Zurück
payoff Opinion Leaders

Alpha mit europäischen Investment-Grade-Anleihen

16.12.2022 6 Min.
  • David Stanley
    Portfoliomanager
    T. Rowe Price

Attraktive Bewertungen in einem schwachen makroökonomischen Umfeld

Die Bewertungen europäischer Investment-Grade-Titel haben sich unserer Meinung nach in letzter Zeit deutlich verbessert. Die erhöhte Volatilität in den vergangenen Monaten hat zu einer erheblichen Ausweitung der Spreads in der Anlageklasse geführt, die Fundamentaldaten der Unternehmen weisen eine relative Stärke auf. Dies könnte einen attraktiven Einstiegspunkt für Anleger darstellen, da die Gesamtrenditen auf dem höchsten Stand seit zehn Jahren liegen. Darüber hinaus sind die Spreads nun breiter gestreut, was unserer Meinung nach mehr potenzielle Möglichkeiten zur Alpha-Generierung bietet.

Angesichts des schwierigen makroökonomischen Umfelds und des Potenzials für niedrigere Erträge, höhere Finanzierungskosten und eine geringere Unterstützung durch die Europäische Zentralbank bleibt die Titelauswahl jedoch wichtiger denn je. Auch wenn eine Rezession in Europa wahrscheinlich nicht zu vermeiden ist, sollte man sich des Risikos einer tieferen Abschwächung bewusst sein, sollte die Region einen kälteren Winter als üblich und eine Verknappung der Energieversorgung erleben.

Verbesserte Bewertungen – Zeit zum Kaufen?

Die Risikobereitschaft ist in diesem Jahr stark zurückgegangen, da die Zentralbanken die Geldpolitik als Reaktion auf die seit mehreren Jahrzehnten hohe Inflation aggressiv gestrafft haben. Dies führte zu einem erheblichen Anstieg der Renditen von Staatsanleihen und einem anschließenden weltweiten Rückgang der Preise für Risikoanlagen, wobei sich die Spreads des Bloomberg Euro Aggregate Corporate Index auf Niveaus ausweiteten, die zuletzt zu Beginn der Coronavirus-Pandemie im März 2020 zu beobachten waren. Infolge dieser Entwicklung liegen die in der Anlageklasse angebotenen Renditen nun bei durchschnittlich über 4 % – ein Niveau, das seit Anfang 2012 nicht mehr erreicht wurde, was insbesondere für Anleger mit einem langen Zeithorizont eine attraktive potenzielle Ertragsmöglichkeit darstellt.

Höhere All-In-Renditen

Obwohl die Verlangsamung des Wachstums einen Gegenwind darstellt, sollten die Unternehmen besser als in früheren Abschwüngen in der Lage sein, diesen zu überstehen, da die Unternehmensbilanzen stärker sind. Viele Unternehmen haben die relativ günstigen finanziellen Bedingungen der letzten Jahre genutzt, um sich zu niedrigen Kreditkosten zu refinanzieren. Außerdem unterscheidet sich der derzeitige Abschwung in einigen Punkten von früheren Abschwüngen. Sie ist nämlich das Ergebnis der Inflation und der Vielzahl und des Tempos der Zinserhöhungen, mit denen sie eingedämmt werden soll. Im Gegensatz dazu waren die Marktrückgänge, die mit der Technologieblase und der globalen Finanzkrise einhergingen, auf die Bedenken der Anleger hinsichtlich der Kreditwürdigkeit bestimmter Vermögenswerte zurückzuführen, darunter überbewertete Technologieaktien und Exzesse auf dem US-Immobilienmarkt.

Auch wenn die Volatilität an den Märkten weiter anhalten könnte, sehen wir das Potenzial, dass sie in den kommenden Monaten nachlässt, wenn die Zentralbanken die Energiesituation und die Inflation besser in den Griff bekommen, was zu einem Abwärtstrend führen könnte, wenn wir uns den Endkursen nähern.

