Anlageausblick 2018: Bitcoins, Bluffs und die brummende Wirtschaft
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Martin Raab
Nach acht starken Börsenjahren in Folge wird die Luft für Kurszuwächse für Aktien dünner. Eine mögliche Sektorrotation bietet Chancen. Das grösste Risiko ist aber einen fortgesetzten Aufschwung zu verpassen.
Hochbetrieb herrschte vor wenigen Tagen am Engadin Airport in Samedan. Grund für die stark erhöhte Anzahl moderner Privatjets vor tiefverschneiter Kulisse war dieses Mal nicht primär das World Economic Forum, sondern die erste Crypto Finance Conference in St. Moritz. Das Thema digitale Währungen zog vom 17. bis 19. Januar ein internationales Publikum ins winterliche Engadin. Gelockt von den schier unbegrenzten Möglichkeiten kamen Blockchain-Ikonen, Milliardäre und eine grosse Zahl internationaler Investment-Profis – alle auf der Suche nach spannenden Deals. Auch politische Prominenz fehlte nicht: Johann Schneider-Ammann, Chef des Wirtschaftsdepartements machte klar, dass «die Schweiz ihre führende Rolle bei Crypto-Währungen weiter ausbauen möchte». Das Rennen, wo global das ultimative Crypto Valley sein wird, ist noch offen. Im Vergleich zu den in konventionelle Anlagefonds investierten Summen – allein CHF 9.4 Billionen in Europa und umgerechnet CHF 26 Billionen in den USA – sind die rund CHF 600 Milliarden, welche aktuell in Crypto-Währungen investiert sind, noch mikroskopisch klein. Doch die Wachstumsrate ist atemberaubend. Das befeuert die Goldgräberstimmung und hitzige Debatten. Auch driften die Preisausblicke für Bitcoin stark auseinander. Paul Donovan, Global Chief Economist bei UBS, warnt bei Bitcoin vor einer «spekulativen Blase, die gefährlicher wird, je mehr Leute investiert haben». Die US-Börsenaufsicht SEC hat inzwischen den Aktienhandel in bestimmten Crypto-Unternehmen wegen Verdacht auf Insider-Handel ausgesetzt. Das Thema wird auch im weiteren Jahresverlauf zunehmend polarisieren, erhebliche Preisschwankungen in den einzelnen Computer-Währungen und Überraschungen inklusive.
Anleger strömen in Technologie und Gesundheit
Der Hype um Blockchain, Bitcoin & Co. ist nicht zuletzt ein Resultat aus dem boomenden Technologiesektor. Dieser gewann in den letzten 12 Monaten um durchschnittlich 27% an Wert. Branchenrelevante Indizes aus transatlantischer Sicht sind der Nasdaq 100 und der TecDAX. Die Kurse von Unternehmen wie Nvidia, Lam Research, Netflix und Amazon sind mehrheitlich auf Allzeithochs oder waren es zumindest bis Herbst letzten Jahres. Nicht weniger gut sind europäische Tech-Werte wie SAP, Aixtron oder Wirecard gelaufen. Im Technologiesektor gilt jetzt: Qualitätsunternehmen halten, beim Rest behutsam Gewinnemitnehmen. Befeuert von der absehbaren Annullierung der Notwendigkeit einer Basis-Krankenversicherung in den USA hat sich auch der Sektor Gesundheit prächtig entwickelt. Ein Segen für die Aktionäre von z.B. UnitedHealth Group (+20% Wertzuwachs in 2017), aber Fluch für rund 13 Millionen Amerikaner, die seit Jahresbeginn nun ohne Basis-Versicherung dastehen. Die nüchterne Diagnose dabei: Die Bundeskasse in Washington spart sich auf zehn Jahre gerechnet USD 338 Milliarden. Während bei UnitedHealth die Luft vorerst raus ist, könnten Anbieter wie Express Scripts in nächster Zeit weiterwachsen. In Europa sind Health-Care Unternehmen wie die heimische Sonova bereits kurstechnisch in der Konsolidierung. Auch die Sektoren Industrie und zyklische Konsumgüter liefen im letzten Jahr sehr gut, Abschwächungen in diesen Bereichen würden nicht überraschen.
Ölpreisanstieg als Sektor-Joker
Im Rummel um Trump, Deutschlandwahl und Bitcoin ging in den letzten Monaten der rasante Ölpreisanstieg an vielen Anlegern fast geräuschlos vorbei. Die europäische Ölsorte Brent verteuerte sich seit Juni um 40%. Beim US-Pendant WTI ging der Preis um 35% nach oben. Bislang kam dieser potenzielle Gewinnschub nur zögerlich in den Aktienkursen der Energie-unternehmen an. Auf Jahressicht liegt der Energiesektor mit -10% Wertentwicklung noch deutlich zurück. «Die Strategie der OPEC, die US-Produktion aus dem Markt zu drängen, ist gescheitert: Die Produktion wird 2018 voraussichtlich Rekordniveau erreichen», ist sich James Butterfill, Head of Research& Investment Strategy bei ETF Securities in London, sicher.
