Mexiko: für Anleger ein sicherer Ort?
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Ben Robins, Portfolio Specialist, Emerging Markets Fixed Income
Die Wahl von Andrés Manuel López Obrador im Juli 2018 zum mexikanischen Präsidenten bedeutete ein Bruch mit der Vergangenheit. Haben die Vorhaben seiner Regierung das Potenzial, den Staat in eine sichere Zukunft zu führen? Steht «AMLO» wirklich als Synonym für einen New Deal?
Die Amtsübernahme von Andrés Manuel López Obrador, in Mexiko bekannt als AMLO, stand zunächst unter ungünstigen Vorzeichen. Die Finanzmärkte verfielen in Panik, nachdem der Bau des neuen internationalen Flughafens in Mexiko-Stadt gestrichen und anschliessend mit den Inhabern von sechs Milliarden US-Dollar Flughafenanleihen gerungen wurde. Als AMLO im Dezember die Regierung übernahm, fiel die Landeswährung auf 20 Pesos je Dollar und die mexikanische Zentralbank erhöhte die Zinsen auf 8,25 Prozent, den höchsten Stand seit mehr als einem Jahrzehnt. Zugleich senkten einige Analysten ihre Prognosen für das BIP-Wachstum 2019 auf bis zu einem Prozent.
Die Marktverwerfungen wirkten sich indes positiv auf die neue Administration aus. Bis Mitte Dezember hatte die Regierung einen Haushalt für 2019 vorgelegt, der einen Primärüberschuss von einem Prozent des BIP und keine neuen Steuern vorsieht. Die Folge: Der Peso stabilisierte sich und die Märkte setzten zur Erholung an. Die Investoren gaben der Regierung einen frühen Vertrauensvorschuss, als sie Ende Januar die Neuemission einer Staatsanleihe mit einem Volumen von zwei Milliarden US-Dollar überzeichneten.
International hat Mexiko aktuelle gute Karten. Ein schwächerer US-Dollar und die Pause der US-Notenbank bei den Zinserhöhungen werden zu einem geringeren Druck auf die mexikanische Zentralbank Banxico führen und könnten in den kommenden Monaten den Weg für eine weniger restriktive Geldpolitik ebnen. Mexiko ist der drittgrösste Handelspartner der USA und erzielte 2018 mit seinem bedeutenden Nachbarn einen Überschuss von 67 Milliarden US-Dollar.
Fragile Situation mit zahlreichen unsicheren Variablen
Es gibt allerdings gute Gründe, an der Kompetenz der neuen Regierung zu zweifeln, die Agenda des Präsidenten umzusetzen. Unsicher ist beispielsweise, ob es ihm gelingt, die progressive Sozialagenda zu verwirklichen, auf der seine Popularität beruht. Um die Kriminalität und Jugendarbeitslosigkeit zu bekämpfen, die oft Hand in Hand gehen, hat er versprochen, dank eines Ausbildungsprogramms 2,6 Millionen Arbeitsplätze zu schaffen. Doch bisher hat die Privatwirtschaft nur wenige tausend Praktika angeboten. Ebenso hängen die Investitions- und Wachstumspläne der Regierung vornehmlich von der Unterstützung des privaten Sektors ab, die angesichts dieser Gemengelage nach wie vor knapp ausfällt.
Auch jenseits der Landesgrenzen lauern Risiken. Die Volkswirtschaften Mexikos und der USA sind eng miteinander verflochten – im Guten wie im Schlechten. Zwar mag die gemächlichere geldpolitische Straffung der US-Notenbank Fed dem Aztekenstaat eine gewisse Atempause verschaffen. Aber eine mögliche Konjunkturverlangsamung in den USA in einer Phase, in der die Fiskalpolitik an Fahrt verliert, könnte für beide Seiten harte Zeiten ankündigen.
Ein Fragezeichen steht nicht zuletzt über dem neu ausgehandelten NAFTA-Abkommen, das noch nicht von jedem der Teilnehmerländer ratifiziert wurde. Wenn das von den Demokraten kontrollierte US-Repräsentantenhaus den neu definierten Vertrag einer längeren Debatte unterzieht, könnte die Stimmung der Unternehmen, in und gegenüber Mexiko, leiden.
Vieles auf der Agenda AMLOs kann man mögen: fiskalische Sparmassnahmen, erhöhte Investitionen sowie sein Ziel, die Armut und Jugendarbeitslosigkeit zu verringern. Trotz aller unbeantworteten Fragen wird er wohl eine längere Schonfrist haben, als die meisten Beobachter erwarten. Einige nennen ihn schon den «tropischen Messias». Seine beherrschende Stellung in beiden Kammern des Kongresses verleiht seinen, ohnehin starken Exekutivgewalten, wenig Kontroll- und Ausgleichsmechanismen. Dennoch sehen wir zwei wesentliche Risiken: Seine Sozialprogramme könnten scheitern und seine grossen Infrastrukturprojekte nie in Gang kommen. Wenn Korruption, Kriminalität und Gewalt weiter zunehmen, könnte sich zudem die Stimmung in der Bevölkerung gegen den Präsidenten wenden. Fragt sich, wie AMLO reagiert, wenn er unter Druck steht.