Unterstützende Fundamentaldaten lassen nach, allerdings von hohem Niveau aus

Die Fundamentaldaten der Unternehmen sind im Großen und Ganzen solide. Der Bruttoverschuldungsgrad ist auf ein Rekordtief von zwei Mal des Gewinns vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen und Amortisationen gesunken. Was die Liquidität betrifft, so liegt das Verhältnis zwischen Barmitteln und Schulden in der Bilanz bei etwa 35 %, was im historischen Vergleich relativ hoch ist. Auch der Zinsdeckungsgrad ist mit einem Wert von über dem Neunfachen des Gewinns vor Zinsen und Steuern so hoch wie nie zuvor, da die Erholung der Gewinne nach der Pandemie in Verbindung mit den niedrigen Renditen von Unternehmensanleihen es den Emittenten erleichtert hat, ihre Zinszahlungen zu leisten.

Allerdings gibt es erste Anzeichen dafür, dass sich diese unterstützenden fundamentalen Faktoren abschwächen, wenn auch von einem hohen Niveau aus. Die schwierige Kombination aus höheren Inputkosten und nachlassender Wachstumsdynamik könnte die Gewinnmargen der Unternehmen drücken, was sich wiederum weniger günstig auf die künftige Verschuldungs-, Liquiditäts- und Zinsdeckungsquote auswirkt. Dieser Hintergrund unterstreicht die Bedeutung von Fundamentalanalysen und einer gezielten Titelauswahl.

Zu beachtende Risiken – Schwächere technische Faktoren für die Zukunft

Die Europäische Zentralbank hat mit ihrem Corporate Sector Purchase Program (CSPP) und dem Pandemic Emergency Purchase Program (PEPP) der Anlageklasse starke technische Unterstützung gegeben. Diese bedingungslosen Käufe sind nun jedoch eingestellt worden, und es ist möglich, dass die Zentralbank im ersten Quartal 2023 mit einer quantitativen Straffung beginnen wird, was zu mehr Volatilität in der Anlageklasse führen könnte.

Nach unseren Schätzungen hält die Zentralbank etwa 28 % des gesamten Universums der CSPP/PEPP-fähigen Anleihen und etwa 12 % des breiteren Universums der Unternehmensanleihen. Dies ist zwar eine beträchtliche Summe, aber wir gehen davon aus, dass die Europäische Zentralbank eine allmähliche Reduzierung ihrer Bilanz vornehmen wird, um Marktturbulenzen zu vermeiden. Die jüngsten Äußerungen von Präsidentin Christine Lagarde deuten darauf hin, dass die quantitative Straffung erst dann beginnen wird, wenn sich die Zinssätze normalisiert haben. Darüber hinaus werden die Rückzahlungen aus dem PEPP wahrscheinlich bis mindestens Ende 2024 reinvestiert, während die Reinvestitionen aus dem CSPP unseres Erachtens in der zweiten Hälfte des Jahres 2023 schrittweise reduziert werden.

Erhöhte Spread-Dispersion schafft potenzielle Chancen für Alpha-Generierung

Das schwierige Umfeld hat zu einer größeren Streuung der Spreads im Vergleich zum Jahresanfang geführt. Dies schafft unserer Ansicht nach potenzielle idiosynkratische Anlagechancen, die wir mit unserem Research und aktiven Management nutzen können. Unser Ansatz, der auch auf ein diszipliniertes Risikomanagement setzt, hat dazu beigetragen, dass der Euro Corporate Bond Composite langfristig starke risikobereinigte Renditen und ein Informationsverhältnis von durchschnittlich 1 auf rollierender Drei-Jahres-Basis erzielt hat.Wir gehen davon aus, dass die Möglichkeiten zur Alpha-Generierung in Zukunft noch weiter steigen werden, da sich einige Unternehmen besser behaupten werden als andere, was in diesem schwierigen Umfeld zu unterschiedlichen Ergebnissen führen wird, sowohl zu positiven als auch zu negativen. Die Marktturbulenzen werden vielleicht nicht verschwinden, aber wir glauben nicht, dass dies etwas ist, wovor man sich fürchten muss, denn Volatilität schafft Chancen. Angesichts attraktiver Bewertungen und hoher All-in-Renditen glauben wir, dass wir diese Chancen nutzen können; wir sind uns jedoch einiger Gegenwinde bewusst. Daher sind eine gründliche Fundamentalanalyse und unsere Bottom-up-Wertpapierauswahl in Verbindung mit einem Risikorahmen unerlässlich, um die vor uns liegenden schwierigen Zeiten zu meistern.

Weitere News aus der Rubrik

Unsere Rubriken