«Bitcoin wird weiter polarisieren – erhebliche Preisschwankungen und Überraschungen inklusive»
Das Potenzial einer kleinen Sektorrotation zugunsten Energie ist da. Wer das nötige Risikobudget hat – Energieaktien sind po-tenziell schwankungsreicher als heimische Pharmakonzerne – sollte sich den täglich an SIX Swiss Exchange handelbaren Indexfonds Amundi MSCI World Energy Index ETF (Symbol: CWEUSD/ISIN: FR0010871178) ansehen. Dieser ETF umfasst 100 Aktien welche direkt im Energiesektor tätig sind, darunter auch ONEOK, Halliburton, Enbridge und Statoil. Die Kosten sind mit 0.35% pro Jahr fair angesetzt. Rohstoffaffinen Anlegern sei auch der UBS ETF CMCI WTI Crude Oil (Symbol: OILUSA/ISIN: CH0109967858) zur Beimischung empfohlen. Das Produkt ist preisgünstig, liquide und kann in jedes Depot reibungslos einbucht werden.
Trump’s bittersüsse Steuergeschenke
Alles andere als reibungslos verlief hingegen die Steuerreform in den USA. Bis zur letzten Minute wurden Textpassagen geändert. Das Gesetz wurde mit grossem Tamtam von der Republikanischen Partei und US-Präsident Donald Trump kurz vor Weihnachten gefeiert. Bei genauem Hinsehen werden aber nur Unternehmen bei der Gewinnsteuer (von 35% auf 21%) dauerhaft entlastet. Die Entlastungen privater Steuerzahler enden 2025 und die Steuerersparnis beträgt gemäss Tax Policy Center lediglich 2.2% im Durchschnitt. Auch interessant: Die Einnahmen aus Unternehmenssteuern gingen seit Juni 2014 kontinuierlich zurück, die Einnahmen aus privaten Einkommenssteuern steigen seit Januar 2010 hingegen deutlich an – auf zuletzt USD 130 Milliarden im Monat September 2017. Ein Wort das am Capitol Hill bisher nicht diskutiert wurde: Gegenfinanzierung. Die Notenpresse läuft auf vollen Touren, mit potenziellem Schwächeeffekt für den US-Dollar. «Steuern senken und Staatsausgaben erhöhen – so etwas macht man eigentlich nicht im neunten Jahr eines Wirtschaftsaufschwungs, wo ohnehin schon so gut wie Vollbeschäftigung herrscht», wundert sich Joachim Fels, Global Economic Advisor bei PIMCO, einem der grössten Asset-Manager der Welt. Nach seinen Angaben ist «das Risiko einer Rezession über die nächsten zwei bis vier Jahre deutlich gestiegen».
Zinsen und Inflation im Fokus
Seit Herbst 2016 hat der 10-jährige Zins in den USA bereits deutlich von 1.40% auf zuletzt 2.40% angezogen. Parallel haben sich in letzter Zeit aber 30-jährige Zinsen in US-Dollar und 10- und 5-jährige Zinsen deutlich angenähert. Sprich: In der Zukunft wird mit eher moderaten Zinsen, weil schwächerem Wachstum gerechnet. Diese Kombination ist ein Risikoindikator. «Historisch betrachtet war das immer ein ziemlich verlässlicher Indikator für eine Rezession. Es könnte dieses Mal anders sein, doch würde ich mich nicht darauf verlassen», sagte Robert Kaplan, Präsident der Federal Reserve Bank of Dallas, kurz vor Weihnachten im Bloomberg-Interview. Der Zinserhöhungsplan der US-Notenbank für dieses Jahr setzt eine Fortsetzung des robusten Wirtschaftswachstums in den nächsten Jahren voraus. Professionelle Investoren beobachten daher die weitere Entwicklung der Zinskurven ganz genau. Von Zinserhöhungen will dagegen Mario Draghi, Chef der Europäischen Zentralbank, nichts wissen. «Die EZB-Leitzinsen werden für längere Zeit auf ihrem aktuellen Niveau bleiben», lässt sich Draghi zitieren. Für die Schweizerische Nationalbank, das sprichwörtliche Sandwich-Kind der transatlantischen Notenbankpolitik, bleibt erwartungsgemäss bis auf weiteres nur die Warteschleife als Option. «Die SNB sollte die aktuelle Ruhe geniessen. Für sie ist es die Ruhe vor wieder deutlich stürmischeren Zeiten», empfiehlt Dr. Thomas Stucki, CIO der St. Galler Kantonalbank in Richtung Notenbank. Mit Blick auf die Zinsen in CHF ist zu erwarten, dass Laufzeiten unter sechs Jahren negativ bleiben. Die Stimmung bei Schweizer Konsumenten zeigt aktuell keine Anzeichen der Schwäche.
