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payoff Focus

Ein Megatrend der besonderen Art

20.10.2015 12 Min.
  • Dieter Haas

Wegen einer relativen Konjunkturunabhängigkeit, hohen Eintrittsbarrieren und vor allem stabilen und planbaren Cashflows gewinnen Infrastrukturanlagen rasant an Bedeutung. Mit passiven Finanzprodukten lässt sich dieser Megatrend einfach und effektiv ins Portfolio holen.

Rund um den Globus werden derzeit gigantische Infrastrukturprojekte realisiert. Ein paar Beispiele: China baut im Nordwesten der Volksrepublik die Ningdong Energy and Chemical Industry Base, ein riesiges Energie- und Chemieindustrie-Areal. In Ostafrika entsteht die Mombasa-Kigali-Railway. Die 3’000 Kilometer lange Eisenbahnlinie soll Benin, Burkina Faso, Niger, die Elfenbeinküste, Nigeria und Togo miteinander verbinden und nicht zuletzt den Export von Rohstoffen erleichtern. Derweil baut die Türkei in Istanbul einen Grossflughafen. Er soll ab 2018 jährlich 150 Millionen Passagiere abfertigen. Zur gleichen Zeit ist die Inbetriebnahme der Crossrail durch London geplant. Für umgerechnet knapp CHF 22 Mrd. wird in der britischen Hauptstadt eine neue Schnellverkehrs-S-Bahn gebaut. Sie verbindet die Metropole über 40 Haltestationen von West nach Ost und soll die eisenbahnbasierte Transportkapazitäten in London um ein Zehntel erhöhen.

 

Grünes Licht am Gotthard

Auch die Schweiz kann derzeit mit einem Infrastrukturprojekt der Superlative aufwarten. Am 1. Oktober hat der Testbetrieb im Gotthard-Basistunnel begonnen. In den kommenden Monaten wird die längste Eisenbahnröhre der Welt auf Herz und Nieren geprüft. Mit mehr als 3’000 Testfahrten soll nachgewiesen werden, dass sie einwandfrei und vor allem sicher funktioniert. Am 1. Juni 2016 ist es dann soweit: An diesem Tag wird der Tunnel bei einem Staatsakt offiziell eröffnet. Mit bis zu 200 km/h sollen zu diesem Anlass zwei Züge von Norden und Süden her durch die 57 Kilometer lange Röhre donnern. Im Dezember 2016 möchte die SBB den fahrplanmässigen Betrieb aufnehmen. Wenn vier Jahr später auch im Ceneri-Basistunnel die Ampeln grün aufleuchten, ist das derzeit grösste Bauprojekt der Schweiz abgeschlossen. Laut Bundesamt für Verkehr belaufen sich die Gesamtkosten der Neuen Eisenbahn-Alpentransversale (NEAT) auf CHF 18.5 Mrd. Die Verantwortlichen versprechen sich dadurch zum einen die deutliche Verkürzung der Reisezeiten über die Alpen. Gleichzeitig soll der Verkehr verstärkt von der Strasse auf die Schiene verlagert werden.

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Experten unterscheiden zwischen wirtschaftlicher und sozialer Infrastruktur (siehe Schaubild). Die Palette reicht dabei vom Strassenbau über Stromversorgung und Kommunikationsnetze bis zu Gesundheitseinrichtungen. In den entwickelten Industrienationen besteht neben dem Bedarf an Neubauprojekten vor allem ein enormer Modernisierungsstau. Viele Einrichtungen sind veraltet und marode. Derweil geht es für die Schwellenländer darum, ihre Ausstattung dem technischen und wirtschaftlichen Fortschritt anzupassen. Bereits im Jahr 2007 brachte die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung die Bedeutung dieses Megatrends auf den Punkt: «Die langfristige zukünftige Leistung der OECD-Länder sowie der globalen Wirtschaft hängt zu einem wesentlichen Teil von der Verfügbarkeit einer adäquaten Infrastruktur ab.»

