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payoff Focus

Biotech: Auf der Jagd nach den Medikamenten der Zukunft

06.10.2022 10 Min.
  • Serge Nussbaumer, Chefredaktor

Seit nun mehr als zwei Jahren hält die Corona-Pandemie die Welt in Atem.

Allerdings sind die SARS-CoV-2-Viren nicht die einzige Bedrohung dieser Art. Es schwirren unzählige Krankheitserreger umher, denen Einhalt geboten werden muss. Darum kümmern sich Biotech-Unternehmen. Die Branche investiert jedes Jahr Milliarden in die Forschung, um von Diabetes über Krebs bis hin zu genetischen Defekten Heilmittel zu finden. Der Wettlauf um die besten Arzneien sorgt auch am Kapitalmarkt für Bewegung – und ermöglicht Anlegern interessante Investitionsmöglichkeiten.

Über Jahrzehnte hinweg hat Hollywood mit Horrorfilmen, in denen Viren zur tödlichen Bedrohung werden, die Zuschauer geschockt. Besonders erschreckend zeigte beispielsweise Regisseurs Steven Soderbergh 2011 in seinem Thriller «Contagion» auf, was passieren kann, wenn Viren von Tier zum Menschen überspringen. Keine zehn Jahre später musste die Welt mit SARS-CoV-2 eine reale Bedrohung dieser Art erfahren.

Anders als in so manchem Endzeitfilm ist es aber nicht zum Untergang der menschlichen Zivilisation gekommen. Dass Corona in Schach gehalten werden konnte, hat die Gesellschaft dem Biotech-Sektor zu verdanken. Innerhalb weniger Monate ist es Branchenvertretern mit Hilfe von mRNA gelungen, COVID-19-Impfstoffe zu entwickeln. Damit ist bei der jahrelang erprobten Technologie der Knoten geplatzt. Dr. Daniel Koller, Head Investment Management Team BB Biotech bei Bellevue Asset Management, geht davon aus, dass RNA-basierte Arzneien in den kommenden Jahren die gentherapeutische Behandlung von immer mehr Krankheiten revolutionieren werden. «Immer vorausgesetzt, dass sich die Erfolge in klinischen Spätphasen fortsetzen, wird sich das Einsatzspektrum auf Krankheiten erweitern, von denen eine grössere Patientenzahl betroffen ist», erklärt Koller und führt weiter aus: «Dazu zählen Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Stoffwechselstörungen, Krebs oder Organfibrosen. Im Erfolgsfall erzielen innovative Produkte Milliardeneinnahmen.»

Krankheitsbringender Lebensstil

Viele dieser sogenannten «Volkskrankheiten» breiten sich rasend schnell aus und stellen eine ernsthafte Gefahr für die Menschen dar. Das gilt vorranging für Krebs, der sich weltweit für einen von sechs Todesfällen verantwortlich zeigt – Tendenz steigend. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) geht davon aus, dass es bis 2040 fast doppelt so viele Krebsfälle wie heute geben wird. Wurde im Jahr 2018 weltweit bei 18.1 Millionen Menschen ein Tumor diagnostiziert, könnten es in zwei Jahrzehnten 29 bis 37 Millionen sein. Auch die Stoffwechselerkrankung Diabetes, die zwar weniger tödlich ist, aber trotzdem lebensbedrohliche Folgeschäden verursachen kann, ist auf dem Vormarsch. Laut der Internationalen Diabetes-Föderation litten 2019 weltweit etwa 463 Millionen Menschen an der Zuckerkrankheit, im Jahr 2030 werden es bereits rund 578 Millionen sein und bis 2040 könnte die Zahl auf 700 Millionen steigen.

Damit geht ein stark steigender Markt für Medikamente einher, der sich bis 2030 auf mehr als USD 60 Milliarden verdoppeln dürfte. Bei Diabetes mischt der innovative Biotech-Sektor ebenfalls mit. In Schweden arbeiten Betagenon und Baltic Bio derzeit an einer Arznei mit dem Potenzial, gleichzeitig den Zuckerspiegel zu kontrollieren und den Blutdruck zu senken. Diese Kombination stellt vor allem bei vielen übergewichtigen Patienten mit Typ-2-Diabetes einen grossen Risikofaktor dar. Gegen diese Adipositas-Komponente setzt auch die deutsche Biotech-Schmiede Morphosys an, die aktuell an einem Antikörper forscht, der Fett reduzieren, Insulinresistenz verhindern und übermässiges Essen kontrollieren soll. Das Mittel Namens «Bimagrumab» wird derzeit von Novartis und Versabis Bio in Phase II untersucht.

