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Fast Fashion – wenn Mode zum Problem wird

14.09.2021 4 Min.
  • Dr. Henrik Pontzen, Leiter Abteilung Nachhaltigkeit (ESG) im Portfoliomanagement

Berlin, Mailand, Paris – im September haben die Fashion Weeks Hochkonjunktur. Dabei interessieren sich Investoren weniger für die glamourösen Shows als für die Nachhaltigkeitsdefizite der Textilbranche.

Das Hauptproblem ist die so genannte Fast Fashion – schnell wechselnde, meist sehr günstige Mode, die häufig nach kurzer Zeit auf dem Müll landet. Für Anleger werden die damit verbundenen sozialen und ökologischen Belastungen immer mehr zum Investitionsrisiko. Die Modebranche reagiert durchaus, bei den Veranstaltungen steht mittlerweile auch nachhaltige Mode auf dem Programm. Diese Entwicklung geht zwar in die richtige Richtung, doch ist nachhaltige Bekleidung aktuell eher ein Thema für urbane Eliten. Im Markt dominieren weiterhin Kleidungsstücke, die in erster Linie preiswert sind.

Hersteller zunehmend für Reputationsrisiken sensibilisiert

In diesem Frühjahr schaute der Kapitalmarkt besonders aufmerksam auf einige börsennotierte Textilunternehmen wie Nike und H&M. Der Grund: In China wurde zum Boykott einiger Hersteller aufgerufen, nachdem diese sich besorgt über mögliche Zwangsarbeit bei der Baumwollproduktion in der chinesischen Provinz Xinjiang geäussert hatten. Dieses Beispiel zeigt, wie schwierig für die Unternehmen der Branche der Spagat zwischen Nachhaltigkeit, Geschäftserfolg und politischen Einflüssen sein kann. Bei Investorengesprächen mit den grossen Firmen ist allerdings festzustellen, dass sie zunehmend für menschenrechtsverletzende Arbeitsbedingungen und unzureichende soziale Standards bei Zulieferern sensibilisiert sind, da damit hohe Reputationsrisiken verbunden sind.

Ex- und Hopp-Mentalität verschärft Umweltprobleme

Für die ökologischen Aspekte der Textilproduktion gilt das leider weniger. Die Modebranche ist einer der grössten Umweltverschmutzer überhaupt. So verursacht die Herstellung von Kleidern und Schuhen rund acht Prozent der globalen Treibhausgase. Die Branche ist ferner für etwa zehn Prozent der industriellen Wassernutzung weltweit verantwortlich. Ein grosser Teil des Wassers wird dadurch verschmutzt,  vor allem in Ländern, in denen sauberes Wasser ohnehin Mangelware ist und durch den Klimawandel noch knapper wird. Bei den Umweltthemen geht es anders als bei den sozialen Problemen der Textilbranche aber weniger um einzelne schwarze Schafe. Denn die ökologischen Belastungen entstehen in der Breite durch die schiere Masse der Textilproduktion bei gleichzeitig unzureichenden Umweltstandards in den Herstellerländern.

Das Kernproblem ist, dass immer mehr Textilien produziert werden. So wird für die Branche bis 2030 eine Umsatzsteigerung um fünf Prozent pro Jahr prognostiziert. Onlinehandel und Billigproduktion sorgen neben stark wachsenden Käuferschichten in Schwellenländern für eine immer höhere Nachfrage. Angeheizt von Influencern kauft der durchschnittliche Konsument heutzutage 60 Prozent mehr Kleidungsstücke als noch vor 15 Jahren. Dies verursacht neben steigenden Emissionen und einer zunehmenden Wasserverschmutzung ein Müllproblem. Der Anteil von Textilien am weltweiten Abfallaufkommen liegt bei knapp fünf Prozent. In Summe wird zu viel Kleidung aus umweltschädlichen Materialien gekauft und zu schnell weggeworfen. Nur ein Bruchteil wird „Second Hand“‘ weitergenutzt oder wiederverwertet. Hinzu kommt eine massive Überproduktion.

Investoren fordern von Textilunternehmen Transparenz

Für nachhaltig orientierte Investoren wird deshalb immer wichtiger, welche Textilunternehmen sich um umweltschonende Produktionsbedingungen und Materialien sowie Recycling bemühen. Für die Umwelt wäre weniger Baumwolle und Polyester ein Segen, da der Baumwollanbau sehr wasserintensiv und Polyester aus Erdöl ist. Investoren erwarten daher von Unternehmen detaillierte Informationen, inwieweit sie künftig auf höherwertige, nachhaltige Materialien setzen und wieviel sie in Forschung und Entwicklung investieren. Eine Rolle spielen hierbei auch kleinere, innovative Unternehmen wie etwa die österreichische Firma Lenzing, die Kunstfasern aus Zellstoff herstellt.

Die grossen Modemarken müssen Transparenz schaffen und eine klare, langfristig angelegte Strategie vorweisen, wie sie diese Herausforderungen angehen. Es ist immer ein schlechtes Zeichen, wenn Unternehmen mit Investoren nicht über Details der Umsetzung sprechen wollen und insgesamt vage bleiben. In diese Kategorie fällt unserer Einschätzung nach zum Beispiel H&M, einer der wichtigsten europäischen Fast-Fashion-Hersteller. Konkurrent Inditex (Zara) zeigt sich im Dialog mit Investoren auskunftsfreudiger, setzt aber auch weiter auf Fast Fashion.

Die Konsumenten entscheiden

Etwas leichter mit Nachhaltigkeitsthemen tun sich generell Qualitätshersteller, die weniger im Fast-Fashion-Segment unterwegs sind. Einen guten Eindruck machen hier beispielsweise Adidas und Puma. Adidas etwa verfolgt interessante Projekte zur Reduktion von Mikroplastik und zur Erhöhung der Recyclingquote bei Kunstfasern. Die Unternehmen haben eine klar formulierte Nachhaltigkeitsstrategie mit konkreten Zielwerten und Zeitplänen. Die Vergütungsregeln ihrer Vorstände enthalten konkrete ESG-Kriterien (Environmental, Social, Governance).

Damit der ökologische Fussabdruck der Textilbranche deutlich kleiner wird, kommt es vor allem auf die Massenhersteller an, die vor einer schwierigen Gratwanderung stehen. Die Hauptrolle spielen aber die Konsumenten. Sie entscheiden darüber, ob Fast Fashion aus der Mode kommt und die Ex-und-Hopp-Mentalität bei Kleidung abgelegt wird.

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