Die Lehren zehn Jahre nach der Lehman-Pleite
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Adrian Hull, UK Head of Fixed Income
Diesen Monat jährt sich die Pleite der US-Bank Lehman Brothers zum zehnten Mal. Wir sollten an diesem denkwürdigen Moment innehalten, um uns die damaligen Marktbedingungen vor Augen zu führen. 2008 rentierten zehnjährige Schweizer Staatsanleihen mit 3% und wurden mit einer soliden Prämie von 1% gegenüber deutschen Bundesanleihen gehandelt.
Als die globale Finanzkrise aus dem Ruder lief, war der „Moral Hazard“, d.h. das moralische Risiko, plötzlich in aller Munde, verbunden mit der Sorge, dass staatliche Rettungsaktionen unbeabsichtigte Bewertungsniveaus und andere Folgen heraufbeschwören würden. Nach der Rettung der britischen Hypothekenbank Northern Rock und der Notübernahme der US-Investmentbank Bear Stearns im März 2008 waren die Behörden ermüdet und das moralische Risiko wurde grösser. Vor diesem Hintergrund brach Lehman zusammen, während Merrill Lynch gerettet wurde. Die Folgen der Pleite sind jedoch bis heute spürbar. Wir haben gelernt, mit einer neuen Generation des Moral Hazard zu leben und machen uns derzeit Sorgen über die Auswirkungen des Endes der quantitativen Lockerung.
Alles Notwendige tun
Denn eins haben die Märkte gelernt: Wenn die Zentralbanken beschliessen, dass sie „alles Notwendige tun werden“, haben sie eine grössere Feuerkraft als die Märkte. Die Währungshüter müssen es selbstverständlich schaffen, diese Überzeugung an ihren eigenen Anleihenmärkten zu vermitteln. Die Steuerung der Wechselkurse erwies sich aber als deutlich schwieriger, wie die Bank von England 1992 und die Schweizer Nationalbank 2015 feststellen mussten. Nun schenken Anleger den Zentralbanken grosse Aufmerksamkeit, da die Märkte die Drosselungen der Zentralbankmassnahmen sehr zurückhaltend beurteilen. Die Märkte reagierten mit besonders heftigen Kursausschlägen auf jegliche Äusserungen der Notenbankchefs Bernanke, Draghi, Carney oder Kuroda, die für die Marktteilnehmer mit den bisherigen Stellungnahmen nicht in Einklang zu bringen waren.
2008 sollte sich nicht wiederholen
Die gute Nachricht ist, dass die Zentralbanken schon lange ein breites Spektrum an Faktoren aufmerksam verfolgen. Dadurch sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass sich 2008 wiederholt, deutlich, zugleich wird eine künftige Abkühlung etwas gedämpft. Die schlechte Nachricht ist, dass viele Kommentatoren gebetsmühlenartig die nächste schwere Finanzkrise à la 2008 prophezeien. Wie wir von Northern Rock bis Lehman gesehen haben, führte ein verzweigtes Zusammenspiel von Ereignissen zum Kollaps. Das Gros dieser Probleme wurde in den letzten knapp 10 Jahren „ordentlich“ geregelt. Aber das hält die Kassandras nicht davon ab, einen unmittelbar bevorstehenden Kollaps an den Finanzmärkten oder eine ausgetrocknete Liquidität am Anleihemarkt zu prophezeien. Durch Regulierungen ist das ordentliche Kapital von Banken kräftig gestiegen. Ausserdem herrscht die weiterverbreitete Meinung, dass sich die Niedrigzinsphase dadurch verlängert hat und die Fähigkeit der Banken beschnitten wurde, grosszügig Kredite zu vergeben, um das Wirtschaftswachstum anzukurbeln. Die globale Disruption seit der globalen Finanzkrise manifestiert sich in vielerlei Hinsicht, wobei der Volksentscheid zum Vollgeld von Juni nur eine von vielen unerwarteten Folgen war.
Vor diesem Hintergrund ist grosse Aufmerksamkeit bei der Verwaltung von Portfolios mit Blick auf voraussichtliche Folgen statt absurder Prognosen geboten. In der Finanzkrise von 2008 die einzige Ursache des Populismus zu sehen, wäre nicht angemessen. Aber die Kombination aus skeptischen Stimmbürgern, harten Sparauflagen (Austerität) und Geldpolitik wird auch weiterhin die Entschlossenheit und Strategietreue aktiver Manager an allen wichtigen Anleihenmärkten auf die Probe stellen.