Steigende Nachfrage sorgt für hohes Wachstum

Die Prognosen zeigen einerseits, wie gross die Bedrohungen sind, andererseits, welches Potenzial sich in der Biotech-Branche verbirgt. BB Biotech geht davon aus, dass der Umsatz in dem Sektor sich von USD 182 Milliarden in 2019 auf knapp USD 290 Milliarden in 2024 erhöhen wird. An diesem Milliardenmarkt möchten viele Unternehmen, wie beispielsweise die heimischen Big Player Novartis und Roche, die eine führende Rolle beim Thema Onkologie einnehmen, teilhaben. Während es sich beim Letztgenannten um den weltweit grössten Hersteller von Krebsmedikamenten handelt, zählt Novartis zu den Pionieren im Bereich der Car-T-Zelltherapien. Dabei handelt es sich um ein zukunftsweisendes Verfahren, welches die bereits vorhandene Abwehr des Körpers unterstützt. Das Marktpotenzial ist enorm: Allein der globale Immuntherapiemarkt für Krebs soll laut Verified Market Research von USD 83.7 Milliarden in 2021 auf USD 306 Milliarden in 2030 steigen, das entspricht einer jährlichen Wachstumsrate von 13.7%.

Aber auch insgesamt werden die globalen Medikamentenverkäufe in den kommenden Jahren deutlich zulegen. Den Prognosen von Evaluate zufolge soll das Volumen bis 2024 von derzeit USD 794 Milliarden auf über USD 1 Billion in 2026 wachsen. Dabei wird die Bedeutung biotechnologischer Medikamente weiter steigen. Entfielen 2020 30% auf die Biotech-Produkte, sollen es 2026 bereits 37% sein. Darüber hinaus gehen die Experten davon aus, dass auf die Biotechnologie bis dahin mehr als die Hälfte der 100 meistverkauften Arzneien entfällt. Die Onkologie wird voraussichtlich auch 2026 der grösste Therapiebereich bleiben und dann 22% des Umsatzes mit verschreibungspflichtigen Medikamenten ausmachen. Wachstumstreiber dürfte dabei die boomende Unterkategorie der Immunonkologie sein.

Im Rückwärtsgang

Angesichts der weltweit fortschreitenden Bedrohungen von Krankheiten wundert es schon ein wenig, wie schwach die Biotech-Branche derzeit performt. Das weltweit wichtigste Branchenbarometer, der Nasdaq Biotechnology, verlor auf Sicht von einem Jahr nahezu ein Drittel an Wert. Auch langfristig hat die Branche das Nachsehen und fiel zuletzt in der Performance gegenüber dem Nasdaq 100 zurück (Siehe Chart). Hierzulande zeigt sich ein ähnliches Bild. So gab der SXI Bio & Medtech Index auf Jahressicht um knapp 40% nach. Die schwache Kursentwicklung der Branche ist vor allem den widrigen Marktumständen geschuldet. Geopolitische Krisen, eine ausufernde Inflation sowie eine drohende Rezession haben den Risikoappetit der Anleger stark reduziert. Aber auch vor hausgemachten Problemen bleibt die Branche nicht verschont. Dies gilt vor allem für Medikamentenrückschläge. Beispiel Idorsia. Die heimische Biotech-Schmiede musste zuletzt gleich zwei Forschungsschlappen verkraften. Vergangenen Herbst scheiterte eine Spätphasenstudie von «Lucerastat», einem Mittel zur Behandlung der Stoffwechselstörung Morbus Fabry. Bei «ACT-539313», einem Wirkstoff gegen Essstörungen, wurde im Mai dieses Jahres der primäre Endpunkt in der Phase-IIa-Studie verfehlt und die weitere Entwicklung eingestellt. Dies bleibt nicht ohne Folgen für die Aktie: Der Kurs sackte innerhalb eines Jahres um mehr als 40% in die Tiefe.

Lukrative Übernahme

Eine ganz andere Richtung schlug Vifor zuletzt ein. Die Aktie notiert auf Sicht von zwölf Monaten 45% im Plus. Das liegt daran, dass der australische Biotech-Konzern CSL im Dezember 2021 ein CHF 10.9 Milliarden schweres Übernahmeangebot vorgelegt hat. Die Firma wird auch nicht mehr lange kotiert sein, nach Abschluss der Akquisition soll Vifor von der Börse genommen werden. M&A ist generell ein grosses Thema im Biotech-Sektor. «Die Notwendigkeit für Pharmaunternehmen, sich in verschiedenen therapeutischen Bereichen zu vergrössern und zu diversifizieren, bleibt», erklärt PwC-Experte Glenn Hunzinger. Er geht davon aus, dass im gesamten Life-Sciences-Sektor im diesem Jahr M&A-Deals im Wert von USD 350 bis 400 Milliarden abgeschlossen werden könnten.

Durch die jüngsten Kursverluste in dem Sektor haben sich die Bewertungen auch wieder reduziert. «Es sind keine Schnäppchen», erklärt Bill Anderson, Chefs der Roche-Pharmasparte und fügt hinzu: «Aber wir sind in der Lage, Transaktionen zu einem vernünftigen Preis zu finden und Partnerschaften abzuschliessen. Und das tun wir auch.» Roche hatte sich zuletzt mit Zukäufen zurückgehalten. Lediglich zwei Deals wurden 2021 abgeschlossen, verglichen mit neun im Jahr zuvor. Für die Aktionäre des Zielobjekts ist das in der Regel eine gewinnbringende Sache. Ein Beispiel: Mitte September stieg der britische Pharmariese GSK bei Spero ein, der an einem experimentellen Antibiotikum für komplizierte Harnwegsinfektionen forscht. Die Aktien der US-Firma schossen um knapp 300% empor.

