen nicht übertreiben. Denn allein seit der Jahrtausendwende hat sich die Staatsverschuldung mehr als verdoppelt. Sie übertrifft das BIP in Japan mittlerweile um rund den Faktor 2.6. 

Anlagelösungen

Noch überwiegen die Pro-Argumente und das positive Momentum und verdecken den Blick auf diese latenten Gefahren. Insofern könnte es für Anleger Sinn machen, in die Nippon-Rallye einzusteigen. Möglichkeiten hierfür gibt es viele. Roman Przibylla, Partner bei CAT Financial Products, hat in unserem gemeinsamen Podcast «znüni» vor kurzem einen Mini-Future long (Valor 58074279) vorgestellt. «Tiefer Hebel und tiefe Kosten», so bringt der erfahrene Börsenprofi die Stärken dieses Produkts auf den Punkt. Das von der Société Générale auf Swiss DOTS und an der BX Swiss gehandelte Derivat partizipiert mit einem Hebel von aktuell 3.6 an steigenden Kursen beim Nikkei 225. Die Stoppschwelle liegt bei 24’540 Punkten und damit knapp ein Viertel unter dem Stand des Basiswertes. «Ein spannendes Play mit Risikopuffer» meint Przibylla.

Und doch drohen beim Mini-Future überproportionale Verluste, falls der japanische Leitindex nach unten dreht. Dagegen bildet ein ETF (Valor 21967323) den Verlauf des MSCI Japan möglichst genau ab. Mitte Juli 2017 hat die UBS diesen passiven Fonds lanciert. Heute verwaltet sie darin rund CHF 2.6 Milliarden. Auf den Spuren von Warren Buffett bewegt sich Leonteq mit einer aktuellen Neuemission. Die Zürcher Emittentin hat einen Callable Barriere Reverse Convertible (Valor 117179587) auf die fünf genannten Positionen im Berkshire-Portfolio lanciert. Das Quintett machte einen üppigen Coupon von 18% p.a. möglich. Die Barrieren liegen bei 65% der Anfangskurse. Für eine weitere Neuemission (Valor 117179588) spannt Leonteq mit Hitachi, Sony und Toyota drei Schwergewichte der Börse in Tokio zusammen. Bei diesem – ebenfalls vorab kündbaren – BRC beträgt der Coupon 14% jährlich. Der Risikopuffer beträgt wie beim Pendant 35%. Die beiden, jeweils auf CHF (Quanto) lautenden, Produkte können ab dem 4. Juli an der BX Swiss gehandelt werden.

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