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payoff Opinion Leaders

Volatilität am Ölmarkt dürfte andauern

03.04.2020 8 Min.
  • Shawn Driscoll, Manager, Portfoliomanager Global Natural Resources Equity Strategy

Infolge des Coronavirus-Ausbruchs präsentiert sich die zugrunde liegende Ölnachfrage sehr schwach, so dass die globalen Öllagerbestände stark gestiegen sind.

Dies und der Abbruch der OPEC-Gespräche bereiten zunehmend Sorge und haben zu erheblicher Volatilität an den Ölmärkten geführt. Die Ölpreise sind dadurch auf Niveaus gesunken, die für Produzenten ein Anreiz sind, bestehende Ölfelder stillzulegen.

Nach dem Scheitern der Verhandlungen zwischen der OPEC und Russland hat Saudi-Arabien angekündigt, die Ölförderung ab April von aktuell 9,7 Mio. Barrel pro Tag auf dann über 11 Mio. Barrel pro Tag hochzufahren. Dies erhöht den Druck auf alle Ölproduzenten, vor allem auf jene in Nicht-OPEC-Ländern wie den USA und Kanada, die zu höheren Kosten produzieren.

Da sich die Situation rasch verändert, lässt sich kaum abschätzen, wieviel Nachfrage durch das Coronavirus vernichtet wird. Klar ist aber, dass der aktuelle Rückgang eine spürbare, verstärkende Wirkung hat. Es scheint, als würden wir nun Zeugen eines ähnlichen Nachfrageschocks wie im Jahr 2008, der zusammen mit dem von Saudi-Arabien ausgelösten Angebotsschock ein Umfeld schafft, in dem die Öl-Spotpreise durchaus unter das obere Ende der Betriebskostenkurve für die Branche sinken könnten. Dies ist auch das Niveau, bei dessen Unterschreiten Produzenten erwägen, einige Ölfelder stillzulegen. Bei Rohöl der Sorte West Texas Intermediate (WTI) liegt dieses obere Ende der Betriebskostenkurve unserer Ansicht nach zwischen USD 25 und USD 30 je Barrel.

Der Entwicklung voraus bleiben

Wir halten es für nützlich, bei unseren Analysen des Ölmarkts und des Verhaltens der Marktteilnehmer vorab zu beurteilen, wo die Spotpreise relativ zur Betriebs- und zur Anreizkostenkurve liegen.

An der unteren Grenze gibt die Betriebskostenkurve die Preisspanne für den Rohstoff wieder, bei der weniger Investitionsausgaben getätigt werden und Ölproduzenten bestehende Ölfelder vorübergehend stilllegen. Dagegen zeigt die Anreizkostenkurve die Preisspanne an, bei der Unternehmen wieder eher bereit sind zu investieren, um die Produktion zu erhöhen. In der Vergangenheit lagen die Ölpreise in rund 90% der Zeit über der Anreizkostenkurve. Die Basisabnahmerate der globalen Ölförderung macht es zudem erforderlich, laufend neue Ölfelder zu erschließen und die Förderung durch weitere Ölfelder zu erhöhen, um mit dem Anstieg der Nachfrage Schritt zu halten.

Wie unsere Analysen zeigen, hat die Veränderung der Produktivität in diesen beiden Kostenkurven langfristig maßgeblichen Einfluss auf die Preise. Diese Dynamik zu verstehen ist wichtig bei unserem Anlagehorizont und kann besonders hilfreich sein, um Möglichkeiten zu erkennen, sobald kurzfristige Marktverwerfungen auftreten.