Dabei spielt die rasant zunehmende Weltbevölkerung eine zentrale Rolle. Ende Juli haben die Vereinten Nationen (UN) dazu ihre neueste Prognose veröffentlicht. Demnach soll die Zahl der Erdenbürger von derzeit 7.3 bis 2030 auf 8.5 Milliarden zunehmen. 20 Jahre später sollen bereits 9.7 Milliarden Menschen auf dem Planten leben, während die Schätzung für das Jahr 2100 bei 11.2 Milliarden liegt. Hauptverantwortlich für diese enorme Steigerung sind die Entwicklungsregionen. «Es wird erwartet, dass sich das Wachstum der Weltbevölkerung im Zeitraum 2015 bis 2050 zur Hälfte auf neun Länder konzentriert», schreiben die UN-Experten in einer Medienmitteilung. Mit Ausnahme der USA enthält diese Liste ausschliesslich Schwellen- und Entwicklungsländer. Beispiel Indien: Aktuell leben gut 1.3 Milliarden Menschen auf dem Subkontinent. Allein bis 2022 soll ihre Zahl um mehr als 8% zunehmen. Geht diese Prognose auf, würde Indien die Volksrepublik China als bevölkerungsreichstes Land der Welt ablösen. 

 

Enormer Investitionsbedarf

 

Vor allem die Emerging Markets müssen viel Geld in die Hand nehmen, um der erwarteten Entwicklung Herr zu werden. Zahlen zu dieser These kommen vom McKinsey Global Institute (MGI). Demnach sind bis 2030 weltweit mindestens USD 57 Bio. für den Bau von Häfen, Kraftwerken, Eisenbahnen, Strassen, Telekommunikation, Wassersystemen und anderen Einrichtungen nötig. 60% dieser gigantischen Summe entfallen auf die Emerging Markets. Allein den Anteil von China und Indien am globalen Investitionsbedarf taxiert die Forschungseinrichtung auf zusammen nahezu ein Drittel. (siehe Grafik). Geht es nach dem MGI, müssen die meisten Länder ihre Anstrengungen deutlich verstärken. Das Institut hat die im Prognosezeitraum erforderlichen Investitionen in Relation zu den historischen Ausgaben gestellt. Während die jährliche Lücke in Nordamerika und Westeuropa bei 0,5% bis 1,1% des Bruttoinlandsprodukts liegt, bewegt sie sich in Brasilien, Indien und Indonesien sogar zwischen 2% und 3%. Nicht selten würden fiskalische Zwänge die Lage verschärfen.

Das MGI skizziert einen Lösungsansatz: «Institutionelle Investoren und andere verfügen über ausreichend Mittel, um den Infrastrukturbedarf der Welt zu finanzieren.» Allerdings gelte das nur, solange die Projekte attraktiv sind. «Die Herausforderung besteht darin, Investoren zuversichtlich zu stimmen, dass sie ihr Geld zurückbekommen», schreiben die Experten. Dazu gelte es, vernünftige Projekte anzugehen, die realisiert werden und gut laufen. Gleichwohl würden die notwendigen Mittel und das zur Verfügung stehenden Kapital häufig deutlich auseinanderklaffen. «Public–Private Partnerships (PPPs) können helfen, diese Lücke zu verkleinern», meint das MGI. Dieser Begriff steht für die langfristig angelegte Zusammenarbeit zwischen öffentlicher Hand und Privatwirtschaft. Häufig kommt die PPP im Strassenbau zum Einsatz. Während Unternehmen beispielsweise eine Autobahn planen, finanzieren, bauen und betreiben, überlässt ihnen der Staat im Gegenzug die Mauteinnahmen. 

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Auch das Interesse privater Investoren nimmt stetig zu. Laut einer Publikation von Preqin gab es im Januar 2015 weltweit 31 unkotierte Infrastrukturfonds. Sie zeigten eine aggregierte Investitionssumme von USD 22.7 Mrd. Zum Vergleich: Anfang 2006 zählt der Datendienstleister gerade einmal fünf solche Vehikel, die sich um insgesamt USD 1.8 Mrd. bemühten. Punkten können diese Investments mit ihrer Eigenschaft als reale Anlage. Deutsche Asset & Wealth Management weist in einer Studie daraufhin, dass die Kombination aus Grundbesitz und technischen Einrichtungen vor allem in Krisenzeiten attraktiv sei. Als weiteres Argument für die Anlageklasse nennt die Investmentgesellschaft eine relative tiefe Korrelation zu den konjunkturellen Zyklen. Darüber hinaus könne die Regulierung dafür sorgen, dass die Erträge besser vorhersehbar sind. Deutsche Asset & Wealth Management nennt die diversifizierte Endnutzerbasis, hohe Eintrittsbarrieren sowie den potenziellen Inflationsschutz als weitere Vorzüge dieses Anlagesegments.

