

Börsenjahr 2015 – eine Frage des Geschmacks
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Dieter Haas
Mit dem überraschenden Ende des Euro-Mindestkurses servierte die Schweizerische Nationalbank Anlegern im Januar harte Kost. Nach diesem völlig überraschenden Schritt gilt es mehr denn je, an den Kapitalmärkten besonnen zu agieren. Während sich an der heimischen Börse zunächst eine teilgeschützte Positionierung anbietet, spricht einiges für ein volles Investment in US-Blue-Chips. Als die passende und vor allem magenschonende Abrundung des Portfolio-Menüs könnte sich Gold herauskristallisieren.
Noch Anfang Jahr schien alles angerichtet zu sein für das perfekte Börsen-Menü 2015. Zum Entree sollten die Notenbanken mit ihrer expansiven Gangart den Appetit auf Aktien weiter stimulieren. Zum Hauptgang liess die Hoffnung auf ein stärkeres Wachstum der Weltwirtschaft bei so manchem Bullen bereits das Wasser im Mund zusammenlaufen. Schliesslich hätten sich ein zusehender Herdentrieb und der damit einhergehende Run auf diese Anlageklasse als optimales Dessert entpuppen können. Bis zum frühen Vormittag des 15. Januar schien diese Speisenfolge alles andere als abwegig. Doch dann stellte die Schweizerische Nationalbank (SNB) zumindest für den heimischen Kapitalmarkt sämtliche Szenarien auf den Kopf. Völlig überraschend liess sie den im September 2011 eingeführten Euro-Mindestkurs von 1,20 Franken fallen und weitete gleichzeitig den kurz vor Weihnachten lancierten Negativzins aus.
Böses Erwachen zum Entree
Mit diesem Schritt löste sie an den Devisenmärkten ein regelrechtes Erdbeben aus. Beim Franken kam es zu den stärksten Ausschlägen, seit die meisten Hauptwährungen in den 1970er-Jahren als freie Wechselkurse berechnet werden. Konkret brach das FX-Gespann EUR/CHF um mehr als 30% auf das Rekordtief von 0,85 Franken ein. Auch in Relation zu anderen Devisen wie dem US-Dollar wertete die heimische Valuta massiv auf. Im weiteren Verlauf beruhigte sich die Lage zwar etwas – beispielsweise erholte sich der Euro bis in den Bereich der Paritätsmarke. Die Schweizer Börse erlebte dennoch einen «Schwarzen Donnerstag»: Um bis zu knapp 14% krachte der Swiss Market Index innert weniger Stunden nach unten. Damit ging eine Marktkapitalisierung von rund 140 Milliarden Franken verloren. Hinter diesem Ausverkauf steckt die Befürchtung, dass vor allem die heimischen Exportunternehmen durch die Währungsaufwertung in ernsthafte Schwierigkeiten geraten könnten. SNB-Präsident Thomas Jordan sprach von einer übertriebenen Marktreaktion und begründete den Entscheid: «Es machte keinen Sinn, eine wirtschaftlich nicht nachhaltige Politik weiterzuführen.» Wenig überraschend gaben sich viele Top-Manager entsetzt. «Was die SNB da veranstaltet, ist ein Tsunami», sagte Nick Hayek, Chef des Uhrenherstellers Swatch. Er befürchtet nicht für seinen Sektor, sondern auch für den Tourismus und letztendlich die gesamte Schweiz fatale Folgen.
Magenverstimmung bei den Konzernen
Während die Diskussion um das Pro und Contra dieses geldpolitischen Hammers längst nicht zu Ende sein dürfte, geht das Börsengeschäft unaufhaltsam weiter. Viele Anleger stehen daher vor einer schwierigen Frage: Bietet sich die historische Einstiegschance schlechthin oder gilt es heimische Aktien vorerst zu meiden? Bei der Suche nach der richtigen Antwort kommt neben der Prognose für den Fortgang des Frankenkurses und dessen Einfluss auf die Unternehmensgewinne eine zentrale Rolle zu. Sobald ein Unternehmen Umsätze im Ausland generiert, die Kosten aber in Franken anfallen, verändern Wechselkursschwankungen die Relation dieser beiden Grössen. Insofern führte eine Aufwertung der heimischen Valuta zu weniger Erlösen und damit einem Schrumpfen der Marge. Hinzu kommt der Transaktionseffekt. Bei der Konsolidierung ausländischer Beteiligungen zerrt ein starker Franken am Konzernergebnis. Laut Gabriel Bartholdi, Stratege bei J. Safra Sarasin, lässt sich der Einfluss der Franken-Aufwertung auf die Gesamtgewinne der Unternehmen sehr schwer quantifizieren. Er verweist darauf, dass sich viele Gesellschaften teilweise gegen dieses Risiko absichern. Per Ende Jahr erwartet die Privatbank eine Parität zwischen Euro und Franken. Dies käme einer Aufwertung von einem Fünftel gleich. Auf Basis vorliegender Konsensschätzungen folgert Bartholdi daraus für die SMI-Unternehmen eine Gewinnbelastung von bis zu 10%. «Zwar fu¨hrt dies zu einer gro¨sseren Welle von negativen Gewinnrevisionen, ist aber fu¨r die meisten Schweizer Unternehmen verkraftbar», folgert der Kapitalmarktexperte. Alles in allem hält er das Verhältnis von Chancen und Risiken am Schweizer Aktienmarkt auf Sicht von drei bis sechs Monaten für ausgeglichen. «Nach den ju¨ngsten Kursru¨ckschla¨gen du¨rfte bereits ein grosser Teil der negativen Folgen eines sta¨rkeren Franken eingepreist sein», erklärt Bartholdi.
