Anspruchsvolle Zeiten für Investoren
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Martin Raab
Der Start ins neue Anlagejahr 2016 verlief mit starken Kopfschmerzen für Investoren. Ein schwindelerregender Abwärtsdrall verunsichert die Marktteilnehmer. Doch statt in Depressionen zu verfallen, gilt es jetzt die Chancen bewusst zu nutzen. Eine aktuelle Standortbestimmung über ausgewählte Assetklassen hinweg.
Der Jahreswechsel und die überraschende Fortsetzung der Kurseinbrüche bei Aktien rund um den Globus sorgten selbst unter eingefleischten Börsianern für Hektik. War schon das Jahresende 2015 für Schweizer Standardaktien bescheiden (-5%), beendete auch das amerikanische Indexpaar S&P 500 und Dow Jones Industrial Average das Anlagejahr 2015 mit einem leichten Minus. Einzig die deutschen Aktien im DAX konnten auf Jahressicht nach einem langen Auf und Ab schlussendlich um knapp 10% hinzugewinnen. Doch der DAX ist bereits im Abwärtsstrudel – so wie die übrigen Aktienmärkte auch. Wenig verwunderlich, dass zurzeit meinungsstarke Marktpropheten den vermeintlichen Untergang ausrufen. George Soros und Marc Faber sind solche und für ihre dunklen Prognosen berüchtigt. Soros, der 1992 spektakulär mit seiner Wette gegen die Bank of England gewonnen hat, sieht sich derzeit gar an die weltweite Finanzkrise 2008 erinnert. Marc Faber, der Bad Boy der Märkte, sieht eine seit 1981 gestartete Blase am Platzen. «Alle Anlagemärkte werden untergehen wie die Titanic», behauptete der gebürtige Schweizer vor wenigen Tagen bei Bloomberg TV. Ob es wirklich so düster wird? Einige Experten geben Entwarnung: «Der stark gefallene Ölpreis hilft beispielsweise der US-Volkswirtschaft massiv und wird auch in den nächsten Quartalen der globalen Wirtschaft eher nützen als schaden», ist sich James Butterfill, Head of Research & Investment Strategy bei ETF Securities, sicher. Die Unternehmensgewinne haben sich gemäss Chefstratege Butterfill sowohl in den Industrienationen wie auch den Emerging Markets dank dem tiefen Ölpreis erstklassig entwickelt.
Europäische Aktien: Dividenden fokussieren
Blickt man auf die heimische Aktienmarktentwicklung, hält sich die Euphorie zurzeit aber in Grenzen: Schweizer Blue Chips, gemessen am SMI, sind seit dem 4. Januar mit rund 5% im Minus, im Jahresvergleich um gar 10%. Zum Durchhalten bei Schweizer Aktien rät Peter Bänziger, Chief Investment Officer beim Vermögensverwalter Belvalor, mit Blick auf das neue Jahr: «Ich finde ein Portfolio aus in etwa gleich gewichteten dividendenstarken Werten vielversprechend. Dazu gehören beispielsweise Swiss Re, Swiss Life, Bâloise, SGS, Cembra Money Bank und BCV.» Alternative hierzu, als Strukturiertes Produkt verpackt, ist der Multi-Barrier-Reverse-Convertible NPAFKJ, welcher Nestlé, Novartis, Roche, Swatch Group und Zürich Insurance beinhaltet. Dieser Multi-BRC bezahlt 5,20% p.a. Coupon und hat seine Barriere bei sehr tiefen 50%, sprich keine der fünf Aktien sollte während der Laufzeit bis 08.01.2019 um die Hälfte im Aktienkurs sinken – sonst gibt es am Ende die Aktie (Basiswert) mit der schlechtesten Kursentwicklung zurück. Interessantes Feature aber hierbei: Steigen die fünf Aktientitel an einem der sog. Beobachtungstage über ihre Kursniveaus bei Lancierung des Multi-BRC, erhält der Anleger im besten Fall nach einem Jahr sein eingezahltes Geld samt Coupon von 5,20% zurück. Wer den SMI in Form eines börsengehandelten Fonds (ETF) kaufen möchte, findet bei SMICHA von UBS ETF (0,2% Mgt. Fee) oder CSSMI von BlackRock/iShares (0,35% Mgt. Fee) sicher Gefallen. Mit Blick auf die europäischen Aktienmärkte gilt Gleiches wie für die Schweiz: «In den nächsten Monaten sollten Investoren selektiv vorgehen und sich auf erstklassige Unternehmen mit soliden Bilanzen und starken Führungsriegen fokussieren», rät Ben Ritchie, Senior Investment Manager beim bekannten Fondshaus Aberdeen Asset Management. «Die wenigen Kleinode zu finden bedarf mehr denn je eines exzellenten Researchs», ergänzt Ritchie, der Fondsmanager des EUR 264 Mio. schweren Aberdeen Global – European Equity Fund (Valor 445584) ist.
