Digitales Lernen – attraktive Thematik
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Dieter Haas
Die Covid-19-Pandemie hat das bereits zuvor bestehende überdurchschnittliche Wachstum beschleunigt. Die aktuelle Verdauungsphase bietet Chancen für einen Markteinstieg in unsere Empfehlungen.
Technologie hat das Potenzial, die grossen Herausforderungen des Bildungssektors zu bewältigen. Von der Förderung der Zugänglichkeit und Inklusion über die Befähigung von Institutionen und Lehrern bis hin zur Unterstützung exzellenter Lernergebnisse der Schüler können digitale Lerntechnologien dazu beitragen, den Bildungssektor in das 21. Jahrhundert zu bringen.
Wir müssen ein Bildungssystem aufbauen, das inklusiver ist, das nicht länger auf das Klassenzimmer beschränkt ist und das in der Lage ist, alle Lernenden in lebenslang Lernende zu verwandeln. In einer Zeit beispielloser Automatisierung waren Umschulung und Weiterbildung noch nie so wichtig wie heute. Fortschrittliche Technologien wie Gamification, Virtual und Augmented Reality sowie personalisiertes und adaptives Lernen ermöglichen es, die Bildung auf die Bedürfnisse der Menschen im Laufe ihres Lebenszyklus zuzuschneiden. Ganz anders tönte es noch in dem 1979 veröffentlichen Lied von Pink Floyd aus ihrem äusserst erfolgreichen Album «The Wall». Dort sang die britische Popgruppe im Lied «Another Brick in the Wall» unter anderem noch Folgendes:
We don’t need no education
We don’t need no thought control
No dark sarcasm in the classroom
Teacher, leave them kids alone
Hey! Teacher! Leave them kids alone!
Erfolgsfaktoren von Digital Learning
Mittlerweile hat sich der Zeitgeist geändert und Lernen und speziell digitales Lernen steht wieder hoch im Kurs. Die Vorteile liegen auf der Hand. Orts- und zeitunabhängig zu lernen, ist für viele von uns ein ausschlaggebender Punkt, sich überhaupt weiterzubilden. Ausserdem kann digitales Lernen individuell an Bedürfnisse angepasst werden. Ob digitale oder traditionelle Lernmethoden – der Erfolg ist natürlich von Person zu Person unterschiedlich. Doch gerade die Möglichkeit, Geschwindigkeit und Schwierigkeitsgrad selbst anpassen zu können, bietet vielen Lernenden ein effizienteres Erlebnis. Mit Digital Learning können Unternehmen ihre Mitarbeiter aus unterschiedlichen Hierarchiestufen und Bereichen auf die schnell verändernde Arbeitswelt vorbereiten. So werden beispielsweise die Mitarbeiter von Avaloq mit regelmässigen Online-Kursen über verschiedene Compliance-Themen geschult. Ein abschliessender Test prüft dabei das erlernte Wissen. Da der Mitarbeiter ein gewisses Zeitfenster für die Absolvierung der Pflichtkurse erhält, besteht Spielraum, um sie optimal in den bestehenden Arbeitsprozess zu integrieren.
Langfristige Überrendite
Das Thema Digitales Lernen bekam durch die Pandemie auch in Europa einen kräftigen Schub. Es war aber bereits zuvor ein überdurchschnittlich wachsendes Segment wie der Vergleich des Foxberry Edu Tech & Digital Learning NTR Index (www.foxberry.com), dem Basiswert des ETF LERN, sowie des Indxx Global Education Thematic Index, dem Basiswert des ETF EDUT, mit dem Weltak- tienindex seit Juli 2015 zeigt (vgl. Grafik 1). Bei LERN von Rizeetf (https://rizeetf.com/) handelt es sich um den ersten in Europa lancierten ETF auf digitales Lernen. Er wurde am 15. September auch an SIX Swiss Exchange kotiert.
«Das Thema Digitales Lernen bekam durch die Pandemie einen kräftigen Schub.»
