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Biden signalisiert konzertierten Vorstoß zur Stärkung des Wettbewerbs

20.08.2021 5 Min.
  • Katie Deal, Washington Analyst US Equity Division

Entsprechende Gesetzesänderungen bräuchten jedoch eine parteiübergreifende Zustimmung und könnten Jahre dauern

Im Kampf gegen wettbewerbswidrige Praktiken und eine zu hohe Branchenkonzentration will die Biden-Regierung offenbar die kartell- und aufsichtsrechtlichen Bestimmungen auf sämtlichen Regierungsebenen überarbeiten. Darauf deuten die jüngsten Personalentscheidungen des US-Präsidenten für bestimmte Schlüsselpositionen und ein kürzlich erlassenes Präsidialdekret zur „Stärkung des Wettbewerbs in der amerikanischen Wirtschaft“ hin. Unserer Ansicht nach markiert dieses Dekret einen Wendepunkt beim Umgang der Regierung mit der zunehmenden Branchenkonsolidierung. Offenbar will die Regierung geplante Unternehmenszusammenschlüsse strenger prüfen sowie längere Fristen für den Abschluss von Transaktionen und strengere Auflagen für deren Genehmigung festlegen.

Unserer Ansicht nach markiert dieses Dekret einen Wendepunkt beim Umgang der Regierung mit der zunehmenden Branchenkonsolidierung.

Erwartungsgemäß zielt das Dekret vor allem auf zwei Probleme ab: auf die Macht der dominierenden Technologieplattformen und auf die steigenden Gesundheitskosten. Zudem regt das Papier neue Regulierungsmaßnahmen an, um Bedenken hinsichtlich der Branchenkonsolidierung und des Wettbewerbs in bestimmten Branchen auszuräumen, darunter die Bereiche Telekommunikation, Landwirtschaft, Bankwesen und Verkehr. Wir glauben, dass das Dekret die Schlagzeilenrisiken erhöhen und eine schrittweise Änderung in den Geschäftspraktiken zur Folge haben könnte, da es eine stärkere Überwachung bestimmter Branchen vorsieht. Investoren sollten daher die weitere Entwicklung entsprechender Gesetzgebungsverfahren genau im Auge behalten, jedoch auch berücksichtigen, dass umfassende Reformen der Rechts- und Regulierungsvorschriften einen parteiübergreifenden Konsens benötigen und entsprechende Gesetzgebungsverfahren mehrere Jahre in Anspruch nehmen könnten.

Nominierungen deuten auf einen strengeren kartellrechtlichen Ansatz hin

Offenbar will Joe Biden die aufsichtsrechtliche Prüfung der großen Technologieplattformen verschärfen. Dafür gibt es verschiedene Hinweise wie die Nominierungen für bestimmte Schlüsselpositionen im Weißen Haus und in den Regulierungsbehörden, darunter die Nominierungen von Jonathan Kanter (als Leiter des Kartellamts des Justizministeriums), von Lina Khan (als Vorsitzende der Handelsbehörde FTC) und von Tim Wu (der in den Nationalen Wirtschaftsrat berufen wurde). Sie alle gelten als Kritiker der Geschäftspraktiken der Tech-Giganten auf rechtlicher und regulatorischer Ebene.

Mit welcher Strategie diese Kandidaten gegen den vermeintlichen Schaden, der durch den bedeutenden Einfluss der Technologiegiganten entsteht, vorgehen wollen, dürfte für einige Spekulation sorgen. Fest steht jedoch, dass Joe Biden wichtige Posten mit erfahrenen Regulierungsexperten besetzt, die allesamt eine Verschärfung der kartellrechtlichen Aufsicht befürworten – und zwar branchenübergreifend.

Präsidialdekret sieht konzertierte Initiativen vor

Das jüngste Präsidialdekret von Joe Biden sieht 72 Initiativen vor, mit denen mehr als ein Dutzend Bundesbehörden Vorschriften erlassen könnten, um verbraucher- und wettbewerbsschädigende Praktiken zu unterbinden.

Zu den wichtigsten Inhalten gehören die Aufforderung an die Handelsbehörde, Regeln für die Datenerfassung durch Technologieunternehmen aufzustellen und gegen potenziell unfaire Praktiken vorzugehen, die kleinere Unternehmen benachteiligen, wenn sie die großen Plattformen für den Verkauf ihrer Produkte nutzen. Mit Blick auf das Gesundheitswesen wird das Gesundheitsministerium aufgefordert, binnen 45 Tagen einen Plan zur Senkung der Arzneimittelpreise vorzulegen, die bereits verabschiedeten Gesetze gegen unerwartete Krankenhausabrechnungen (Surprise Billing) umzusetzen und weitere Schritte zur Förderung erschwinglicher Preise im Gesundheitswesen zu unternehmen.

Zudem enthält der Erlass Empfehlungen für einen einfacheren und erschwinglicheren Wechsel des Telekommunikationsanbieters, für eine höhere Transparenz von Flug- und Schifffahrtsgebühren, für eine Vereinfachung von Klagen der Landwirte gegen große Verarbeitungsbetriebe wegen zu niedrigen Preisen und anderer Missbrauchspraktiken sowie für beschränkte Verwendung von Wettbewerbsverbotsklauseln.

Für Investoren könnte außerdem relevant sein, dass das Dekret im Kampf gegen die zunehmende Branchenkonzentration eine strengere Prüfung von Fusionen und Übernahmen sowie schärfere Bedingungen für deren Genehmigung vorsieht.

Die Mühlen des Wandels mahlen weiterhin langsam

Im Präsidialdekret selbst sind keine Durchsetzungsmechanismen festgelegt. Es fordert die Bundesbehörden lediglich auf, im Rahmen ihrer bereits bestehenden Regelungsbefugnisse eine fortschrittlichere Politik umzusetzen. Die Ausarbeitung neuer Vorschriften wird jedoch einige Zeit in Anspruch nehmen, und die entsprechenden Gesetzgebungsverfahren dürften mehrere Monate, wenn nicht Jahre, dauern. Schwierig könnte sich außerdem die Koordinierung zwischen den verschiedenen Behörden gestalten, was zusätzliche Verzögerungen zur Folge haben könnte.

Wir glauben, dass das Dekret (…) einen Schritt hin zu einer fortschrittlicheren Wettbewerbspolitik markiert, der den politischen, regulatorischen und gesetzgeberischen Bemühungen um eine Reform des US-Kartellrechts neuen Schwung verleihen wird.

Wir glauben, dass das Dekret – in Kombination mit den jüngsten Nominierungen des US-Präsidenten für bestimmte Schlüsselpositionen im Weißen Haus und in den Bundesregulierungsbehörden – einen Schritt hin zu einer fortschrittlicheren Wettbewerbspolitik markiert, der den politischen, regulatorischen und gesetzgeberischen Bemühungen um eine Reform des US-Kartellrechts neuen Schwung verleihen wird. Ein grundlegender Richtungswechsel in der Herangehensweise der US-Regierung bei einer strengeren Regulierung des Wettbewerbs würde letztlich jedoch eine im Gesetz verankerte neue Definition des Standards des „Verbraucherwohls“ erfordern, die den Regulierungsbehörden die schwere Aufgabe auferlegt, nachzuweisen, dass die Verbraucher durch mutmaßlich wettbewerbswidrige Praktiken geschädigt wurden. Zudem wäre eine Aufstockung der Mittel und des Personals der Handelsbehörde und des Justizministeriums hilfreich, ebenso wie eine Ausweitung der Befugnisse der für die Wettbewerbsregulierung zuständigen Behörden.

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