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payoff Focus

Dynamische Alternativen für grosse Fische

26.11.2015 6 Min.

Nicht nur Privatanleger, sondern auch Vermögensverwalter und Pensionskassen angeln sich zunehmend ETFs und Indexlösungen in das Portfolio. Was Smart Beta in der institutionellen Anlagepraxis bedeutet und welche Kreationen am Markt verfügbar sind.

In der institutionellen Investmentwelt gibt es stets eine kleine Anzahl an Begriffen, mit denen sich rasch und zielsicher Gespräche anbahnen lassen und gute Fischzüge möglich sind. Zum ultimativen Codex gehören zurzeit «Infrastruktur», «Short Duration» und «Smart Beta». Letzterer Begriff gleicht dem Lieblingswort von unzähligen Produktmanagement- und Marketingabteilungen der internationalen Investmentindustrie. Die Suchmaschine Google verweist inzwischen gar 63‘100‘000 Treffer zum Hitname Smart Beta. Monetär zeugen die Mittelzuflüsse in Smart-Beta-Anlagen vom Erfolg der Kampagnen: Allein im ersten Halbjahr 2015 wurden in Europa CHF 2.3 Mrd. in Smart Beta ETFs investiert. Bis Jahresende sind Inflows von insgesamt bis zu CHF 6 Mrd. in Smart Beta ETFs möglich. Im Kern beschreibt Smart Beta die Extraktion von Faktoren, die als Investmentansatz tauglich sind. Häufig wird hierunter die Abkehr von marktkapitalisierungsgewichteten Indizes wie dem SMI, S&P 500 oder DAX verstanden. «Da keiner dieser Standardindizes für Investmentzwecke geschaffen wurde, weisen viele der gängigen Indizes durchaus Schwächen auf, die Raum für neue Indizes zulassen», schreibt Detlef Glow, Head of EMEA Research beim Analyseanbieter Lipper in seinem aktuellen Finanzmarkt-Blog. 

Aus Multi-Factor wird Smart Beta

Der im Finanzjargon als Beta bezeichnete Begriff beschreibt, vereinfacht gesagt, die Ausschlagkraft (Sensitivität) einer Wertschrift zum Markt selbst oder auch die des Portfolios zum Markt. Konkret: Ein Beta von 1 drückt die gleiche Veränderung zwischen Portfolio und Markt aus. Ein Beta grösser 1 (z.B. 1,5) weist damit auf ein höheres Marktrisiko als Einflussfaktor auf das Wertpapier hin, das tendenziell auch mit einer höheren Rendite entschädigt werden sollte. Parallel werden in der finanzmathematischen Analyse immer mehr Faktoren isoliert. Zu nennen sind u.a. Small Cap, Value und Momentum. «Bei Faktoren handelt es sich schlicht um quantifizierbare Marktmuster, die auf das Portfolio einwirken. Diese stellen Risikofaktoren dar, durch deren Halten Marktteilnehmer im Gegenzug eine Kompensation in Form einer Risikoprämie erwarten. Neue Ansätze bieten hier attraktive Investmentmöglichkeiten», so Gökhan Kula, CIO von MYRA Capital in Salzburg. Der Fonds- und Mandateanbieter hat sich der dynamischen Asset-Allokation und Smart Beta-Konzepten u.a. mit der New York Stock Exchange verschrieben. Die allgemeine Entwicklung mündete schliesslich in den Multi-Faktoren-Modellen – dort werden die Risikoprämien der temporären, quantifizierbaren Marktmuster innerhalb des Marktportfolios systematisch getrennt und kontrolliert in Investmentprodukte abgebildet. Statt dem sperrigen Begriff des Multi-Factor-Investing wird seit rund vier Jahren, inspiriert vom US-Investmenthaus Research Affiliates, mehr und mehr stattdessen von Smart Beta gesprochen.