Innovativer Ansatz
Der ETF LERN wurde in Zusammenarbeit mit HolonIQ (www.holoniq.com), einem globalen Marktforschungsunternehmen für den Bildungssektor mit Sitz in Sydney, Australia en, entwickelt und nutzt deren einzigartige Erkenntnisse und das proprietäre Klassifizierungssystem von Unternehmen, die im Bereich der digitalen und lebenslangen Lerntechnologien marktführend sind. Der Basiswert umfasste Ende März 36 Aktien. 76% der Titel waren an einer US-Börse kotiert und 12% in Hongkong. Die sechs zwischen 6% und 10% gewichteten Titel Pluralsight, Bright Horizons Family Solutions, Chegg, New Oriental Education & Technology Group, Tal Education und 2U deckten knapp 58% des Index ab. Diese starke Fokussierung ist Fluch oder Segen. In den letzten zwölf Monaten waren es vor allem relativ geringer gewichtete Titel wie Stride oder Hope die den Ton angaben (siehe Grafik 3). Für viele Anleger sind die Namen der Titel in den beiden ETFs ein Buch mit sieben Siegeln. Daher sollen die grössten unter den erwähnten kurz näher beleuchtet werden.
Einblick in unbekannte Unternehmen
Die amerikanische Pluralsight ist ein öffentliches Online-Bildungsunternehmen, das über seine Webseite eine Vielzahl von Video-Schulungskursen für Softwareentwickler, IT-Administratoren und Kreative anbietet. Bei Bright Horizons handelt es sich um ein in den USA ansässigen Kinderbetreuer und den grössten Anbieter von Kinderbetreuung gesponsert von Arbeitgebern. Die New Oriental Education & Technology Group konzentriert sich auf private Bildungsdienstleistungen in China. Bei 2U handelt es sich um ein amerikanisches Unternehmen für Bildungstechnologie, das Verträge mit gemeinnützigen Hochschulen und Universitäten abschliesst, um Online-Studiengänge anzubieten. Die TAL Education Group ist eine chinesische Holdinggesellschaft, die Schülern der Grund- und Sekundarschule ausserschulische Bildung anbietet. Das US-amerikanische Unternehmen Chegg fokussiert auf den Verleih von digitalen und physischen Lehrbüchern, Online-Nachhilfe und andere Dienstleistungen für Studenten. Stride, ebenfalls ein US-amerikanisches Unternehmen, bietet Lehrpläne, Softwaresysteme und Bildungsdienstleistungen an, die das individualisierte Lernen für Schüler vom Kindergarten bis zur 12. Klasse ermöglichen. Die chinesische Hope Education Group ist eine Investmentgesellschaft, die hauptsächlich Dienstleistungen im Bereich der Hochschulbildung anbietet.
«Wegen der Affinität zur Technologie sind sowohl LERN als auch EDUT anfällig für einen zyklischen Rückgang des Wertes des Technologiesektors als Ganzes.»
ETF-Konkurrent in den USA
Der ETF LERN ist zwar der erste in Europa kotierte ETF zu diesem Thema aber weltweit gesehen nicht der einzige. So bietet der in den USA kotierte ETF EDUT von Global X (www.globalxetfs.com/funds/edut) ebenfalls die Möglichkeit zur Partizipation am Megatrend. Er wurde am 10. Juli liberiert und bezieht sich auf den Basiswert Indxx Global Education Thematic Index (www.indxx.com).
Der Index soll die Wertentwicklung von Unternehmen abbilden, die in Industrie- und Schwellenländern notiert sind und Produkte und Dienstleistungen anbieten, die die Bildung erleichtern, einschliesslich, aber nicht beschränkt auf Unternehmen, die sich mit Online-Lernen und Bildungsinhalten/-veröffentlichungen, frühkindlicher Bildung, Hochschulbildung und beruflicher Bildung sowie Video- und Chat-Kommunikationsplattformen für Unternehmen beschäftigen. Mit derzeit 38 Titel ist er ähnlich breit aufgestellt wie der Basiswert von LERN. Auch hier dominierten Ende März mit 44% bzw. 33% Unternehmen aus den USA respektive China. Die Fokussierung ist etwas geringer als beim ETF LERN. Die sechs grössten ähnlich gewichteten Titel Chegg, Bright Horizons, Tal Education, New Oriental, Pearson und Slack Technologies deckten zusammen rund 47% des Index ab. Performancemässig war im laufenden Jahr bislang Hougthon Mifflin der Renner (siehe Grafik 4).