Trotz aller Besonderheiten können sich Infrastrukturinvestments den generellen Risiken des Kapitalmarktes nicht entziehen. Zuletzt machte dem Sektor die Angst vor einer stärkeren Wachstumsabschwächung in China zu schaffen. Hinzu kam die Dauerdebatte um die weitere Ausrichtung der Geldpolitik in den USA. Sowohl die Bremsspuren im Reich der Mitte als auch die anstehende Zinswende in der grössten Volkswirtschaft der Welt stellen vor allem für die Emerging Markets eine Bedrohung dar. Gleichwohl lassen die Turbulenzen auch den Rest der Welt nicht kalt. Das zeigt ein Blick auf den Maquarie Global Infrastructure 100 Index. In den ersten drei Quartalen 2015 gab dieser Börsengradmesser um knapp 14% nach. Das Universum des Benchmarks erstreckt sich über 48 Länder. In Frage kommen börsenkotierte Unternehmen, die Infrastruktur- und Versorgungsanlagen verwalten, besitzen oder betreiben. Die 100 grössten Titel aus diesem Fundus ziehen in den Index ein.

Per Ende August gaben dabei die Anbieter konventioneller Elektrizität mit einem Anteil von knapp 50% den Ton an. Eine wichtige Rolle spielten zudem die Betreiber von Pipelines – die Branche steuerte zum Stichtag 15,5% zu der Auswahl bei. Aus dieser Branche kommt auch das Schwergewicht, Kinder Morgan. Nach eigenen Angaben ist die US-Gesellschaft das grösste Energieinfrastruktur-Unternehmen Nordamerikas. Das Pipelinenetz der Texaner erstreckt sich über rund 84’000 Meilen. Über diese Leitungen werden neben Erdgas und Rohöl auch Raffinerieerzeugnisse sowie Kohlendioxid transportiert. Zudem können in insgesamt 165 Terminals zahlreiche Produkte, beispielsweise Benzin, Kerosin oder Ethanol gelagert und bearbeitet werden.  

Bremsspuren im US-Energiesektor

Mit dieser Infrastruktur ist Kinder Morgan im Epizentrum des jüngsten US-Ölbooms positioniert. Bekanntlich haben die Staaten in den vergangenen Jahren das so genannte Fracking massiv forciert. Bei dieser Fördermethode wird mit bestimmten Chemikalien und Sand versetztes Wasser unter hohem Druck in dichte Gesteinsmassen gepresst, um Öl und Gas zu gewinnen. Dank der Technologie steigerten die USA ihre Produktion enorm. Die U.S. Energy Information Administration (EIA) geht davon aus, dass 2015 landesweit im Schnitt pro Tag 9.2 Mio. Barrel Rohöl gefördert werden. Damit hätte sich die Menge innert vier Jahren um annähernd zwei Drittel erhöht. Allerdings hinterlässt der starke Preisverfall beim schwarzen Gold – auf Sicht von zwölf Monaten hat sich der Energieträger um mehr als die Hälfte verbilligt – mittlerweile Spuren. Der Sektor hat seine Investitionen deutlich zurückgeschraubt. In Folge dessen rechnet die EIA damit, dass die Produktion im kommenden Jahr erstmals seit 2008 schrumpft. Mit erwarteten 8.8 Mio. Barrel pro Tag sollten die Pumpen dennoch auf Hochtouren laufen. Insofern dürften gerade die Midstream-Unternehmen weiterhin gut zu tun haben.

Die Einnahmen des Sektors sind ohnehin relativ unabhängig von den Rohstoffpreisen. Pipelines werden ähnlich wie Mautstrassen bewirtschaftet. Nach Angaben von Kinder Morgan basieren die für 2015 erwarteten Cashflows des Unternehmens zu etwa 85% Prozent auf Gebühreneinnahmen. Weitere 9 Prozentpunkte seiner Mittelzuflüsse hat der nordamerikanische Branchenkrösus abgesichert. Der starken Kurskorrektur konnte diese Prognose keinen Abbruch tun. Von Januar bis September 2015 büsste Kinder Morgan mehr als ein Drittel an Börsenwert ein. 

