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Lohnende Anleihen ausserhalb des europäischen Tellerrands

25.10.2019 5 Min.
  • Christian Kopf, Leiter Portfoliomanagement - Anleihen

Das vergangene Jahr liess einen aufwärtstrend bei den Zinsen vermuten. Doch auch 2019 zeigt die Marktentwicklung in die entgegengesetzte Richtung. Anleiheninvestoren brachte das im vergangenen Jahr stattliche Gewinne ein. Trotz Niedrigzinsumfeld wird die Anlageklasse auch in Zukunft Chancen bieten.

Ein bei Börsianern beliebtes Gedankenexperiment ist die „Mars-Frage“: Käme man sozusagen als Raumfahrer vom roten Planeten auf die Erde zurück und wüsste nichts von den Geschehnissen der letzten Monate, wie würde man die Kapitalmärkte beurteilen? Vermutlich würde man sich verwundert die Augen reiben.

Denn die Rendite auf deutsche Bundesanleihen ist zwischenzeitlich auf neue Tiefststände gefallen. So erholen sich zehnjährige Bundesanleihen nur mühsam von ihrem Rendite-Allzeittief. Annähernd alle ausstehenden deutschen Staatsschulden sind mit einem Minuszeichen bei der laufenden Verzinsung versehen. Anleihen mit einem Volumen von weltweit rund 15 Billionen US-Dollar notieren im negativen Renditebereich – das ist die aktuelle Lage am Obligationenmarkt.

Warum ist das so? Dreh- und Angelpunkt ist dabei die Konjunktur. Das Wachstum hat sich abgeschwächt, unter anderem bedingt durch den stockenden Welthandel. Hier zeigen sich erste Auswirkungen des sino-amerikanischen Handelsstreits. Internationale Arbeitsteilung fördert die Effizienz, schafft also Wachstum. Dieser Effekt verliert nun an Kraft, und zwar in erster Linie bei den stark in die Weltwirtschaft eingebundenen Ländern. Das ist auch der Grund dafür, warum vor allem China und Deutschland von der Wachstumsabschwächung betroffen sind.

Die Konjunktur hat also einen Dämpfer erhalten, und mit ihr die Inflation. Diese Mischung hat die Notenbanken auf den Plan gerufen, sowohl in den USA als auch in der Eurozone. Waren zu Beginn des Jahres noch Leitzinsanhebungen geplant, haben die Währungshüter mittlerweile den Rückwärtsgang eingelegt. So senkte die US-Notenbank rund zwei Monate nach der ersten Zinssenkung seit zehn Jahren den Leitzins im September erneut – ebenso wie die Europäische Zentralbank (EZB) wenige Tage zuvor. Gleichzeitig wird es in Europa ab November ein neues Anleihe-Ankaufprogramm mit unbegrenzter Laufzeit geben. Das Negativzinsumfeld ist damit zementiert.

Niedrigzinsumfeld hält an

Der Obligationenmarkt hat diese Entwicklungen bereits vorweggenommen und mit deutlichen Kurssteigerungen auf Staats- und Unternehmensanleihen reagiert. Von Jahresanfang bis Mitte September erzielten deutsche Staatsanleihen seit Jahresanfang einen Ertrag von 5,7 Prozent. Anleger, die sich in die ehemaligen Krisenstaaten der Eurozone vorwagten und Staatsanleihen aus Griechenland, Irland, Italien, Portugal oder Spanien erwarben, konnten damit im Jahr 2019 bislang sogar 12,1 Prozent erzielen. Den hohen Kursgewinnen auf Anleihen stehen spiegelbildlich rückläufige Renditen gegenüber, und ein plötzlicher Anstieg der Renditen würde diese Gewinne wieder zunichtemachen. Doch eine solche Trendumkehr scheint nicht in Sicht. Die schwächere Konjunktur und geringe Inflation als Triebkräfte hinter dem Renditerückgang werden so schnell nicht verschwinden – und damit ist auch mit einer Fortsetzung des Niedrigzinsumfelds zu rechnen. Welche Chancen bieten die Obligationenmärkte für Anleger in diesem Umfeld?

Ausweichalternativen in und ausserhalb Europas

Mit Staatspapieren europäischer Kernländer allein sind nach den skizzierten Kurssprüngen keine großen Gewinne mehr zu erzielen. Zwar haben langlaufende sichere Anleihen weiterhin ihren Platz in jedem breit aufgestellten Depot, denn sie dienen als „Schockabsorber“ gegen mögliche Finanzmarktkrisen. Aber solange solche Krisen ausbleiben, wird man mit diesen Papieren kaum Geld verdienen. Staatsanleihen aus der europäischen Peripherie sind hingegen einen Blick wert, allerdings ist bei der Emittentenauswahl Vorsicht geboten. Wir favorisieren derzeit griechische und portugiesische Staatsanleihen – in beiden Ländern sorgt der Aufschwung für eine rückläufige Staatsverschuldung.

Daneben bleiben Unternehmensanleihen eine interessante Ausweichalternative. In Europa spricht viel für Papiere solider Schuldner mit guter Bonität, während wir bei hochverzinslichen Anleihen aufgrund des Konjunkturabschwungs etwas vorsichtiger sind.

Und schliesslich lohnt der Blick nach Übersee. Die europäischen Obligationenmärkte steuern unweigerlich auf japanische Verhältnisse zu, die durch extrem niedrige Renditen gekennzeichnet sind. Für die sprichwörtliche „Mrs. Watanabe“ – die spekulierende japanische Hausfrau – ist das nichts Neues. Sie legt ihre Ersparnisse bereits seit Jahrzehnten im Ausland an und nimmt das damit verbundene Währungsrisiko bewusst in Kauf.

Damit ist sie gut gefahren: Aufgrund der höheren Renditen haben Auslandsanleihen in Yen gerechnet in den letzten zwanzig Jahren deutlich mehr abgeworfen als japanische Staatsanleihen, auch wenn die Heimatwährung von Mrs. Watanabe ähnlich wie früher die Deutsche Mark und wie heute der Euro unter Aufwertungsdruck steht. Von den positiven Erfahrungen japanischer Anleger mit der Internationalisierung ihrer Investitionen können wir lernen. Konkret heißt das: Lokalwährungsanleihen aus Schwellenländern und Unternehmensanleihen der entwickelten Volkswirtschaften ausserhalb Europas sind attraktiv, insbesondere für langfristig orientierte Anleger. Man muss also nicht auf den Mars reisen, um mit Anleihen Geld zu verdienen – aber ein Blick über den europäischen Tellerrand dürfte sich lohnen.  

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