US-Aktien: Zur Diversifikation, aber mit Währungsrisiko
Ein Grossereignis in 2016 wird definitiv die US-Präsidentschaftswahl am 8. November sein. Nachdem der amtierende Präsident Barack Obama nach Beendigung seiner zweiten Amtsperiode nicht mehr antreten darf, wird derzeit innerhalb der Parteien die Schlacht der Kandidaten ausgetragen. Während bei den Demokraten die Nominierung der ehemaligen Aussenministerin und First Lady Hillary Clinton schon fast so sicher wie das Amen in der Kirche ist, ist das Rennen bei den Republikanern nach wie vor offen. Hier führt momentan der bizarre Milliardär und Synchron-Pleitier Donald Trump, der mit rechtspopulistischen Aussagen für mediales Aufsehen sorgt. Für seriöse Investoren lohnt es sich, das Tamtam der Politik auszublenden und sich auf die Fakten zu konzentrieren. Ein wichtiger Aspekt ist die angebliche Abwärtsbewegung bei den Unternehmensgewinnen: So stimmt es zwar, dass die seit 2010 kontinuierlich angestiegenen Gewinne im vierten Quartal 2014 ihren Höhepunkt erreicht haben, doch ein Grossteil des Gegenwindes ist temporär. So belastete insbesondere der starke Dollar, da rund ein Drittel des Umsatzes der S&P 500-Unternehmen ausserhalb der USA erzielt werden. Mit einer Stabilisierung des Wechselkurses sollte sich dies entspannen – mit dem Dollar-Abschwung wird die US-Wirtschaft gar wieder international wettbewerbsfähiger. «Für den US-Dollar ist die rauschende Aufwertungsparty vorbei. Wir gehen, im Zuge des Angleichs zwischen erwarteter FED-Funds Rate und Marktzinsniveau im US-Dollar, fest von einer deutlichen Abschwächung gegenüber den Leitwährungen aus», erklärt Chefstratege Butterfill vom ETP-Emittenten ETF Securities. In Sachen Markt-Tracking bietet für Kernanlagen insbesondere ETDOW, ein Tracker-Zertifikat der UBS, kostengünstigen und unkomplizierten Zugang zur Performance des Dow Jones Index oder die fast synchron zum DJIA verlaufenen, an der SIX Swiss Exchange handelbaren ETFs: iShares MSCI USA UCITS ETF (CSUS) bzw. Vanguard FTSE North America ETF (VNRT). Wer Einzelwetten oder Absicherungsinstrumente auf den US-Dollar sucht, findet passende Mini-Futures oder ETFs auf dem Anlegerportal www.payoff.ch übersichtlich und kostenlos aufbereitet.
