Derivatmarkt Schweiz: Zufriedenheit, aber keine Euphorie
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Dieter Haas
Die Geldpolitik der Notenbanken sorgte für günstige Rahmenbedingungen an den Finanzmärkten. Trotz vereinzelter Turbulenzen war die Branche mit den erreichten Ergebnissen insgesamt zufrieden.
Das vergangene Jahr fügte sich in abgeschwächter Form an die guten Vorjahre an, mit der einen oder anderen Überraschung. Für die Schweizer Börse begann es gleich mit einem Knalleffekt. Im Anschluss an die Mitte Januar von der SNB verkündete Aufhebung des EUR/CHF-Pegs kam es zu einer heftigen Korrektur. Mitte März war der Schock allerdings bereits überwunden. Im Spätsommer gerieten alle Börsen im Gefolge der Wachstumsschwäche in China in Rücklage. Im vierten Quartal wurden auch diese Kursverluste wieder wettgemacht. Am Jahresende schlossen einige Aktienindizes nahe ihres Jahreshochs und über dem Stand Ende 2014. Dank der expansiven Geldpolitik der Notenbanken floss und fliesst nach wie vor reichlich Liquidität in die Märkte, was sich belebend auf das Geschäft bei den Strukturierten Produkten auswirkte. Wegen des Aufs und Abs an den Börsen blieben die Verkaufszahlen 2015 allerdings hinter der Dynamik des Vorjahres zurück, zumal sinkende Kreditrisikoprämien und tiefe Kapitalmarktzinsen die Konstruktionsmöglichkeiten einschränkten.
Sinkendes Gesamtvermögen
Seit Juli 2009 führt die Schweizerische Nationalbank (SNB) eine nach Kategorien aufgeteilte Statistik für den Bereich Strukturierte Produkte. Trotz der positiven Börsenentwicklung ab März 2009 vermochte die Anlageklasse in der Schweiz umsatzmässig nie mehr an die glorreichen Zeiten vor der Finanzkrise anzuknüpfen. Seit dem Rekordstand im September 2007 von CHF 361.2 Mrd. verringerte sich das Depotvermögen stetig. Die Abschmelzung wurde zwischenzeitlich dank einer Änderung des Behebungskreises gestoppt. So integrierte die SNB ab Dezember 2012 auch Institute mit besonderem Geschäftskreis in ihre Berechnungen. Die vermeintliche Trendwende blieb jedoch aus. Der darauf folgende vermeintliche Aufschwung war somit rein technischer Natur. Dasselbe trifft wohl auch auf die Monate April bis Juli 2015 zu. Auf Anfrage von payoff hiess es offiziell von der SNB: «Auf Basis des angewandten, bekannten Erhebungskonzeptes der Wertschriftenstatistik sollten diese Daten stimmen.» Nach weiterem Nachhaken liess man uns plötzlich wissen: «Es laufen noch weitere Abklärungen.» Gemäss den SNB-Zahlen sank das Depotvolumen seit Anfang Jahr bis Ende Oktober um 16,3%.
Beliebte Partizipationsprodukte
Gemessen am Bestand an Strukturierten Produkten in Schweizer Wertschriftendepots waren Partizipationsprodukte die bevorzugte Kategorie. Ende Oktober 2015 betrug ihr Anteil 33,2%. Auf Rang zwei folgten die Renditeoptimierungsprodukte mit 31,9%. Ihr relatives Gewicht stieg um 6,2 im Vergleich zum Vorjahresendstand. An dritter Stelle rangierten die Kapitalschutzprodukte mit 28,0%. Ihr Anteil erhöhte sich um 2,8%. Auf Hebelprodukte entfielen Ende Oktober gemäss der Statistik der SNB 5,4%. Die Angaben sind allerdings mit Vorsicht zu geniessen. Vermutlich durch die Reorganisation der UBS zeigte vor allem die Datenreihe der Hebelprodukte grosse Schwankungen. Nach einer massiven Zunahme zwischen April und Juli kam es ab August zu einem heftigen Rückgang. Trotz intensiver Recherchen konnte bislang keine Erklärung für die Anomalie gefunden werden.