Lehren aus dem Rückgang (von 2014 und 2015)

Der Anstieg der Produktion von Schieferöl und -gas in den USA und gleichzeitige Produktivitätszuwächse – weil Unternehmen verstärkt auf Technologie gesetzt und an Größe zugelegt haben – üben weiter Druck auf die Anreizkostenkurve der Branche aus und führten zu mehr Effizienz in der Ölförderung. Durch die kürzeren Erschließungszeiten bei Schieferöl- und Schiefergasfeldern konnten diese Akteure zudem ihre Marktanteile ausbauen. Wir wären daher nicht überrascht, wenn nach dem Ende dieser Abschwungphase „USD 45 je Barrel das neue USD 50 je Barrel für WTI-Rohöl“ sind, weil die Produktivität weiter gesteigert wird.

Ölfelder in Schieferformationen weisen allerdings viel steilere Abnahmeraten auf als jene in Tiefsee- oder anderen herkömmlichen Erschließungsgebieten. Wenn die Akteure im Segment Schieferöl und -gas ihre Investitionsausgaben reduzieren und ihre Bohrtätigkeit sowie Aktivitäten zur Fertigstellung von Bohrlöchern zurückschrauben, kommt die Abnahmekurve schneller zum Tragen und die Produktion reagiert rascher auf eine Abschwächung. Dieses Phänomen konnten wir bereits 2014 und 2015 im angebotsinduzierten Abwärtszyklus der Rohölpreise beobachten. Damals ließen der starke Anstieg der US-Schieferölproduktion und der Beschluss der OPEC, die Förderung nicht zu reduzieren, die Öllagerbestände kräftig anwachsen.

Wir würden erwarten, dass dies infolge der Nachfrage- und Angebotsschocks in letzter Zeit erneut geschieht. Die Angebotsanpassung im Onshore-Sektor in den USA dürfte aber helfen, den Markt relativ schnell wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Zudem dürften unseres Erachtens eher kurzzyklische Offshore-Erschließungen, die neue Ölfelder in die vorhandene Infrastruktur einbinden, zurückgefahren und Investitionsentscheidungen in Bezug auf längerzyklische Offshore-Erschließungen aufgeschoben werden.

US-Ölsektor könnte unter Druck geraten

Nach dem derzeitigen Stand der Dinge halten wir den aktuellen Rohölpreis angesichts des bespiellosen und gleichzeitigen Angebots- und Nachfrageschocks für relativ angemessen. Diese niedrigen Preise werden nicht nur zum Abzug von Kapital aus diesem Sektor führen – die Zahl der aktiven Bohranlagen in den USA dürfte um bis zu 50% unter den Stand von Februar 2020 sinken. Vielmehr dürften auch vorhandene Ölfelder als Reaktion auf Ölpreise unter USD 30 je Barrel stillgelegt werden. Tatsächlich macht der erhebliche Nachfragerückgang diese Stilllegungen und eine geringere Bohrtätigkeit notwendig, damit der Markt wieder ins Gleichgewicht findet und eine komplette Auslastung der Ölvorratslager verhindert wird.

Die gute Nachricht ist, dass die Ölpreise kurzfristig zwar spürbar unter Druck geraten werden, es aber nicht sehr lange dauern dürfte, bis der Markt wieder ausgeglichen ist. Auch wenn Saudi-Arabien die Ölfördermengen hoch hält, rechnen wir im Jahresverlauf 2020 mit einer V-förmigen Erholung, ähnlich wie bei den Preisstürzen in den Jahren 1986, 1988, 1998, 2008–2009 sowie 2014–2015. Niedrige Ölpreise dürften erneut das Heilmittel gegen niedrige Ölpreise sein.

Die Ölpreise sinken bereits zum zweiten Mal innerhalb von fünf Jahren in Richtung der Betriebskostenkurve. Daher dürfte ein Rückgang der Kapitalflüsse in den Ölsektor zu erwarten sein. Die Bewertungskennzahlen von US-Schieferöl- und US-Schiefergasproduzenten standen in den letzten Jahren bereits unter Druck. Dies spiegelte die Bedenken des Marktes mit Blick auf die Kapitalrenditen und Endwerte dieser Unternehmen wider, zumal in Zukunft Umweltanliegen und die weitere Verbreitung von Elektrofahrzeugen die Nachfrage dämpfen könnten. In der aktuellen Situation würden wir erwarten, dass die Zahl der Konkurse unter den schwächsten Explorations- und Produktionsgesellschaften sowie Ölfelddienstleistern ansteigt. Dies gilt vor allem für Unternehmen mit Assets von weniger hoher Qualität, schwachen Bilanzen und kurzfristig fällig werdenden Anleihen.