Bonus-Zertifikat: «Kalorienreduziertes» Investment
Für eine Positionierung in Nestlé & Co. spricht schon allein der Mangel an Alternativen. Nicht zuletzt durch die Ausweitung des Negativzinses raubte die SNB vielen auf Franken lautenden Rentenpapieren den letzten Rest an Geschmack. Derweil locken die heimischen Blue Chips nach wie vor mit einer attraktiven Dividendenrendite. Gewiss: Nach den jüngsten Entwicklungen ist es durchaus möglich, dass die Konzerne ihre Gewinnbeteiligungen nicht wie geplant erhöhen oder gar kürzen. «Dies entspricht aber nicht unserem Basisszenario», sagt der J. Safra-Sarasin-Stratege. In die Hände spielen die bis auf Weiteres üppigen Dividenden der Konstruktion von Bonus-Zertifikaten. Die Emittenten ziehen die Ausschüttungen zur Finanzierung dieser Struktur heran. Wenige Tage nach dem SNB-Paukenschlag lancierte Julius Bär die auf den SMI lautende Variante JCTKJ. Am Laufzeitende im Januar 2017 stellt das Derivat eine Bonus-Rendite von 6% in Aussicht. Voraussetzung: Der heimische Leitindex fällt bis dahin nicht auf oder unter die Barriere bei 75% des anfänglichen Niveaus. Indikativ lag die Schutzschwelle bei 6‘146 Punkten. Derart tief notierte der SMI seit Mitte 2012 nicht mehr. Sollten die 20 Blue Chips in ihren Aufwärtstrend zurückkehren und bis zum Verfall um mehr als 6% zulegen, steigt die Tilgung analog zu ihrer Performance. Kommt es dagegen zu einer Schwellenverletzung, erlischt der Bonus-Mechanismus. In diesem Szenario wäre das Investment dem vollen Risiko des Basiswertes ausgesetzt. Kurzum: Dieses Strukturierte Produkt bietet den Kompromiss zwischen voller Positionierung und Rückzug vom heimischen Aktienmarkt.

Beim jüngsten Comeback dürfte die Europäische Zentralbank (EZB) eine zentrale Rolle gespielt haben. Sie kündigte im Kampf gegen Deflationsgefahr und schwache Konjunktur den gross angelegten Aufkauf von Staatsanleihen an. Schon vor dem Startschuss herrschte an den Märkten Uneinigkeit darüber, ob die EZB mit ihrem Quantitative Easing (QE) ähnlich erfolgreich sein kann wie das US-Fed. Nach Ansicht von Macquarie-Analyst Matthew Turner besteht die Möglichkeit eines Scheiterns. In der Folge könnte sich die Konjunktur weiter eintrüben und damit die Sorgen vor einem Auseinanderbrechen der Eurozone neu befeuern. «Gold profitiert, sobald es danach aussieht, als würden die Zentralbanken die Kontrolle verlieren», meint der Experte. Zusammen mit dem deutlich aufgehellten Chartbild spricht dieses Argument für den Kauf des Edelmetalls. Insbesondere für Anleger, in deren Portfolio die vermeintliche Ersatzwährung noch fehlt, könnte der Zeitpunkt günstig sein. Der bereits erwähnte ZKB-ETF bietet das dazu passende Instrument. Auch wenn die Auslieferung nur zu Standardbarren von 12,5 Kilogramm möglich ist: Hier ist der Investor de facto im Besitz von physischem, in der Schweiz gelagertem Gold.