SIX: Gelassenheit und klare Pläne
Die Derivat-Geschäfte bei der Schweizer Börse entwickelten sich 2015 in Summe zufriedenstellend. Bis Ende November belief sich der bisherige Jahresumsatz auf CHF 25.5 Mrd. (Vorjahr: CHF 24.7 Mrd.). Zu diesem Zeitpunkt waren an der Derivatbörse SIX Structured Products Exchange 36‘190 Produkte kotiert. Dabei entfielen 67,7% der gelisteten Produkte auf Hebelprodukte, 23,2% auf Renditeoptimierungsprodukte, 5,8% auf Partizipationsprodukte. André Buck, Head Sales SIX Swiss Exchange, äusserte sich Mitte November folgendermassen: «Bei den Strukturierten Produkten sehen wir eine regere Handelstätigkeit. Die Anzahl der Tickets bei den Hebelprodukten ist im Vergleich zum Vorjahr markant gestiegen. Die gehandelten Volumina sind jedoch gefallen, da Anlageprodukte aufgrund der fortschreitenden Automatisierung und Individualisierung vermehrt ausserhalb der Börse aufgelegt werden.» Die wachsende Lust mancher Emittenten, auch bei den Hebelprodukten verstärkt in OTC-Plattformen abzutauchen, sieht Vertriebschef Buck gelassen: «Bei den Hebelprodukten dürfen wir uns nicht von den Umsatzzahlen täuschen lassen – die Anzahl Abschlüsse ist hier der bessere Indikator für die Aktivität der Anleger.» Bis Ende September konnte die Börse bei den Hebelprodukten rund 20% mehr Abschlüsse als in der Vorjahresperiode zählen. «Hingegen nahm die Durchschnittsgrösse der Abschlüsse ab, mit dem Resultat, dass die Handelsumsätze dadurch tiefer als im Vorjahr ausfielen. Das ist wiederum ein deutliches Zeichen dafür, dass die Privatanleger vermehrt handeln», so die Interpretation von Buck. In 2016 steht nach seinen Angaben klar die Handelsaufnahme von XBTR, der SIX-Plattform für den ausserbörslichen Handel von Strukturierten Produkten, im Fokus. Ebenso die finale Umsetzung technischer Weiterentwicklungen, wie die automatisierte Vergabe von Symbolen für Listings.
Unveränderte Kräfteverhältnisse
Das abgelaufene Jahr brachte keine Veränderungen der Kräfteverhältnisse. So war bis Ende November die UBS gemessen am Börsenumsatz erneut der mit Abstand umsatzstärkste Emittent mit einem Anteil von 44,5% (Vorjahr: 35,1%). Platz zwei belegte die Bank Vontobel mit 20,4% (Vorjahr: 20,5%) vor der Zürcher Kantonalbank mit 13,4% (Vorjahr: 16,7%). Bereits mit einem deutlichen Abstand folgen die Bank Julius Bär mit 6,7% und die Credit Suisse mit 3,6%. Monatlich betrachtet zeigen sich grosse Unterschiede, ausgelöst vor allem durch stark unterschiedliche Absatzvolumina der Partizipationsprodukte des Marktführers UBS. Dessen äusserst beliebte Tracker-Zertifikate auf MSCI Performanceindizes (u.a. OEPUS, OEEMU) weisen beträchtliche Nachfrage-Schwankungen auf.
Sinkende Emittentenrisiken
Das Interesse an pfandbesicherten Zertifikaten vermindert sich stetig. Nach dem Höhepunkt Ende 2012 setzte ein Abwärtstrend ein, der bislang ungebrochen ist. Sinkende Kreditrisikoprämien als Folge der überaus expansiven Politik der Notenbanken und positive Entwicklungen der Finanzmärkte haben zu einer spürbaren Abnahme des Sicherheitsbedürfnisses bei den Anlegern geführt. Die Gefahr eines neuerlichen Falles Lehman ist derzeit gering und das Vertrauen in die Finanzinstitute grösstenteils wiederhergestellt. Dennoch bleiben COSI-Zertifikate ein etabliertes Qualitätsmerkmal beim Vertrieb von Strukturierten Produkten.
Die Schweiz ist die Nummer 1
In den ersten neuen Monaten sank das Marktvolumen in Deutschland, Österreich und der Schweiz gegenüber dem Vorjahr um 12,6% auf EUR 220.1 Mrd. Bei den Anlageprodukten kam es zu einer Reduktion um 10% auf EUR 211,0 Mrd. und bei den Hebelprodukten zu einem Minus von 47,6% auf EUR 9,1 Mrd. An Börsen der EUSIPA (European Structured Investment Produkts Association)-Länder zählte Ende September das Produktangebot 595‘225 Anlagezertifikate und 817‘158 Hebelprodukte. Der Schweizer Derivatmarkt war Ende September mit einem ausstehenden Gesamtvolumen von EUR 146.4 Mrd. der Grösste, gefolgt von Deutschland mit EUR 63,3 Mrd. Umsatzmässig lag Deutschland in den ersten neun Monaten 2015 an der Spitze vor Italien und der Schweiz (siehe Grafik). Bei den Kategorien zeigen sich länderspezifische Eigenheiten. So dominieren beim Handelsumsatz in Deutschland und der Schweiz die Anlageprodukte, während in Italien und Schweden vor allem die Nachfrage nach Hebelprodukten sich grosser Beliebtheit erfreut.
Positiver Grundton
Für 2016 wird mit einer unveränderten oder sogar noch besseren Geschäftsentwicklung gerechnet. Aus Sicht der Anleger dürfte sich das Interesse weiterhin auf Renditeoptimierungsprodukte im Allgemeinen und Barrier Reverse Convertibles im Speziellen konzentrieren. Kapitalmarktprodukte werden aufgrund des Tiefzinsumfelds nach wie vor einen schweren Stand haben. Dagegen sollten Partizipations- und Hebelprodukte sich zumindest stabil entwickeln. Ein belebendes Element in der Nachfrage dürfte die von vielen Auguren erwartete steigende Volatilität sein. Zunehmende Schwankungen steigern die Möglichkeiten bei der Konstruktion vieler Strukturierter Produkte.