China: Neue Chancen zwischen Licht und Schatten
Im Land der Mitte scheint der götzenhaft angebetete Wachstumsmotor allmählich in etwas tieferen Drehzahlen zu laufen. Das Land sieht sich Überkapazitäten in der Industrie und dem Immobiliensektor, einer abnehmenden Produktivität und einer Schrumpfung der arbeitenden Bevölkerung gegenüber. Zudem strebt es einen wirtschaftlichen Wechsel von einer investitionsgetriebenen Volkswirtschaft hin zu einer Konsumwirtschaft an, der nicht von heute auf morgen zu bewerkstelligen ist. Grundsätzlich keine guten Voraussetzungen für die nahe Zukunft. Dr. Martin Hüfner, Chefvolkswirt beim Assetmanager Assenagon, bleibt jedoch entspannt im Hinblick auf die Wirtschaft im Reich der Mitte: «Investoren müssen keine Angst vor einem Hard Landing in China haben», erklärt Hüfner. Die Historie und der künftige Führungsanspruch – u.a. über die Etablierung des chinesischen Renminbi als IWF-Reservewährung – sind wichtige Indikatoren hierfür. «Allen Unkenrufen zum Trotz: China verfügt heute über USD 3‘500 Mrd. an Währungsreserven und ist damit die reichste Volkswirtschaft der Welt. Mit so viel Geld kann viel im Inland interveniert und im Ausland investiert werden.» Vor diesem Hintergrund sollte der Markt interessant bleiben. Themenbaskets wie VZRWC, Vontobel China Railway Basket III oder VZCUC, ein Tracker-Zertifikat auf DAXglobal China Urbanization Performance Index, haben sich auf Jahressicht mehr oder weniger stark verbilligt. Günstiger war ein Einstieg wohl selten. Höchste Zeit auch, dass JFXGT, der JB Cleaner China Basket II, eine Neuauflage erhält. Dieser im Mai 2016 endende Tracker setzt auf chinesische Unternehmen, welche sich im Bereich Energieeffizienz und Infrastruktur betätigen. Ebenfalls interessant, aber auch nur mit kurzer Produktlaufzeit gesegnet, ist der JB China Healthcare Basket (JFSKC). Ebenfalls gut, aber mit kurzer Laufzeit ist das Tracker-Zertifikat JFXYX auf den JB New Silk Road Basket II konzipiert. Wer auf Kapitalschutz setzen möchte, kann mit CSPNCN am Hang Seng China Enterprise Index partizipieren. Das Produkt der Credit Suisse ermöglicht eine 150%ige Partizipation am Mainland-Aktienindex, ist aber seitens der Emittentin vor Laufzeitende kündbar, erstmalig im August 2016 zu 105,50%. Anleger, die auf China in Form eines an der SIX Swiss Exchange kotierten ETFs partizipieren möchten, sollten den iShares MSCI China A ETF (CNYA) ansehen. Dieser bildet die Wertentwicklung von Aktiengesellschaften mit Sitz auf dem chinesischen Festland, die an den Börsen von Shanghai und/oder Shenzhen in chinesischen Renminbi gehandelt werden, ab.
Rohstoffe: Gold und Gazprom
Während die Abschwächung der globalen Nachfrage – insbesondere aus China – in den letzten Jahren für einen deutlichen Abwärtsdruck an den Rohstoffmärkten gesorgt hat, belastet zu allem Übel zusätzlich die Angebotsseite mit Überschüssen. Dies könnte sich jedoch in 2016 ändern. Gemäss des ursprünglich auf Rohstoffe spezialisierten Emittenten ETF Securities werden acht der 13 wichtigsten Rohstoffe aktuell unter ihren Grenzkosten der Produktion gehandelt. Dies veranlasste vor allem Bergbauunternehmen dazu, riesige Kostensenkungsprogramme durchzuführen. Einen Blick wert sind die Branchenschwergewichte Barrick Gold und Newmont Mining. Beide Goldproduzenten haben drastisch Ballast abgeworfen und könnten in den nächsten Monaten, je nach Goldpreisentwicklung, zum Sprung nach oben ansetzen. Wer lieber auf Indexlösungen setzen möchte, sollte sich den an der SIX Swiss Exchange kotierten ETFS DAXglobal Gold Mining GO UCITS ETF (AUCO) genauer ansehen. Der Goldminensektor kann hier mittels einem ETF auf einen Streich gekauft werden. Auf einem 13-Jahres-Tief bewegt sich der russische Gasgigant Gazprom (Marktkapitalisierung: CHF 75 Mrd.). Das Unternehmen ist immer noch die weltweite Nummer eins bei der Förderung von Erdgas, bietet rund 6% Dividendenrendite und kommt auf ein sehr günstiges Kurs-Gewinn-Verhältnis von 3. Als den Kurs belastend wirkt derzeit neben den tiefen Energiepreisen im Gasmarkt insbesondere der enge Draht in den Kreml. Kommen Zar Putin schräge Ideen in den Sinn, könnte Gazprom dafür durch Sanktionen oder Griff in die Kasse leiden.
