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Fallstudie: Engagement für eine wissenschaftsbasierte Netto-Null-Zielsetzung am Beispiel von Air Liquide

31.05.2023 4 Min.
  • Laura McTavish
    Analystin beim DNB Funds Renewable Energy
    DNB Asset Management

Air Liquide hat sich verpflichtet, seine absoluten Scope-1- und Scope-2-Emissionen bis 2035 um 33 Prozent zu reduzieren und bis 2050 die Klimaneutralität zu erreichen. Ein Beitrag von Laura McTavish, Analystin beim DNB Funds Renewable Energy.

2015 wurde die Science Based Targets initiative (SBTi) gegründet, um Unternehmen dabei zu helfen, sich realistische und wirkungsvolle Ziele bei der Emissionsminderung zu setzen, mit denen die schlimmsten Folgen des Klimawandels verhindert werden können. Diese Ziele gelten als wissenschaftsbasiert, wenn sie den derzeitigen Erkenntnissen der Klimaforschung und dem Pariser Klimaabkommen entsprechen, das die globale Erwärmung auf 1,5 Grad gegenüber den vorindustriellen Werten begrenzen will.

Der in Paris ansässige Konzern, Air Liquide, produziert, vermarktet und verkauft weltweit Industriegase, darunter Flüssigstickstoff, Argon, Kohlendioxid und Sauerstoff und zählt zu den weltweit führenden Unternehmen für Industrie, Medizin und Umweltschutz. Im Rahmen einer ersten Analyse wurde der beträchtliche Kohlenstoff-Fußabdruck als Risikofaktor eingestuft. Dies veranlasste das DNB Renewable Energy-Team, Air Liquide mit Blick auf unser Engagement für eine wissenschaftsbasierte Netto-Null-Zielsetzung Priorität einzuräumen.

Wir trafen uns mit dem Unternehmen bereits im November 2021 sowie im Mai 2022. Aus den Gesprächen und den zusätzlichen schriftlichen Antworten konnten wir uns ein erstes Bild über die CO₂-Emissionen und die Ziele einer Reduzierung verschaffen: 

→ Air Liquide hat sich verpflichtet, seine absoluten Scope-1- und Scope-2-Kohlenstoffemissionen bis 2035 um 33 Prozent zu reduzieren und bis 2050 das Netto-Null-Ziel zu erreichen. Es umfasst nicht nur CO₂, sondern sämtliche Treibhausgase. Die Science Based Targets Initiative zertifizierte das Ziel für 2035 als deutlich unter 2 Grad Celsius liegend. Dabei ist jedoch zu beachten, dass es derzeit kein spezifisches Regelwerk für Industriegase gibt. Air Liquide ist jedoch in der Arbeitsgruppe vertreten, die die SBTi bei der Entwicklung einer solchen Struktur unterstützt. 

→ Das Management hat erkannt, dass ein signifikanter Anteil an erneuerbaren Energien notwendig ist, um seine Scope-2-Emissionen zu reduzieren. Diese müssen gleichermaßen verfügbar, zugänglich und erschwinglich sein. Aufgrund seiner Marktposition als großer Energieverbraucher unterzeichnet Air Liquide Stromabnahmeverträge und ermöglicht in bestimmten Fällen die Entwicklung von Großprojekten im Bereich der erneuerbaren Energien. Ferner bietet die Gesellschaft den Herstellern von erneuerbaren Energien Visibilität, da es häufig Verträge mit einer Laufzeit von 15 Jahren abschließt, um die Versorgung mit Strom aus erneuerbaren Energien zu garantieren. Air Liquide steht aktuell in Verhandlungen hinsichtlich eines Großauftrags in Südafrika (600 GW, wird auf 900 MW erweitert). Dafür müssen nicht zuletzt die politischen Rahmenbedingungen stimmen, zu denen neben der Steuergestaltung auch Fördermaßnahmen und die Beteiligung der Regierung zählen. Air Liquide erwägt ferner ein Kohlenstoffbudget pro Region, um beurteilen zu können, wie viele Emissionen es sich in jeder Region leisten kann.

 → Zur Beseitigung von Restemissionen sind – nach Ausschöpfung aller Möglichkeiten zur Emissionsminderung – Kompensationen vorgesehen. Air Liquide betont jedoch, dass eine Entscheidung über die Ausgestaltung und Preise der Kompensationen gegenwärtig noch in weiter Ferne liegt. Nach unserem Dafürhalten hätte das Unternehmen dies bei der Festlegung seines Ziels berücksichtigen und seine Pläne klar darlegen müssen. Ebenso hätten wir uns gewünscht, dass Air Liquide sein eigenes Fachwissen – etwa im Bereich der Kohlenstoffabscheidung und -speicherung – stärker ausbaut, um Emissionen zu vermeiden.

→ Air Liquide betont zudem, dass es Scope 3 nicht in sein Ziel einbeziehen wird, weil es nicht genau definiert ist. Man unterstützt jedoch Kunden und Lieferanten, von denen einige ihre eigenen Netto-Null-Verpflichtungen verfolgen. Wir hätten uns gewünscht, dass Air Liquide eine aktivere Rolle beim Umgang mit Scope 3 übernimmt, indem es beispielsweise aktiv mit den Lieferanten zusammenarbeitet. 

→ Ein Bereich, auf den sich Air Liquide zuletzt konzentriert hat, ist die Lobbyarbeit. Kürzlich veröffentlichte das Unternehmen seine erste Klimacharta. Darüber hinaus will der Konzern Maßnahmen für den Fall festlegen, wenn Unstimmigkeiten in der Klimapolitik festgestellt werden. Sofern möglich, werden alle öffentlichen Stellungnahmen zu wichtigen Themen online zur Verfügung gestellt.→ Die Strategie der Gesellschaft in den Bereichen Wasserstoff sowie Kohlenstoffabscheidung und -speicherung wurde ebenfalls diskutiert. Obwohl Air Liquide daran arbeitet, diese Märkte zu erschließen, ist es mit Risiken durch neue Marktteilnehmer wie Plug Power konfrontiert. Das Unternehmen ist dank seiner Standorte gut aufgestellt. Wir glauben, dass Air Liquide seine bestehende Infrastruktur in Zukunft gewinnbringend nutzen kann.

Extrapolation der Kohlenstoffreduktionsziele von Air Liquide (in Millionen Tonnen CO₂)

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