Von den erwähnten Unternehmen wurden die folgenden drei noch nicht näher beschrieben. Bei der britischen Mediengruppe Pearson handelt es sich um einen international tätigen Verlag vor allem für Schul- und Universitätslehrbücher. Die US-amerikanische Slack Technologies bietet mit Slack einen webbasierten Instant-Messaging-Dienst an zur Kommunikation innerhalb von Arbeitsgruppen, und Houghton Mifflin ist einer der führenden Bildungsverlage in den Vereinigten Staaten.
Risiken
Da viele der Unternehmen, in den zwei ETFs eine Affinität zur Technologie haben, sind beide anfällig für einen zyklischen Rückgang des Wertes des Technologiesektors als Ganzes. Sowohl LERN als auch EDUT unterliegen daher grösseren Schwankungen als der Weltaktienindex. Diese Sensibilität konnte im Zeitraum von Mitte Februar bis Ende März lehrbuchmässig beobachtet werden, als der Technologieindex Nasdaq auf die gestiegenen Langfristzinsen in den USA im Vergleich zum Blue Chip Index Dow Jones Industrial oder dem breiter gefassten S&P 500 sehr viel stärker korrigierte.
Ähnliche Performance
Die Basiswerte der beiden ETFs unterscheiden sich zwar teilweise. Ihre Differenzen sind aber vergleichsweise klein. Performance-mässig hatte seit September 2020 EDUT leichte Vorteile (siehe Grafik 5). Längerfristig betrachtet, übertraf in der Rückrechnung der Basiswert von LERN allerdings denjenigen von EDUT. Für eine abschliessende Beurteilung ist die Zeitspanne allerdings noch zu klein.
Selten umgesetztes Thema bei Strukturierten Produkten
Digitales Lernen fristet angebotsmässig ein Mauerblümchendasein. Dabei glänzen viele Unternehmen in diesem Bereich seit Jahren mit stetig steigenden Kursen. Sehr früh auf diesen Trend gesetzt, hat die in Hongkong beheimatete Orfi Capital (www.orficapital.com). Sie lancierte über die Bank Vontobel bereits im April 2018 das endlos laufende Tracker-Zertifikat PSTB9V auf ein Asia Education Portfolio (siehe Grafik 6). Ursprünglich war das Zertifikat ein «asiatisches Zertifikat» und kein «chinesisches Zertifikat». Gemäss dem Factsheet vom 20. März entfielen mittlerweile 96.50% der geografischen Ausrichtung auf China (inklusive Hongkong). Das Tracker-Zertifikat ist mit 18 Positionen stärker fokussiert als die beiden ETFs. Zudem deckten die drei Titel TAL Education (21.8%), New Oriental Education (16.5%) und China Education Group (11.0%) am erwähnten Stichtag fast 50% des Portfolios ab. Wegen der mit 1.5% deutlich höheren jährlichen Managementgebühr plus einer jährlichen 10%igen Performance-Gebühr dürfte es dem Tracker-Zertifikat schwerfallen, auf lange Frist mit den beiden ETFs mitzuhalten. Nichtsdestotrotz ist es ein gelungener Wurf.
«Digitales Lernen fristet angebotsmässig ein Mauerblümchendasein.»
Abschliessende Bemerkungen
Die in einem Interview im Jahr 2018 von Geoffroy Wallier, Managing Partner von Orfi Capital, gemachte Aussage: «The Education theme is here to stay and large companies will continue to grow, particularly in China», hat auch drei Jahre später weiterhin ihre volle Gültigkeit. Bildung ist für jede chinesische Familie essentiell, vor allem durch die bis vor kurzem geltende Ein-Kind-Politik. Alle asiatischen Familien investieren im Rahmen ihrer Möglichkeiten viel, damit ihre Kinder eine bessere Zukunft haben. Das hat nicht nur wirtschaftliche, sondern auch kulturelle Gründe. Bildung steht aber nicht nur in China hoch im Kurs, sie ist längst ein universelles Gut.
«The Education theme is here to stay and large companies will continue to grow, particularly in China.»
Lernen ist wie Rudern gegen den Strom. Sobald man aufhört, treibt man zurück. Dieses Zitat von Benjamin Britten ist zeitlos und unterstreicht das Potenzial von Lernen. Die heutige neue Form des digitalen Lernens ist ein Muss und Unternehmen, die sich diesem Thema verschrieben haben, versprechen für langfristig orientierte Anleger überdurchschnittliche Gewinnchancen.