Diversifizierte ETF-Lösung

Gerade für langfristig orientierte Anleger könnte die jüngste Schwäche im Infrastrukturbereich eine Einstiegsgelegenheit bedeutet. Eine diversifizierte Positionierung ist über dem vorgestellten Maquarie Global Infrastructure 100 Index möglich. iShares handelt an der SIX einen Exchange Traded Fund (Valor 2758574) auf diesen Gradmesser. Der ETF bildet seinen Benchmark physisch ab. Das heisst, sämtliche Bestandteile liegen analog zu ihrer Indexgewichtung im Fondsvermögen. Die Assets under Management (AuM) des 2006 lancierten Vehikels belaufen sich aktuell auf umgerechnet knapp CHF 370 Mio. iShares taxiert die jährliche Gesamtkostenquote auf 0,65%. Allfällige Dividenden der im Index enthaltenen Unternehmen gibt der weltgrösste ETF-Anbieter in vierteljährlichen Ausschüttungen an die Fondsinhaber weiter.

iShares Global Infrastructure ETF vs. MSCI World

Über einen passiven Indexfonds können Anleger auch gezielt in den US-Energieinfrastruktursektor investieren. ETFs Securities brachte vor gut einem Jahr einen solchen ETF (Valor 24401719) an die Schweizer Börse. Er bildet den Solactive US Energy Infrastructure MLP Index ab. Wie der Name sagt, fokussiert dieser Benchmark auf Master Limited Partnerships (MLPs). Diese Rechtsform geht auf eine Initiative aus dem Jahr 1987 zurück. Der damalige Präsident Ronald Reagan wollte etwas für die Energiesicherheit der Staaten tun. Bis heute sind MLPs steuerlich begünstigt. Sie zahlen anders als herkömmliche Aktiengesellschaften keine Einkommenssteuer. Anspruch auf diese Privilegierung haben Firmen, die in Bereichen wie der Förderung und dem Transport von Rohöl und Erdgas tätig sind.

Die Methodik des US Energy Infrastructure MLP Index sieht eine Sortierung der in Frage kommenden Unternehmen nach der erwarteten Dividendenrendite sowie der Kontinuität ihrer Ausschüttungen vor. Am Ende des Auswahlprozesses steht eine mit 25 gleich gewichteten MLPs bestückte Liste. Im ETF-Mantel ist der Benchmark gegen eine Gesamtkostenquote von 0,45% p.a. zu haben. Auch bei diesem Fonds findet eine vierteljährliche Ausschüttung statt. Dies konnte allerdings nichts daran ändern, dass der Ausverkauf am Ölmarkt tiefe Spuren in der Produktperformance hinterlässt: Auf Sicht von zwölf Monaten verbilligte sich der ETF um 45%. Gerade als langfristige Depotbeimischung wirkt der Fonds auf dem nun erreichten Niveau durchaus interessant. Schliesslich ist der Energiebedarf der USA ungebrochen. Um diesen zu stillen, führt an einem schlagkräftigen Versorgungsnetzwerk kein Weg vorbei. 

Tracker mit Aufholjagd

Derweil ist das Angebot an Infrastrukturanlagen am heimischen Markt für strukturierte Produkte stark ausgedünnt. Mittlerweile verfügt die UBS hier über ein Alleinstellungsmerkmal. Bereits 2006 lancierte die Grossbank ihr Tracker-Zertifikat (Valor 2802773) auf den Solactive Infrastructure Rotator Index. Dieser Benchmark greift auf mehrere Teilsegmente zurück. In Frage kommen Flughafenbetreiber, Häfen, Kommunikations- und Mautunternehmen sowie breit aufgestellte Infrastrukturkonzerne. Vierteljährlich erfolgt eine Anpassung der Auswahl. Dabei werden die Subindizes nach ihrer historischen Drei-Monats-Performance sortiert. Die vier stärksten Sektoren ziehen mit Anteilen zwischen 40% und 10% in den Gradmesser ein. Seit der Emission gab das Tracker-Zertifikat deutlich nach und hinkte damit dem globalen Aktienmarkt weit hinterher. Zuletzt startete das Derivat jedoch eine Aufholjagd. Auf Sicht von zwölf Monaten steht ein Plus von 7,6% zu Buche. Zum Vergleich: Der MSCI World Index gab in diesem Zeitraum um mehr als 7% nach. Die Chancen stehen gut, dass das Partizipationsprodukt weiter Boden gut macht. Schliesslich dürfte die globale Liste mit gigantischen Infrastrukturprojekten auch in Zukunft kaum ausdünnen.   

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