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payoff Focus

Börsenfusion XXL: Briten und Teutonen spannen zusammen

24.02.2016 5 Min.
  • Martin Raab

Die Deutsche Börse Group und die Londoner LSE sind im Fusionsfieber. Ex-UBS Vorstand Kengeter schiebt das Projekt mit Hochdruck an. Erste Investoren wittern jetzt Bewegung bei den anderen kotierten Börsenbetreibern. Klappt der Milliardendeal?

Opfikon, der operative Sitz des UBS Investment Banking, war für Carsten Kengeter nur eine Zwischenstation. In einem Gastspiel von 2008 bis 2013 an der Seite von Oswald Grübel und später Sergio Ermotti, baute Kengeter das Investment Banking der UBS um – am Ende wurde der Gegenwind aber zu heftig. LIBOR-Skandal und der Betrugsfall Adoboli kamen noch dazu. Seit 1. Juni 2015 als Chef der Deutschen Börse im Frankfurter Vorort Eschborn tätig, kommt der ambitionierte Zwei-Meter-Mann richtig auf Touren. Sein jüngster Coup stellte gestern die Börsenwelt auf den Kopf: Kengeter will den Finanzkonzern Deutsche Börse Group AG mit der Londoner Börse LSE Group plc verschmelzen. Ein delikates Projekt. Am Dienstag teilten beide Unternehmen mit, dass sie einen «Zusammenschluss unter Gleichen» planen. Glückt die Hochzeit, entstünde eine der grössten Börsen der Welt. Wie so oft bleiben aber viele Fragezeichen.

Druck aus Atlanta und Chicago

Beide Börsen kämpfen mit mächtigen Konkurrenten. Der Druck aus den USA sei zuletzt derart gross geworden, dass das Überleben der zu kleinen europäischen Börsenbetreiber auf dem Spiel stand. So gibt die in Atlanta und News York beheimatete Intercontinental Exchange ICE, welche die New Yorker NYSE übernommen hat, mächtig Gas um Marktanteile im Termin- und Kassahandel zu gewinnen. Auch die CME Group aus Chicago, Hauptkonkurrentin der Deutschen Börse Tochter Eurex, kämpft stark für neue Kunden und mehr Umsatz – auch in Europa, vor der Haustüre von Deutscher Börse und LSE. Gemeinsam könnten die beiden Börsen aber endlich in einer Liga mit den Amerikanern spielen. «Man kann auch auf Platz fünf glücklich sein – aber nicht lange», sagte Kengeter am Dienstagabend in Brüssel. Damit bewegt er sich auf einer Linie mit LSE-Chef Xavier Rolet, der mit einer Konsolidierungswelle gerechnet hat.

Konditionen schon verhandlet

Offenbar sind sich beide Börsenchefs über viele Details schon einig geworden: Über einen Aktientausch soll eine neue, gemeinsame Holding für beide Konzerne entstehen. Glückt der Deal, dann sollen die Aktionäre der britischen und der deutschen Börse ihre Aktien gegen Anteile des neuen Gemeinschaftsunternehmens eintauschen. An diesem hielten die Aktionäre der Börse rund 54,4 Prozent und die Aktionäre der LSE rund 45,6 Prozent der Anteile. Gemessen an der Marktkapitalisierung beider Konzerne wäre das für die Aktionäre der LSE wohl das bessere Geschäft: Die Londoner Börse bringt nur 43 Prozent des Gesamtgewichts von rund 27 Milliarden Euro auf die Waage.

Seit gestern sind auch die Structuring Desks der Investment Banken wahrscheinlich in Richtung «Exchanges Basket» aktiv.

Abverkauf von Bereichen für EU-Genehmigung möglich

Im Verwaltungsrat würde dagegen ein Patt herrschen: Beide Unternehmen sollen eine einheitliche Zahl an Sitzen bekommen – und auch beide Hauptquartiere sollen erhalten bleiben, berichtet die deutsche Finanzzeitung Handelsblatt. Geplant seien Dual Headquarters in Eschborn und in London. Doch noch ist das Theorie: Der Deal sei Gegenstand fortlaufender Gespräche, lassen beide Börsen wissen. Auch die Aufseher und Wettbewerbshüter müssten der Fusion noch zustimmen. Die hessischen Aufseher haben ein Vetorecht: Scheint ihnen der Fortbestand der Börse gefährdet, können sie die Beteiligung untersagen. Hessens Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir reagierte am Dienstag überrascht: Mit ihm hätte noch niemand gesprochen. Auch die Europäische Kommission kann ein Veto einlegen, wenn sie ein Börsenmonopol fürchtet. Die Fusion bekommt wohl aber erst grünes Licht von der EU, wenn die neue, fusionierte Einheit ein paar Geschäftsbereiche ausgliedert oder verkauft, um ihre Dominanz zu reduzieren. In einem Telefonat mit Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager soll Kengeter dem Vernehmen nach schon über die Fusionspläne gesprochen haben – aber erst, als diese gestern publik geworden sind.

Chancen in der Branche sondieren
Findige Investoren sondieren jetzt die Chancen innerhalb der Börsenbetrieber-Branche. Die Mehreit der Marktplätze ist selbst an der Börse kotiert und damit investierbar. Als profitableste Grössen im globalen Börsenzirkus und gleichzeitig am renditeträchtigsten gelten derzeit die CME Group (KGV 21, Div. Rendite 5,6%) und die Deutsche Börse Group selbst (KGV 16, Div. Rendite 3,1%). In Sachen Kursperformance liefen bis dato der australische Börsenbetreiber ASX und die Euronext am besten – auch in Schweizer Franken umgerechnet. Einen Börsenbetreiber-Index oder ein Strukturiertes Produkt auf einen entsprechenden Basket gibt es bisher leider nicht. Bei den ETFs war in den USA ein «Exchanges-Index» vor einigen Jahren im Gespräch (siehe auch «How About an ‹Exchanges› ETF?»). Ein solches Produkt hätte schöne Renditen generiert. Jetzt ist eine gute Zeit über den gezielten Zukauf von Börsenbetreiberaktien nachzudenken. Seit gestern sind auch die Structuring Desks wahrscheinlich in Richtung «Exchanges Basket» aktiv. Eine nicht zu unterschätzende Rolle im jetzt von der Deutschen Börse angestossenen M&A-Fieber könnte dabei die SIX Group spielen. Am nötigen «Kleingeld» mangelt es insbesondere dank dem Eurex-Verkauf nicht. Es bleibt also spannend, nicht nur für Carsten Kengeter und seinem vorerst grössten Coup.

 

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