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payoff Focus

China: Der Drache ist zurück

07.03.2024 9 Min.
  • Serge Nussbaumer
    Chefredaktor

Aktien aus dem Reich der Mitte hatten in den vergangenen Monaten einen schweren Stand. Eine schwächelnde Wirtschaft sowie ein kriselnder Immobilienmarkt schlagen den Investoren auf den Magen. Doch wie heisst es so schön: Neues Jahr, neues Glück. Die Chinesen haben soeben ihr Neujahrsfest gefeiert und tatsächlich könnten sich die Bemühungen von Notenbank, Regierung und Wertpapieraufsichtsbehörde schon bald auszahlen.

Nach dem Tiger folgte der Hase, der nun vom Drachen abgelöst wird. Dieser steht in der Fantasykultur für Grösse, Intelligenz und magische Begabung. Keine Sorge, Sie sind hier nicht in einer Tiergeschichte gelandet. Es geht vielmehr um die berühmten Tierkreiszeichen im Reich der Mitte. In China fiel nämlich am 10. Februar 2024 der Startschuss in das neue Jahr. Das dazugehörige Frühlingsfest hat bereits mehr als 2’000 Jahre Tradition und richtet sich streng nach dem chinesischen Kalender, in dem jedes Jahr einem Tier folgt. 

Börsianer dürften sehnlichst auf den Neuanfang gewartet haben und für die Zukunft kann auch ein bisschen Magie nicht schaden, schliesslich fiel der Hase kräftig auf die Nase. So gaben wichtige chinesische Indizes wie der Hang Seng oder auch der CSI 300 rund ein Fünftel in den vergangenen 12 Monaten nach, während der MSCI World um das Gleiche zulegte. Auch längerfristig haben die China-Aktien das Nachsehen, auf Sicht von 3 Jahren beträgt das Gap 55%.

Viele Stolpersteine

Diese enorme Diskrepanz hat durchaus Gründe. Immobilienkrise, wirtschaftlicher Abschwung, Deflation, hohe Verschuldung – die Liste an Problemen ist lang. Aber der Reihe nach: Zum Symbol für das Dilemma der Immobilienbranche wurden die unter Milliarden-Schulden ächzenden Konzerne Evergrande und Country Garden, die mit plötzlichen Zahlungsausfällen die Märkte schockten. Befürchtungen über einen sogenannten «Lehman-Moment» wie 2008 machten daraufhin schnell die Runde. Das wundert auch nicht, verzeichneten doch die Preise für Neubauten in 2023 den stärksten Rückgang seit neun Jahren.

Die Not in dem Sektor geht einher mit einer sich abschwächenden Wirtschaftsleistung, einbrechenden Exporten sowie einem verhaltenden Konsum. Angesichts der angespannten Lage füllen die Chinesen lieber ihr Sparkonto, als dass sie das Geld ausgeben. Dies wiederum führt dazu, dass die Preise sinken, Stichwort Deflation. So sind die Verbraucherpreise im Januar um 0.8% gegenüber dem Vorjahresmonat gesunken. Das war nicht nur der vierte Rückgang in Folge, sondern auch die stärkste Abnahme seit der Finanzkrise 2009. Hierbei könnte es allerdings zu leichten Verzerrung gekommen sein, denn die Urlaubswoche zum Neujahrsfest fiel 2023 in den Januar, während das Fest in diesem Jahr wie eingangs erwähnt erst im Februar begann. Wie dem auch sei: Der bestehende Deflationsdruck hemmt die Stimmung bei den Unternehmen wie auch bei den Verbrauchern. Bereits seit rund 2 Jahren stagniert die Wachstumsrate der Konsumentenkredite nahezu und das Konsumentenvertrauen ist durchgängig negativ.

Frische Kauflaune…

Zuletzt flackerte allerdings etwas Licht am Horizont auf. So legten beispielsweise die Zugreisen während des einwöchigen Neujahrsfestes um mehr als 60% zu. Nach Angaben des Handelsministeriums stiegen die gesamten Tourismuseinnahmen im Vergleich zum Vorjahr um satte 47.3%. Im Unterhaltungsbereich markierten die Einnahmen an den Kinokassen mit umgerechnet USD 1.11 Milliarden sogar einen Rekordwert. «Das sind starke Zahlen, die zum Teil die aufgestaute Nachfrage nach Familientreffen während des ersten normalen Neujahrsfestes seit Covid widerspiegeln», schrieb Goldman Sachs-Ökonom Hui Shan in einer Notiz.