Voll im Geschäft

Auch bei Medikamentenerfolgen kommt es gerne zu einem Kursfeuerwerk. Dies zeigte sich jüngst bei Biogen. Nachdem ein Alzheimer-Mittel in einer Studie ermutigende Ergebnisse zeigte, hob der Titel ab. Mit einem Plus von 40% erzielte Biogen einen der grössten Tagesgewinne in seiner Firmengeschichte. Nicht ohne Grund: Analysten bescheinigen dem Medikament bei einer Zulassung Multi-Milliarden-Dollar-Umsätze. Biogen wird die genauen Daten Ende November auf einem Alzheimer-Kongress vorstellen.

Operativ gut läuft es derzeit bei auch BioNTech und Moderna. Beiden durften sich vor kurzem über Zulassungen in den USA und Europa für ihre angepassten Corona-Impfstoffe freuen. Moderna beispielsweise erwartet im Geschäftsjahr einen Umsatz von USD 21 Milliarden Damit würde der US-Konzern den Vorjahresrekord um mehr als ein Zehntel übertreffen. Aber nicht nur Corona ist ein Thema bei den beiden Unternehmen, Anleger sollten sich auch auf die weitere mRNA-Pipeline der Branche konzentrieren. Experten zufolge bieten RNA-Impfstoffe in Bezug auf Produktion, Vertrieb und Sicherheit eine Reihe von Vorteilen gegenüber DNA-Impfstoffen. Die Biotech-Konzerne forschen dabei nicht nur nach Vakzinen im Bereich der Onkologie – 2021 gab es die zweithöchste Anzahl von mRNA-Impfstoffstudien für Krebspatienten – sondern sie sind unter anderem auch im Bereich HIV tätig. Moderna führt bereits erste Tests mit einer mRNA-basierten HIV-Impfung durch.

Ist nach der vielen Forschungsarbeit dann ein Mittel gefunden, muss es auch produziert werden. Die Herstellung von Biopharmazeutika ist allerdings hochkomplex und auch relativ teuer. Hier kommt beispielsweise Lonza ins Spiel. Die in Basel ansässige Firma stellt unter anderem den Wirkstoff für den Corona-Impfstoff der US-Biotech-Schmiede Moderna her. Dass sich damit ordentlich Geld verdienen lässt, zeigt das erste Halbjahr. Der Überschuss schnellte von EUR 263 Millionen auf EUR 498 Millionen empor. Lonza wird dabei auch immer profitabler: Betrug die operative Marge im vergangenen Jahr noch 30.8%, verbesserte sich diese im ersten Semester 2022 auf 33.1%. Die Baseler möchten die Rendite mittelfristig noch weiter steigern.

Investieren mit Bedacht

Die jüngsten Kursverluste zeigen, dass die Branche äusserst risikobehaftet ist. Auf der anderen Seite versprechen Biotech-Aktien enorme Chancen. Daher macht ein Investment in diesem Sektor auf jeden Fall Sinn, Anleger sollten aber sehr sorgfältig vorgehen. Experten der Beteiligungsgesellschaft BB Biotech fokussieren sich auf qualitativ hochwertige Unternehmen, die sich durch führende Technologien, hochkompetente Führungskräfte und Managementteams sowie hervorragende Umsetzungspläne auszeichnen, die sowohl für Patienten und als auch fürGesundheitssysteme tatsächliche Vorteile bringen. Mit dem Kauf der BB Biotech-Aktie (ISIN CH0038389992) lässt sich also eine breit gestreute Biotech-Anlage ins Depot holen. Für etwas konservativere Naturen bietet sich ein Renditeoptimierungsprodukt an, das bereits im Seitwärtsgang eine attraktive Rendite in Aussicht stellt. Dies gilt auch für den brandneuen Multi Barrier Reverse Convertible auf BioNTech und Moderna. Das Produkt wurde mit einem überdurchschnittlich hohen Coupon von 25.80% p.a. und einem Risikopuffer von 49% bei der Emission ausgestattet.

Diversifizierte 1:1-Anlagen lassen sich zudem mit Biotech-Indizes umsetzen. Die UBS stellt dazu einen Tracker auf den SXI Bio & Medtech TR Index zur Verfügung. Dieser spiegelt den Kursverlauf des heimischen Branchenbarometers – nach Abzug einer quartalsweisen Managementgebühr von 0.1% – vollständig wider. Einen aktiven Ansatz verfolgt das Swissquote BioTech Revolution Portfolio. In dem von Experten gemanagten Basket haben nur Unternehmen eine Chance, die eine Marktkapitalisierung von mehr als USD 1 Milliarde auf die Waage bringen. Die Bank Vontobel verfügt über einen entsprechenden Tracker, der Privatanlegern einen einfachen Zugang zu dem Basket ermöglicht.

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