Wie sich die Covid-Politik auf Chinas Wirtschaft auswirkt
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Daryl Liew, Chief Investment Officer
Die Null-Covid-Politik der chinesischen Regierung hat schwerwiegende Auswirkungen auf die Wirtschaft. Die Beeinträchtigung des chinesischen Wirtschaftswachstums im zweiten Quartal dürfte dadurch erheblich sein.
Ein Grossteil der Welt hat sich inzwischen auf die Pandemie eingestellt und öffnet allmählich wieder die Grenzen. China bildet jedoch eine bemerkenswerte Ausnahme und hält unerschütterlich an seiner Null-Covid-Politik fest. Dies wurde auf der Tagung des Politbüros bekräftigt: Dort hat die chinesische Führung erklärt, dass sie der Eindämmung des Virus weiterhin Priorität einräumen werde. Dies durch ihre dynamische Aufklärungsstrategie mit strengen Massnahmen zur Unterbindung von Übertragungen.
Überraschend hohe Sterblichkeit
Chinas Covid-Politik ist wahrscheinlich stark von den Erfahrungen beeinflusst, die Hongkong mit der Omicron-Welle gemacht hat, die im Januar 2022 erstmals in dem Gebiet auftrat und Anfang März ihren Höhepunkt erreichte. Diese Infektionswelle führte zu rund 8000 Todesfällen bei einer Sterblichkeitsrate von 37,7 pro Million Einwohner. Das entspricht einer der höchsten Raten, die während der Pandemie weltweit verzeichnet wurden. Diese hohe Sterblichkeitsrate war angesichts des relativ hohen Standards der Gesundheitsversorgung in Hongkong überraschend. Eine ausführliche Studie, die im Morbidity and Mortality Weekly Report veröffentlicht wurde, ergab, dass die überwältigende Mehrheit der Todesfälle Menschen über 60 Jahren betraf, von denen die allermeisten nicht geimpft waren.
Mindere Qualität der chinesischen Impfstoffe?
Ein weiterer Faktor, der häufig angesprochen wird, ist die fragwürdige Wirksamkeit der in China hergestellten Impfstoffe. Ein kürzlich veröffentlichtes Forschungspapier der Universität Hongkong kam zu dem Schluss, dass drei Dosen einheimischer Impfstoffe (Sinovac) erforderlich sind, um ein ähnliches Schutzniveau zu erreichen wie zwei Dosen westlicher MRNA-Impfstoffe (BionTech/Pfizer). Das Problem für China besteht darin, dass nur 20 Prozent der über 80-jährigen Chinesen drei Impfungen erhalten haben, was das Land anfällig für einen sprunghaften Anstieg der durch Omicron verursachten Todesfälle macht. Einigen Schätzungen zufolge könnte China von über einer Million Todesopfern betroffen sein, wenn es zulässt, dass sich die hochgradig übertragbare Omicron-Variante in der Bevölkerung ausbreitet. Dies erklärt, warum China an seiner strikten Covid-Politik festhält, um Zeit zu gewinnen, damit die gefährdeten Bevölkerungsgruppen ausreichend geimpft werden können.
Öffnung im Rahmen eines geschlossenen Kreislaufs
Die Regierung ist sich jedoch der schwerwiegenden Auswirkungen dieser Null-Covid-Politik auf die Wirtschaft bewusst. Der offizielle PMI für das verarbeitende Gewerbe lag bei 47,4, der offizielle PMI für das nicht-verarbeitende Gewerbe bei 41,9 und der Caixin PMI für das verarbeitende Gewerbe fiel auf 46,0, was allesamt einem Rückgang entspricht. Die gute Nachricht ist, dass die Mobilitätsindizes in abgesperrten Städten wie Schanghai eine allmähliche Verbesserung zeigen, da die Infektionsraten sinken. Mehr als 600 Unternehmen in Schanghai durften ihren Betrieb im Rahmen eines geschlossenen Kreislaufs wieder aufnehmen, um Unterbrechungen der Lieferkette zu vermeiden.
Weitere unterstützende Massnahmen
Der Virus Omicron ist also weitaus schwieriger unter Kontrolle zu halten. Doch alles deutet darauf hin, dass die Welle mit der Zeit vorübergehen wird und die restriktiven Massnahmen schliesslich gelockert werden können. Das dürfte wieder zu einer Verbesserung der Geschäftstätigkeit führen. Die Beeinträchtigung des chinesischen Wirtschaftswachstums im zweiten Quartal dürfte jedoch erheblich sein. Das macht es umso unwahrscheinlicher, dass China das BIP-Wachstumsziel von 5,5 Prozent für 2022 erreichen kann. Das Politbüro hat jedoch die Hoffnung nicht aufgegeben und die Beamten aufgefordert, sich weiterhin um die Erreichung dieses Ziels zu bemühen. Es ist daher mit weiteren unterstützenden Massnahmen zu rechnen, sowohl fiskalisch als auch geldpolitisch, sobald die derzeitige Infektionswelle vorüber ist, da das zweite Quartal die Talsohle des Abschwungs in China markiert.
Bio
Daryl Liew ist Chief Investment Officer für Reyl Singapore. Er ist an der Asset-Allokation beteiligt und hat ferner eine Aufsichtsfunktion, um sicherzustellen, dass die Anlageentscheidungen den Erwartungen der Kunden entsprechen. Von 2002 bis 2010 arbeitete er bei Providend Ltd in Singapur und war zuletzt in der Generaldirektion für die Investments verantwortlich. In dieser Eigenschaft war er auch Mitglied des Investitionsausschusses des Unternehmens und verwaltete sowohl die Portfolios von Providend als auch Kundenkonten. Er geniesst allgemeine Anerkennung und gehört zu den Verfassern des „Singapore Master Financial Planning Guide“. Aus seiner Feder stammen ferner zahlreiche Artikel über die Grundlagen und Trends im Investmentsektor. Daryl Liew besitzt einen Master in Business Management, Fachgebiet Finanzwesen, des Asia Institute of Management (Philippinen, 2002). Er verfügt ferner über eine Zulassung als CFA (2005).