Mehr Anleger docken an

Auch heimische Profi-Anleger interessieren sich für das Thema Smart Beta bzw. Alternatives Beta zunehmend. Zwar gibt es noch keinen Passivierungs-Tsunami, dennoch docken mehr und mehr Investoren thematisch an und sind für Beratungen offen. «ETFs haben sich in der Vermögensverwaltung als Anlageinstrument etabliert. Liquide und kostengünstig erleichtern sie den Grossanlegern die taktische Allokation. Institutionelle Investoren setzen nicht nur auf eine hohe Dividendenrendite, sondern achten auch auf das Risiko und die Ertragsstabilität. Smart Beta-Produkte lassen sich hierbei durch alternative Gewichtungsformen gewinnbringend einsetzen. Das Potenzial smarter Dividendenstrategien wird in Zukunft durch die laufenden Produktinnovationen sowie den zunehmenden Kostendruck sicher noch intensiver genutzt», ist Sven Württemberger, Deputy Head iShares Switzerland bei BlackRock, überzeugt. Seit wenigen Wochen hat beispielsweise die Helvetia Anlagestiftung in Zusammenarbeit mit Vescore am Beispiel des Swiss Performance Index (SPI) eine Neukonzeption lanciert. Der SPI gilt bekanntermassen als Gesamtmarktindex für den Schweizer Aktienmarkt. Er enthält nahezu alle an der SIX Swiss Exchange gehandelten Beteiligungspapiere von Gesellschaften mit Sitz in der Schweiz oder Liechtenstein. Doch ist der SPI nicht ohne Tücken: Einzelne Aktien und Branchen haben ein teils massives Übergewicht im Index. In bestimmten Marktphasen ist das von Vorteil, in anderen jedoch steigt das Risiko, Schiffbruch zu erleiden.

Helvetia lanciert dynamisches Smart Beta

Aus der Feder von Helvetia Anlagestiftung stammen die beiden Anlagegruppen Aktien Schweiz Smart Beta Dynamisch 50 (Valor 27589564) bzw. 100 (Valor 27589595). Neu dabei ist der Ansatz des dynamischen Smart Beta. Diese Strategie behält zwar die Ausrichtung auf unterschiedliche Indizes bei, das Innovative ist aber die dynamische Gewichtung rendite- und risikobasierter Indexfonds je nach Marktsituation. Nicht mehr die Marktkapitalisierung der einzelnen Titel im Index ist massgebend, sondern andere Kriterien wie die Volatilität, der Risikobeitrag oder das Momentum. «Diese nächste Generation der Smart-Beta-Konzepte steht für die Dynamisierung der Beta-Komponenten. Damit werden die Vorteile passiver Indexfonds mit der Dynamik und Flexibilität des aktiven Anlagemanagements perfekt kombiniert», erläutert Dr. Dunja Schwander, Geschäftsführerin der Helvetia Anlagestiftung. Die beiden Gefässe sind im Rahmen der Anlagestiftung spezifisch für Pensionskassen konzipiert. Bei der Variante 50 wird nur die Hälfte des Anlagevermögens dynamisch verwaltet, was jenen Pensionskassen entgegenkommt, welche eine nahe Orientierung am SPI wünschen. Die Variante 100 wird vollständig nach dem dynamischen Ansatz geführt. Beide Gruppen können von den Pensionskassen in der Asset Allocation den «Aktien Schweiz» zugerechnet werden und fallen nicht unter «alternative Anlagen», die für viele institutionelle Anleger inzwischen tabu sind.

Viele Sub-Indizes – je nach Börsenwetter 

Basierend auf dem Anlageuniversum des Swiss Performance Index und den 50 grössten Titeln daraus werden sechs verschiedene Sub-Indizes anhand von alternativen Kriterien gebildet (u.a. Momentum, Value oder Minium Volatility) und je nach Marktsituation unterschiedlich gewichtet. Dabei wird zwischen den drei strategischen Allokationen Offensiv, Neutral und Defensiv unterschieden. Die Gewichtung der einzelnen Indexfonds und damit die Strategiewahl wird von Vescore durchgeführt. Hier kommt das menschliche Element zum Einsatz: Ist der Anlageausschluss mehrheitlich positiv für Schweizer Aktien, wird das im Portfolio entsprechend umgesetzt. Eine prognosefreie Strategie bzw. mechanische Regeln werden derzeit nicht genutzt. Mit einer Total Expense Ratio von 0,45% bis 0,58% liegen die Angebote gebührenseitig sehr fair gegenüber ähnlich konzipierten ETFs oder Mandate-Lösungen. «Ähnlich wie in anderen europäischen Staaten wird auch in der Schweiz quer über alle Investorensegmente hinweg das Interesse an Smart-Beta-Angeboten wachsen», ist Dunja Schwander überzeugt. Jetzt müssen sich die Investoren – mit der richtigen Hilfe – nur noch das passende Angebot angeln. 

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