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Ausrichtung auf Netto-Null: fünf Gründe, die Dekarbonisierung des Portfolios zu überdenken

23.02.2024 5 Min.
  • Nachhaltigkeitsresearch-Team
    Lombard Odier Investment Managers

Viele aktuelle Lösungen, die sich auf die heutigen kohlenstoffarmen Unternehmen konzentrieren, greifen zu kurz. Ohne echte Fokussierung auf die Zukunft wird es Anlegern nur schwer gelingen, vielversprechende Unternehmen zu identifizieren.

Gemeint sind Unternehmen in der gesamten Wirtschaft, auch in emissionsintensiven Sektoren, deren glaubwürdige, am Pariser Abkommen orientierte Fortschritte der Dekarbonisierung vom Markt möglicherweise nicht erkannt werden. Zudem bewerten einige vermeintlich kohlenstoffarme Strategien nicht die Scope-3-Emissionen, die für Branchen wie Finanzdienstleistungen und Immobilien besonders wichtig sind. Diese Strategien erkennen die Emissionen von Unternehmen nicht in vollem Umfang an und verwehren Unternehmen, die sich im Wandel befinden, Kapital. Damit hemmen sie den Fortschritt in Richtung Netto-Null.

Eine Ausrichtung des Portfolios auf Netto-Null ist angesichts der zunehmenden Massnahmen von Politik, Unternehmen und Finanzmärkten im Bereich der Dekarbonisierung aus den folgenden fünf Gründen zu überdenken:

1. Mehr Dynamik auf politischer Ebene

Von den USA über China und Brasilien bis hin zur Europäischen Union: 195 Länder haben das Pariser Abkommen unterzeichnet, das für 88% der Emissionen und 92% des BIP ein Netto-Null-Ziel festgesetzt hat. Daraus entwickelte sich eine wirkungsvolle grüne Industriepolitik. Auch die Regulierung der Finanzmärkte wird auf Netto-Null ausgerichtet. Die Taskforce on Climate-related Financial Disclosures (TCFD) setzt dabei den Standard für die Offenlegung. Grossbritannien, die Schweiz und Brasilien zählen zu den Ländern, die von bestimmten Unternehmen und Finanzinstituten die Offenlegung von Emissionsdaten gemäss den Empfehlungen der TCFD verlangen. 

Auch in anderen Ländern gibt es bereits entsprechende Vorschläge, insbesondere in den USA: Die SEC verlangt von Unternehmen die Meldung einer Reihe klimabezogener Angaben. Diese reichen von Emissionsmengen bis zu erwarteten Risiken und Übergangsplänen und entsprechen ebenfalls den Empfehlungen der TCFD. In der EU wurden sowohl der Kreis der Unternehmen, die unter die Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung fallen, als auch der Umfang der Angaben erweitert. Dabei müssen ab dem Geschäftsjahr 2024 Rahmenwerke wie das der TCFD berücksichtigt werden. Andere Märkte – wie Japan, Hongkong und Malaysia – unterstützen den TCFD-Rahmen als Teil der ESG-Berichterstattung. 

2. Der CO2-Fussabdruck ist nur der erste Schritt

Anlagestrategien, die den CO2-Fussabdruck als wichtigsten Faktor der Emissionsdaten verwenden, sind nicht geeignet, den Netto-Null-Zielen und den Offenlegungsvorschriften gerecht zu werden. CO2-Fussabdrücke sind historische Momentaufnahmen von Emissionen und damit rückwärtsgerichtet. Dies ist irreführend für Anleger, die sich auf die Dekarbonisierung in den Jahren bis 2050 konzentrieren, denn die Ziele und die Strategie eines Unternehmens zur Kohlenstoffreduktion werden nicht erfasst. 

Ein zukunftsorientierter Ansatz sollte die Ambitionen eines Unternehmens hinsichtlich der Reduktionsziele bewerten und feststellen, ob Scope-1-, Scope-2- und Scope-3-Emissionen – also vor- und nachgelagerte Bereiche – berücksichtigt werden. Die Fähigkeit des Unternehmens, diese Ziele zu erreichen, muss analysiert werden. Dasselbe gilt für die wahrscheinlichen Auswirkungen der auf die Dekarbonisierung ausgerichteten Vorschriften und Technologien sowie den Druck von Verbrauchern und anderen Unternehmen. Sobald neue Emissionsdaten vorliegen, sind die Fortschritte eines Unternehmens im Hinblick auf seine Ziele zu bewerten, denn auf diese Weise sind Übergangs- und Haftungsrisiken leichter einzuschätzen. Eine schlechte Steuerung dieser Risiken kann einem Unternehmen und letztlich dessen Marktbewertung schaden.