Ölpreis: Grosse Emotionen um tiefe Preise
Hochemotionale Debatten werden derzeit beim Ölpreis geführt. So verkündete Morgan Stanley’s Ölanalyst Adam Longson Mitte Januar eine Ölpreisprognose von USD 20 pro Barrel bis Jahresmitte 2016. Andere Experten halten klar dagegen: «Wir schwimmen im Öl und parallel reduziert sich die Nachfrage. Kein Wunder, dass wir diese Preisentwicklung haben», konstatiert Jeff Grossman, Geschäftsführer von BRG Brokerage in New York. Der langjährige NYMEX-Händler sieht eine fortgesetzte Reduktion im Angebotsbereich, was zu einem Preis «zwischen 40 und 50 Dollar» führt. «Wer etwas von 20 Dollar das Barrel erzählt, hält mit Sicherheit Short-Positionen und will den Markt in seine Richtung ängstigen», ist sich Grossman sicher. Ob und wie lange die Organisation der Erdöl exportierenden Länder (OPEC) ihren primär von Saudi-Arabien inspirierten Verdrängungswettbewerb gegen die amerikanischen Shale-Gas und Shale-Oil-Felder durchhalten, ist ungewiss. Fakt ist, dass der starke Verfall des Ölpreises dafür sorgte, dass bisher mehr als 60% der in den USA betriebenen Ölförderanlagen geschlossen werden mussten. Viele Aktien und Obligationen von US-Ölförderern und Pipeline-Betreibern sind entsprechend stark im Kurs gefallen. Schnäppchenjäger sollten allerdings aufpassen, rät Yerlan Syzdykov, Head of Emerging Markets Bond & High Yield beim Fondshaus Pioneer Investments: «Anleger sollten sich nicht von den vermeintlich günstigen Kursen blenden lassen. Wir erwarten insbesondere bei hochverzinslichen Anleihen aus dem Energiesektor einige Ausfälle und Volatilität. Es kommt jetzt darauf an, sehr genau bei den Portfolio-Picks hinzusehen.» Jedoch kann die OPEC ihre Tiefpreis-Strategie nicht ewig durchhalten. Dem IWF zufolge benötigt Saudi-Arabien einen Ölpreis von über USD 100 je Barrel, um seinen Haushalt auszugleichen, während Irak und Iran auf einen Ölpreis von USD 81 bzw. USD 87 je Barrel angewiesen sind. 80% der Staatseinnahmen Saudi-Arabiens hängen von den Öl-Erträgen ab.
Der Konsument profitiert
Risikobewusste Trader finden im Bann des Ölpreises gegenwärtig vielfältige Möglichkeiten. Wer direkt auf den Ölpreis setzen möchte, kann dies professionell mit Faktorzertifikaten der Commerzbank auf Brent (Börsensymbol CBCOL4) oder den Mini-Future Long auf Brent Oil der Bank Vontobel (MCOADV) tun. Aber Vorsicht: Diese Instrumente sind sehr zugkräftig – nach oben wie nach unten. Anleger, die nach moderaten Anlagemöglichkeiten Ausschau halten und gleichzeitig von den Effekten des billigen Ölpreises profitieren möchten, könnten am SPDR S&P U.S. Consumer Discretionary Select Sector ETF (Börsensymbol SXLY) Gefallen finden. Der an der SIX Swiss Exchange kotierte ETF von State Street Global Advisors ist mit einem sehr tiefen Gebührensatz von 0,15% p.a. ausgestattet und bildet nordamerikanische Konsumaktien perfekt ab. Das Produkt ist jederzeit börslich handelbar. Die Idee dahinter ist, dass sich die stark gesunkenen Energiekosten bei Öl besonders positiv auf die Verbraucher und die verarbeitende Industrie auswirkt. Dennoch gilt es mit Blick auf die nächsten Monate wachsam zu bleiben. Denn eines ist gewiss: Kein Jahr ist so schwierig wie 2016. Das wissen auch George Soros und Marc Faber nur zu gut.