KMUs in der DACH-Region boomen
Ebenfalls ohne Schwäche ist die Stimmung in den Chefetagen der DACH-Region (Deutschland, Österreich, Schweiz). Insbesondere der deutsche Mittelstand hat ein erstklassiges Geschäftsjahr hinter sich. Im November 2017 erreichte der vielbeachtete ifo Geschäftsklimaindex ein Allzeithoch. Zwar bröckelt die Euphorie inzwischen etwas, doch Konsumentenvertrauen und Geschäftsstimmung bleiben positiv gestimmt. Diese Zuversicht spiegelt sich auch in teils markanten Kurszuwächsen der sogenannten Small- und Mid-Cap Aktien. Als perfektes «Kombiangebot» hat sich unterdessen der Hidden Champions Basket (Symbol: HICHTZ/ISIN: CH0368160922) der Zürcher Kantonalbank entpuppt. Das an der Schweizer Börse kotierte Tracker-Zertifikat vereint heimliche Weltmarktführer aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Sämtliche Aktien-Dividenden der beinhalteten Titel werden in den Kurs des ZKB Hidden Champions Basket mit einbezogen. Allein im vierten Quartal 2017 legte das aktiv gesteuerte Produkt rund 5% zu. Die guten Aussichten bleiben intakt.
Frankenstärke ängstig nicht
Eine bekannte Herausforderung aus Schweizer KMU Sicht ist dabei das Thema Wechselkurs. Seit 1971 hat der USD 77% gegenüber dem CHF verloren und der EUR verzeichnete ein Minus von 30% in den letzten 10 Jahren. «KMUs schlagen sich wacker und reagieren weiter mit Zweigproduktion im Ausland und hoher Automation. Auch wurde seit Freigabe des Euromindestkurses im Januar 2015 kostentechnisch nochmal ordentlich vor der Türe gekehrt», erklärt Birgitte Olsen, Lead Portfolio Manager BB Entrepreneur Strategien bei Bellevue Asset Management. Sie fokussiert sich auf Anlagen in lukrative, börsenkotierte KMUs. «Unser Erfolgsrezept ist die Suche nach lukrativen Einzelwerten, die vom Konsensus der Analysten unterschätzt werden», so die Fondsmanagerin. Frequent umgeschichtet wird bei ihrem Fonds, dem BB Entrepreneur Switzerland (ISIN: CH0023244368), nicht. Vielmehr sucht das Team jedes Jahr nach fünf bis maximal zehn überzeugenden neuen Investmentideen. «Aber Altbewährtes kann weiterhin sehr gut performen und für 2018 sind wir von Bobst, Swatch und VAT weiterhin stark überzeugt», verrät Olsen. Das Trio wird nicht zufällig empfohlen: Swatch Group bietet die beste operative Hebelwirkung in der Luxusgüterindustrie. Darüber hinaus wirkt sich die aktuelle Währungssituation auch positiv auf die Margen aus. Rasant ging es in 2017 schon bei der VAT Group nach oben. Die starke Dynamik bei Vakuumventilen, welche händeringend im Halbleiter-Equipment-Markt gesucht werden, wird anhalten. Der Westschweizer Verpackungsspezialist Bobst setzt auf Innovation, Produktionseffizienz und hochmargigen Service.
Aufmerksam, aber nicht panisch
Auch wenn jedes zweite Unternehmen in der DACH-Region in den nächsten Monaten Investitionen in Maschinen und Personal plant, sollten Rückschläge oder Eintrübungen aus Anlegersicht stets einkalkuliert werden. Wohl und Wehe für Hersteller von Hochtechnologie ist die Abhängigkeit von den internationalen Schlüsselmärkten: Europäische Union, Nordamerika und Asien. China ist und bleibt die bedeutendste aussereuropäische Zielregion. Und die Vereinigten Staaten von Amerika sind auch in 2018 wichtiger Wachstumsmarkt und Investitionsziel für Unternehmen aus der DACH-Region. Auf den Chefetagen ist man sich der erreichten Gipfelhöhe bewusst, doch Grund für fundamentale Sorgen gibt es noch nicht. Einmal mehr hängen die Gewinnaussichten der klein- und mittelständischen Unternehmen aus der deutschsprachigen Region am traditionellen Export-Faden. Wiestarkdessen Robustheit getestet wird, bestimmen neben unternehmensinternen Faktoren insbesondere die Rohstoffpreise und Wechselkurse in den kommenden Monaten. Für Anleger empfiehlt sich, wachsam bei den volkswirtschaftlichen Zahlen zu bleiben, aber gleichermassen das Kurspotenzial etablierter Weltmarktführer nicht zu verpassen. Und der morgendliche Blick auf den Bitcoin-Kurs dürfte in diesem Jahr für mehr und mehr Anleger zur Routine werden – egal ob Kleinsparer oder Milliardär.