3. Der Ausschluss kohlenstoffintensiver Unternehmen ist nicht zielführend

Eine Konzentration auf die von Natur aus kohlenstoffarmen Sektoren wie Gesundheitswesen, Medien und IT führt zu einer eingeschränkten Portfoliodiversifizierung und einem höheren Konzentrationsrisiko. Zudem lässt der Ausschluss von Unternehmen, deren grosser CO2-Fussabdruck sich verringern dürfte, Chancen ungenutzt: Derartige Strategien lassen möglicherweise die potenziell leistungsstarken Unternehmen ausser Acht, die auf Netto-Null ausgerichtet sind und Fortschritte bei der Erreichung ihrer ehrgeizigen und glaubwürdigen Dekarbonisierungsziele machen.

Zur Erreichung von Netto-Null ist die Reduktion von Emissionen in wirtschaftlich wichtigen, aber schwer zu dekarbonisierenden Sektoren wie Luftfahrt und Chemie unerlässlich. Der Ausschluss von Unternehmen aus diesen Branchen verlangsamt möglicherweise den Übergang: Den Unternehmen wird Kapital vorenthalten, während sie sich um den Übergang bemühen. Ziel sollte sein, finanziell attraktive, dekarbonisierende Unternehmen in allen Sektoren zu identifizieren. Denn nur durch eine Dekarbonisierung der gesamten Wirtschaft kann eine Netto-Null-Zukunft erreicht werden.

4. Um das Klimarisiko bis 2050 zu bewältigen, gilt es, nach vorne zu schauen

Anleger müssen in die Zukunft schauen, nicht zurück. Nur so können sie nachvollziehen, wie Übergangs-, physische und Haftungsrisiken Vermögenswerte beeinträchtigen könnten. Unternehmen, die erfolgreich zu kohlenstoffarmen Geschäftsmodellen übergehen, werden sich wahrscheinlich gut an die Nachfrageverschiebungen aufgrund neuer Vorschriften und klimabewusster Verbraucher anpassen können. Unternehmen, denen dies nicht gelingt, könnten unter einem Nachfrageeinbruch leiden und gezwungen sein, die steigenden Kosten für Kohlenstoffkompensationen und eventuell beschleunigte Massnahmen zur Emissionsminderung zu tragen.

Vorausschauende Unternehmen müssen den Anstieg von Häufigkeit und Schwere extremer Wetterereignisse mit einplanen. Ebenso sind Anpassungsstrategien umzusetzen, um die potenzielle Verschlechterung der Ernteerträge, die geringere Wasserversorgung und die hitzebedingte Arbeitsbelastung zu bewältigen. Ausserdem besteht die Gefahr von Rechtsstreitigkeiten oder Geldstrafen im Zusammenhang mit unzureichenden oder verspäteten Massnahmen zur Reduktion der Kohlenstoffemissionen oder Anpassungsstrategien von Unternehmen. 

Unter Berücksichtigung dieser Risiken können vorausschauende Anleger beurteilen, wie gut ein Unternehmen sein Geschäftsmodell an eine kohlenstoffarme Wirtschaft anpasst. Und Nachzügler meiden, deren mangelnde Vorbereitung Risiken birgt.

5. Vorreiter sind nicht immer deutlich erkennbar

Emissionsminderungen in schwer zu dekarbonisierenden, aber wirtschaftlich wichtigen Sektoren wie Bauwesen und Schifffahrt, sind für eine Netto-Null-Zukunft am wichtigsten. In diesen Branchen weisen einige Unternehmen aktuell einen grossen CO2-Fussabdruck auf. Sie verfolgen jedoch wissenschaftsbasierte Dekarbonisierungsziele, die dem Pariser Abkommen entsprechen. Zudem haben sie glaubwürdige Pläne, um diese Ziele zu erreichen. Für Anleger sind sie wichtige Engagements, um ihre Portfolios auf Netto-Null auszurichten. Sie können auch potenzielle Chancen für die Erzielung langfristiger Renditen darstellen. 

Daraus folgt, dass umweltverschmutzende Unternehmen, die keine Ambitionen zur Dekarbonisierung haben, die grössten Risiken darstellen – und daher zu vermeiden sind. Diese Nachzügler der Dekarbonisierung werden wahrscheinlich klimabezogenen Risiken ausgesetzt sein. Denn die Politik plant eine Offenlegung der Emissionen, und die Märkte werden zunehmend kohlenstoffarme Produkte und Dienstleistungen bevorzugen.

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Foto von Xavier Balderas Cejudo auf Unsplash

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