…kombiniert mit fallenden Zinsen

Um Wachstumssorgen und deflationären Tendenzen entgegenzuwirken, hat die People’s Bank of China (PBoC) auf ihrer Sitzung im Februar den Referenzzinssatz für Hypotheken – den Leitzins für fünfjährige Kredite – um 0.25% auf 3.95% gesenkt. Das war mehr als erwartet. Ökonomen hatten lediglich mit einer Senkung um 0.15% gerechnet. Eine derart starke Lockerung hat es bei der sogenannten Loan Prime Rate (LPR) seit ihrer modifizierten Einführung im Jahr 2019 noch nicht gegeben. «Der grösste Zinssenkungszyklus der Geschichte hat begonnen», kommentiert Analyst Yan Yuejin von der E-House China Research and Development Institution den Schritt. In das gleiche Horn bläst Christopher Wong, Devisenstratege bei OCBC: «Das ist eine deutliche Zinssenkung, die zeigt, dass es die politischen Entscheidungsträger ernst meinen.»

Ziel der Massnahme ist es, die Kreditnachfrage anzukurbeln, um den Immobilienmarkt zu stützen, schliesslich macht dieser allein etwa ein Viertel der Wirtschaftsleistung in China aus. Jedoch reicht die Zinssenkung vielen Marktteilnehmern längst nicht aus, die Märkte lechzen nach weiteren fiskalischen Anreizen, die insbesondere auf den Konsum abzielen. Während die Wirtschaftslenker in Peking bereits angekündigt haben, die Konjunktur weiter zu stützen, möchte die Zentralbank die Inlandsnachfrage auf verschiedenen Wegen mit billigem Geld ankurbeln. So wurde jüngst auch der Reservesatz für Geschäftsbanken um einen halben Prozentpunkt gesenkt und somit rund eine Billion Yuan an Liquidität für das Finanzsystem freigesetzt. Dies zeigte Wirkung: Die Kreditnachfrage ist zuletzt deutlich gestiegen. Im Januar vergaben die Finanzinstitute mehr als das Vierfache der im Dezember ausgereichten Darlehen.

Aktien auf Turnaround-Kurs

Am Aktienmarkt werden die Bemühungen der PBoC sowie der Regierung in Peking mittlerweile zumindest ein wenig honoriert. Unterstützung bekommen die Börsen auch von direkten Eingriffen in die Märkte. So wurde ein Verbot der Wertpapierleihe ausgesprochen, um Leerverkaufsversuche zu verhindern. Darüber hinaus investierte der Staatsfonds Central Huijin Investment Geld in börsengehandelte Fonds. Und allein die Nachricht, dass Präsident Xi Jinping sich mit der China Securities Regulatory Commission (CSRC) treffen würde, um Möglichkeiten zur Stützung des Aktienmarktes zu besprechen, bescherte dem CSI 300-Index, der wichtigsten Benchmark für auf dem Festland notierte Aktien, einen Anstieg um 3.5% und damit den besten Tag seit mehr als 15 Monaten. «Es scheint, dass Peking den stark fallenden Aktienmarkt bemerkt hat», kommentiert Portfoliomanager Rob Brewis von Aubrey Capital Management das Geschehen. 

Inzwischen hat die Wertpapieraufsichtsbehörde bereits bekannt gegeben, dass sie die Überwachung von Derivaten, einschliesslich sogenannter DMA-Swap-Produkte, verstärken wird und kündigte zudem eine Bestrafung eines Hedgefonds für einen übermässigen Hochfrequenzhandel mit Aktienindex-Futures an. Angesichts der weiterhin prekären Lage am Immobilienmarkt und der maroden Wirtschaft dürfte der chinesische Aktienmarkt aber angespannt bleiben und sich daher eher für risikofreudige Anleger eignen. Sollte aber die Stabilisierung des Immobiliensektors gelingen, könnte es mit der Wirtschaft und gleichzeitig auch mit den Kursen in der Volksrepublik wieder nachhaltig bergauf gehen. Hongkong hat Ende Februar bereits umfangreiche Massnahmen angekündigt, um seinen schwächelnden Immobilienmarkt durch die Aufhebung aller restriktiven Anweisungen für Wohnimmobilien zu stärken. Ziel ist es, die Wirtschaft der Stadt zu unterstützen, die voraussichtlich nur moderate 2.5% bis 3.5% im laufenden Jahr wachsen wird. Wie es mit der gesamten chinesischen Konjunktur weitergehen wird, wird sich auf der Jahressitzung des Nationalen Volkskongresses am 5. März (nach Redaktionsschluss) zeigen. Dort wird nicht nur das jährliche Wachstumsziel festgelegt, sondern es gibt auch Hinweise darauf, welche Unterstützungen von der Regierung zu erwarten sind. Die IWF-Ökonomen erwarten ein Wachstum von 4.6%, im Vergleich zu 5.4% im Vorjahr.