Doch diese Herausforderungen könnten auch den Anstoß zu dringend nötigen Veränderungen geben, durch die sich die Branche besser aufstellen könnte. Hierzu zählt auch, dass der Fokus vom „Wachstum um jeden Preis“ mehr auf bessere Anlegerrenditen und die Generierung höherer freier Cashflows verlagert wird. Zu einer Konsolidierung in der Branche dürfte es in den nächsten Jahren ebenfalls kommen, da der Faktor Größe immer wichtiger wird, wenn es um Kostenkontrolle und die Steigerung der operativen Effizienz geht.

Möglichkeiten erkennen

Die eingehenden Analysen unseres Teams zu den Kostenkurven am Öl- und an anderen Rohstoffmärkten helfen uns, interessante langfristige Anlagemöglichkeiten zu erkennen, die sich durch kurzfristige Verwerfungen an den Märkten ergeben. Wir sind davon überzeugt, dass uns diese Ressourcen in Krisenzeiten klare Vorteile verschaffen.

Wie sich die Betriebs- und Anreizkostenkurven im Laufe der Zeit entwickeln, kann beträchtliche Auswirkungen auf die Rohstoffpreise wie auch auf die von den Produzenten erzielten Renditen haben. Wir glauben, dass der Ölmarkt in einer zyklischen Baisse gefangen bleibt, da Produktivitätssteigerungen durch technologische und Prozessverbesserungen weiterhin Druck auf die Anreizkostenkurve und die Gewinnmargen aus dem investierten Kapital ausüben werden.

Trotz dieses eher pessimistischen langfristigen Ausblicks und obwohl Faktoren der Bereiche Umwelt, Soziales und Governance (ESG) auf die Bewertungskennzahlen im Energiesektor drücken, haben sich in Phasen, in denen die Rohstoffpreise bis in die Betriebskostenkurve gesunken sind, gewöhnlich attraktive Anlagechancen ergeben.

Gleichwohl ist Selektivität extrem wichtig. Bei den Öl- und Gasproduzenten konzentrieren wir uns auf Titel, die ein hohes relatives Renditepotenzial, überzeugende Geschäftsstrategien, vertrauenswürdige Managementteams, wettbewerbsfähige Kostenstrukturen und gesunde Bilanzen bieten. Unternehmen mit diesen Merkmale dürften in der Lage sein, eine längere Baisse zu überstehen und aus der Krise gestärkt hervorzugehen. Wir versuchen zudem, Unternehmen mit „verborgenem Fremdkapital“ zu meiden, bei denen die Gefahr besteht, dass sie gegen Kreditbedingungen verstoßen oder Liquiditätsengpässe verzeichnen, wenn sich ihre Öl- und / oder Gasproduktion abflacht und niedrigere realisierte Rohstoffpreise ihre Umsätze unter Druck bringen.

Wir bevorzugen Anlagen in Branchen, in denen eine ansteigende Anreizkostenkurve die Rohstoffpreise nach oben ziehen kann und so potenziell die Gewinnmargen der Unternehmen verbessert. Angesichts des breiten Abverkaufs in zyklischen Sektoren entdecken wir zudem zahlreiche Möglichkeiten bei qualitativ hochwertigen Rohstoffproduzenten, die in Märkten mit diesen Merkmalen tätig sind. Da deren Geschäftstätigkeit mitunter energieintensiv ist, könnte ihnen der starke Rückgang der Ölpreise in die Karten spielen.

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