Europäische Aktien durch Positionierung ausserhalb des Euro-Raums gestützt
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Viktor Nossek, Research-Chef
In Europa sind am Horizont aufkommende politische Risiken sichtbar. Das ist aber nicht primär negativ für Aktien.
Bislang führen die Anstrengungen der Banken in Richtung einer raschen Restrukturierung und Rekapitalisierung im Vorfeld möglicher politischer Konsequenzen in diesem Jahr zu einer Stärkung europäischer Aktien. Dadurch werden Bedenken hinsichtlich systemischer Risiken in einigen der grössten Banken zerstreut. Für Anleger ergeben sich aufgrund des deutlichen Abschlags, mit dem Bankaktien derzeit allgemein bewertet sind, Chancen am europäischen Aktienmarkt. Anlagestrategien mit einer breiten Positionierung in europäischen Aktien und Schwerpunkt auf Large- und Mid-Cap-Werten dürften vor dem Hintergrund einer positiven Stimmungslage im Finanzsektor eine starke Performance zeigen. Zudem können Investoren durch Strategien mit zusätzlicher Währungsabsicherung und/oder einem Fokus auf Exportunternehmen Risiken im Zusammenhang mit pessimistischen Annahmen zur Entwicklung des Euro begegnen.
Weniger optimistisch für Anleihen
Gegenüber festverzinslichen europäischen Wertpapiere ist die Situation weniger erfreulich: Angesichts des Sieges von Donald Trump bei den US-Präsidentschaftswahlen hat sich die positive Stimmung unter High- und Low-Grade-Emittenten von Staatsanleihen verflüchtigt. Dazu kommen weitere, zur pessimistischen Einschätzung für festverzinsliche Anlagen beitragende Ereignisse auf makroökonomischer Ebene wie der Brexit, das Auslaufen der Anleihenkäufe durch die EZB sowie das Nein bei dem in Italien im Dezember 2016 abgehaltenen Referendum zur Verfassungsreform. Alle genannten Ereignisse führten unwillkürlich zu einer Verteuerung der Fremdkapitalaufnahme. Als Folge davon könnte die 2017 eventuell aufkommende, von der Binnennachfrage getragene Wachstumsdynamik untergraben werden. Ebenso könnte sich eine nennenswerte Verbesserung der Beschäftigung und des Lohnniveaus in Frankreich und Italien als den schwächsten EU-Kernländern verzögern. Die grössten gesamtwirtschaftlichen Risiken in Europa für das Jahr 2017 ergeben sich aus der fehlenden Ausgabenpolitik und einer nicht vorhandenen Agenda zur Ankurbelung von Investitionen, wie sie Donald Trump in den Vereinigten Staaten verfolgt. Euroskeptische Bewegungen sehen 2017 als ein für eine weitreichendere Neuausrichtung der politischen Agenda in Europa opportunes Jahr, falls sich die neu gewählten Regierungen nach den politischen Wahlen in den Niederlanden (März), Frankreich (Mai), Deutschland (September) sowie in Italien (Termin derzeit noch nicht bekannt) entschieden gegen die von der EU auferlegten strengen haushaltspolitischen Vorgaben und Programme zur Bankenrettung wenden. Das schwächste Glied der EU-Kette ist Italien. Hier wirkt die derzeitige, aus Technokraten bestehende Regierung angesichts der wachsenden Unterstützung für euroskeptische Parteien des linken («Fünf Sterne») und rechten Lagers (Lega Nord) verwundbar.
Europäische Aktien als «sicherer Hafen»
Der deutliche Wertverlust des Euro und das Anziehen der Renditen auf Anleihen der Euro-Peripherie sind Ausdruck der im Jahr 2017 auf europäischer Ebene bestehenden politischen und wirtschaftlichen Risiken. Die EU sieht keine Dringlichkeit für eine Ankurbelung von Konjunktur und Investitionen im Interesse einer Wiederherstellung der Dynamik eines durch die Binnennachfrage getriebenen Wachstums. Die EZB wiederum unterschätzt offenbar die Bedrohung, die sich daraus für die politische Einheit Europas ergibt. Wir gehen davon aus, dass die Anleger bei Staatsanleihen in Europa künftig eine sorgfältigere Auswahl treffen dürften, da die flankierenden geldpolitischen Massnahmen schrittweise wegfallen und sich die Kreditkennzahlen verschlechtern. So sind die Anleihemärkte in den schwächeren Peripheriestaaten der EU einer höheren Volatilität und Ausweitung der Kredit-Spreads ausgesetzt. Es grenzt an Ironie, dass vor diesem Hintergrund europäische Aktien durch die Positionierung der Unternehmen ausserhalb des Euro-Raums gestützt werden und daher Investoren voraussichtlich einen sichereren Hafen als Staatsanleihen bieten dürften. Für US-Anleger, die sich mit Blick auf das Euro-Abwertungsrisiko effektiv am europäischen Aktienmarkt positionieren möchten, sind Aktien von Exportunternehmen bei gleichzeitiger Währungsabsicherung zu erwägen.
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Viktor Nossek ist Director Research bei WisdomTree