Günstige Bewertung

Was die Branchen angeht, zeigen sich diese derzeit in einer unterschiedlichen Verfassung. So stachen zuletzt zyklische Konsumgüter und Kommunikationsdienstleistung positiv hervor. Die Konzerne konnten ihre Gewinne seit November 2022 um mehr als die Hälfte steigern, während die Vertreter der Immobilienzunft ein Minus von über 50% verbuchen mussten. Die Bereiche zyklischer Konsum und Kommunikationsdienstleister, die zusammen etwa die Hälfte der Marktkapitalisierung des MSCI China ausmachen, handeln aktuell mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von knapp über 13. «Sie dürften aufgrund der erwarteten Gewinnzuwächse die Haupttreiber des chinesischen Aktienmarktes bleiben, bis sich die Lage im Immobiliensektor stabilisiert und die Handelskonflikte legen», prognostiziert Chefanlagestratege Ulrich Stephan von der Deutschen Bank. 

Auch in der vollen Breite sind chinesische Titel derzeit nicht teuer. Mit einem erwarteten KGV von rund 8 ist der MSCI China nicht einmal halb so hoch bewertet wie der weltweite Aktienmarkt. Mit dem entsprechenden ETF LCCN von Amundi lässt sich an dem Gradmesser – abzüglich einer jährlichen Gesamtgebühr von 0.29% – vollständig partizipieren. Eine gute Alternative, sich den chinesischen Aktienmarkt breit gefächert ins Depot zu holen, bietet der Tracker CHINTQ auf den Swissquote China’s Dragons Index von Leonteq. Die Strategie des Barometers konzentriert sich auf Unternehmen, die ihren Umsatz zum Grossteil in zukunftsweisenden Segmenten wie Informationstechnologie, Automatisierte Werkzeugmaschinen und Robotertechnik, Luft-, Raum- und Schifffahrtsausrüstung und Hightech-Transport, moderne Schienenverkehrsanlagen, autonome und mit erneuerbarer Energie betriebene Fahrzeuge, Stromerzeugungsanlagen, landwirtschaftliche Geräte, neue Werkstoffe sowie Biopharma und medizinische Produkte erzielen. Damit der Index immer ausreichend diversifiziert ist, wird die Anzahl der Unternehmen pro Sektor auf fünf beschränkt. Der aktive Ansatz sorgt dafür, dass die Strategie stets up to date ist. Die Aktien müssen Mindesthandelskriterien erfüllen, wie zum Beispiel eine Marktkapitalisierung von wenigstens USD 100 Millionen sowie und ein durchschnittliches tägliches Handelsvolumen von USD 100’000. Die Bestandteile des Index werden regelmässig alle 3 Monate neu gewichtet. Trotz des aufwendigen Prozesses fällt die Managementgebühr mit 0.7% p.a. moderat aus.

High-Tech aus Fernost

Eine Bodenbildung zeichnet sich derzeit bei den chinesischen Technologie-Aktien ab. Die Unternehmen sind weltweit führend in Bereichen wie künstlicher Intelligenz (KI), Robotik und E-Commerce. Anders als die US-Pendants, Stichwort «Magnificent 7», tendierten die Kurse der Hightech-Titel aus dem Reich der Mitte aber lange Zeit gen Süden. Mit einem Barrier Reverse Convertible lässt sich bereits im Seitwärtsgang eine attraktive Rendite erzielen. Das Produkt YTSLTQ aus dem Hause Leonteq auf die drei E-Commerce-Spezialisten Alibaba Group, JD.com und Pinduoduo ist mit einem Coupon von 14.00% p.a. sowie einem Risikopuffer – der Worstperformer ist aktuell JD.com – von 43% ausgestattet.

Auch in Sachen E-Mobilität sind chinesische Unternehmen nicht zu unterschätzen. So hat BYD den technologischen Vorsprung des von Tesla bereits aufgeholt und in Sachen Marktanteil sogar überholt. Im Schlussviertel 2023 zog der Autohersteller bei den Verkäufen an Tesla vorbei. Insbesondere die günstige und auch vielfältige Modellpalette der Chinesen kurbelt die Nachfrage an. Auch in Europa dreht der Konzern auf und möchte in diesem Jahr das Portfolio weiter ausbauen. An der Börse zeigte die BYD-Aktie nach einer monatelangen Rückwärtsfahrt zuletzt erste zaghafte Versuche einer Gegenbewegung. Mit dem Turbo-Optionsschein SG3BIN der Société Générale lässt sich gehebelt auf eine Trendwende spekulieren. Das Gleiche gilt für Alibaba, auch der Kurs des E-Commerce-Riesens sucht nach einer Bodenbildung wieder den Weg nach oben. Der Long Mini Future LBTJJB von Julius Bär ist für risikobewusste Anleger ein adäquates Produkt, um überproportional an einem Comeback zu verdienen. 

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