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payoff Opinion Leaders

Schwellenländer – bereit zum Einstieg?

28.01.2019 5 Min.
  • Max Holzer, Leiter Relative Return, Union Investment

Es war nicht das Jahr der Schwellenländer: Sie kämpften 2018 mit erheblichem Gegenwind und Anleger zogen sich zurück. Mittlerweile sind viele Risiken eingepreist. Ist die Zeit schon reif für den Einstieg?

Turbulent – dieses Wort beschreibt am besten die Situation am türkischen Kapitalmarkt im Sommer 2018. Panikartige Verkäufe schickten die Türkische Lira auf Talfahrt und die Inflation in schwindelerregende Höhen. Dazu mischten sich besorgniserregende Nachrichten aus Argentinien. Ebenso wie die Türkei hatte das südamerikanische Land kurzfristige Schulden in Fremdwährungen aufgebaut, die die Devisenreserven überstiegen. Als Konsequenz sagte der Internationale Währungsfonds (IWF) schnellere Auszahlungen eines milliardenschweren Kreditpakets zu.

Toxisches Gemisch

Neben solchen und anderen länderspezifischen Herausforderungen setzten aber vor allem strukturelle Faktoren den Emerging Markets zu: So belasteten insbesondere die steigenden Renditen am US-Rentenmarkt im Zuge der sukzessiven Zinserhöhungen durch die US-Notenbank Fed die Notierungen in den aufstrebenden Volkswirtschaften. Die damit einhergehende Aufwertung des US-Dollars erwies sich als Hypothek für die lokalen Währungs- und Anleihemärkte. Daneben litten die Schwellenländer unter der protektionistischen Politik von US-Präsident Donald Trump und der Angst vor einer Eskalation des Handelskonflikts zwischen den USA und China. Auch der fallende Ölpreis wirkte sich negativ auf zahlreiche erdölexportierende Länder aus. Als wäre das nicht genug, belasteten gegen Ende des Jahres Sorgen um die Weltwirtschaft. Das synchrone globale Wachstum endete im Jahresverlauf. Die USA zeigten sich robust, während China, Europa und die Schwellenländer rückläufig tendierten und sich mit schwächeren Frühindikatoren konfrontiert sahen.

Unter dem Strich gingen die Aktienmärkte der Emerging Marktes auf Indexebene (MSCI Emerging Market-Index) 2018 um rund 13 Prozent in die Knie. Auch auf der Anleiheseite gaben die Kurse nach. Wenn man die Finanzmärkte aussen vorlässt, sind damit Bewertungsniveaus erreicht, die in den vergangenen Jahren eine Kaufgelegenheit darstellten. Die Frage, ob die Zeit für einen Einstieg gekommen ist, kann aber nicht uneingeschränkt mit „Ja“ beantwortet werden. Denn die Probleme von gestern begleiten die Schwellenländer auch im neuen Jahr.

Risikofaktor Handelsstreit bleibt

Die Entwicklung in den aufstrebenden Volkswirtschaften wird auch in diesem Jahr massgeblich vom weiteren Verlauf des Handelsstreits zwischen den USA und China bestimmt. Der IWF hat beim Weltwirtschaftsforum in Davos die globale Wachstumsprognose für das Jahr 2019 auf 3,5 Prozent gesenkt. Damit liegt die Prognose um 0,2 Punkte unter der vom vergangenen Oktober, die bereits gesenkt worden war. Nach Ansicht der Organisation werden unter anderem die mit dem Handelskonflikt einhergehenden Unsicherheiten zunehmend zum Wachstumshemmnis. Besonders brisant: Mittlerweile setzt sich die Überzeugung durch, dass im Hintergrund ein breit angelegter Paradigmenwechsel in der US-Aussenpolitik vollzogen wurde und die USA tendenziell die strategische Konfrontation gegenüber China nicht mehr scheuen. Auch wenn sich im Zuge des G20-Gipfels Ende vergangenen Jahres Entspannung andeutete, ist die weitere Entwicklung damit nach wie vor schwer zu prognostizieren – was bleibt ist Unsicherheit.

Geldpolitik wird sukzessive restriktiver

Auch die Normalisierung der Geldpolitik bleibt ein Risiko. Zwar wird die US-Notenbank ihren Kurs deutlich stärker an den wirtschaftlichen Daten ausrichten als noch im vergangenen Jahr. Es bestehen aber Fragezeichen, wie viele Zinserhöhungen die Währungshüter im laufenden Jahr anstreben. Darüber hinaus dürfte die Fed ihre Bilanzsumme weiter zurückführen. Die Europäische Zentralbank hat ihre Anleiheankäufe zwar beendet, wird aber fällige Papiere am Markt reinvestieren. Tendenziell setzt sich somit die Geldverknappung insgesamt fort. Im Ergebnis ist somit von der Geldpolitik weiterhin kein Rückenwind für die Kapitalmärkte der Schwellenländer zu erwarten.

Länderspezifische Besonderheiten

Neben den beschriebenen Herausforderungen spielen die bestehenden idiosynkratischen Probleme weiter eine Rolle. Zwar sind Argentinien und die Türkei zumindest für 2019 durchfinanziert, die Lage bleibt in diesen beiden Ländern aber tendenziell schwierig. Gleichzeitig stehen in Argentinien, ebenso wie in Südafrika und Indonesien, in diesem Jahr Wahlen an, die potenziell für Verunsicherung sorgen können. Im Gegensatz zum Vorjahr wird 2019 dennoch kein „Superwahljahr“. Das sollte die Turbulenzen von politischer Seite eindämmen. Gleichzeitig gibt es aus wirtschaftlicher Sicht aber auch positive Länderbeispiele: So stellt sich mit Blick auf Wachstumsraten und Auslandsverschuldung die Situation in Indonesien weitaus günstiger dar als in anderen Schwellenländern. Auch Brasilien scheint nach der Präsidentschaftswahl aktuell relativ stabil zu sein.

Trotz der aktuell eher schwierigen Lage spricht auf lange Sicht vieles für die Schwellenländer. Langfristig werden sie ihr Wohlstandsniveau an das der Industriestaaten annähern. Alleine die schiere Anzahl möglicher Konsumenten ist riesig, schliesslich lebt nur ein Siebtel der Weltbevölkerung in den Industriestaaten. Es verwundert daher nicht, dass die Schwellenländer schon heute der Wachstumsmotor der Welt sind.

Frage des Anlagehorizonts

Die Beantwortung der Ausgangsfrage, ob sich ein Einstieg in die Emerging Markets nach dem turbulenten Jahr 2018 nun wieder lohnt, ist also vor allem eine Frage des Anlagehorizonts des jeweiligen Investors. Für kurzfristig orientierte Anleger ist mit Blick auf die weiterhin hohe Volatilität Vorsicht geboten. Unter langfristigen Überlegungen eröffnen sich schon jetzt Einstiegsmöglichkeiten. Denn nach der Ausweitung der Risikoaufschläge im vergangenen Jahr sind beispielsweise Schwellenländer-Anleihen vergleichsweise günstig bewertet. Allerdings hält die Divergenz zwischen den einzelnen Schwellenländern weiter an. Bei der Länderanalyse gilt es daher, besonders sorgfältig vorzugehen und die Spreu vom Weizen zu trennen.

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