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payoff Focus

Ein Mix aus Hoffnung und Sorgen

06.01.2023 7 Min.
  • Serge Nussbaumer
    Chefredaktor

Schwankungen sind an den Aktienmärkten auch im Jahr 2023 vorprogrammiert. Allerdings könnte sich das übergeordnete Bild allmählich wieder aufhellen und in bestimmten Segmenten sogar wieder zu steigenden Kursen führen. Wir geben einen Überblick darüber, was Anleger vom neuen Jahr erwarten können und welche Chancen sich bieten.

Nachdem die Aktienmärkte das vergangene Jahr mit einem massiven Abschwung beendet haben, überwiegt bei vielen Anlegern die Hoffnung, dass sich 2023 ganz anders anfühlen könnte. Zwar drohen die «vier apokalyptischen Reiter», Inflation, Krieg, Rezession und Pandemie, auch das neue Jahr in ihren Bann zu ziehen. Allerdings hat die Vergangenheit schon oft bewiesen, dass sich aus einem Abschwung häufig der nächste Aufschwung herausbildet.

Schätzungen vs. Realität

Nach und nach wagen sich auch immer mehr Research-Häuser aus der Deckung und malen ihre Szenarien für die Kapitalmärkte in 2023 auf buntes Hochglanzpapier. Wie es sich für «Berufsoptimisten» gehört, fallen die Ausblicke reihum positiv aus. Geht es nach dem Gros der Analysten, dürften in den kommenden Monaten trotz der zahlreichen Stolpersteine die Pluszeichen wieder überwiegen. Laut Datensammler Factset sagt der Konsens für den S&P 500, den inoffiziellen globalen Leitindex, ein Kursziel von 4493 Punkten voraus, das entspricht einem ordentlichen Potenzial von knapp 17%. Allerdings ist das mit den Prognosen so eine Sache, gerne fallen diese nämlich übertrieben optimistisch aus. Eine Analyse der letzten 20 Jahre zeigt, dass die Experten mit ihren Schätzungen im Schnitt um 8.3% darüberlagen. Sollte das auch für 2023 gelten, würde der Sprung deutlich geringer ausfallen. Dann würde sich ein Schlusswert von 4122 Punkte errechnen, ein Plus von 7.2%.

Betrachtet man das aktuelle makroökonomische Bild, lässt sich tatsächlich Licht am Ende des Tunnels erkennen. Von der Inflationsseite kam bereits eine kleine Entwarnung. So gingen die Verbraucherpreise im November in den USA das fünfte Mal in Folge zurück. Selbst wenn die Notenbanken reihum weiter warnen, die Zinszügel noch längere Zeit anzuziehen, besteht die Hoffnung, dass dies deutlich langsamer geschieht als noch in 2022. Das zeigte sich bereits auf der letzten Sitzung im Dezember, als die Fed und die EZB die Leitsätze «nur» noch um 0.50 Prozentpunkte anhoben und damit von den vorigen Jumboschritten um 0.75 Prozentpunkte abrückten. Eine weniger scharfe Geldpolitik erhöht auch die Chancen, dass der Wirtschaft eine sanfte Landung gelingt. 

Zeitenwende

Freilich die Konjunktur, insbesondere im Euroraum, ist auf Rezessionskurs. Aufgrund der Energiekrise sowie der globalen Wirtschaftsflaute und den verschärften Finanzierungsbedingungen geht EZB-Chefin Christine Lagarde im 4. Quartal 2022 und im Auftaktvierteljahr 2023 von einer Schrumpfung der Wirtschaft aus, doch dürfte eine Rezession relativ kurz und milde verlaufen. Schwankungen an den Märkten sind angesichts dieser Aussichten vorprogrammiert. Doch auch wenn es in der ersten Jahreshälfte noch etwas ruppiger zugehen dürfte, sollten Anleger nicht den Kopf in den Sand stecken. «Am Aktienmarkt steigen die Kurse in der Regel immer dann am stärksten, wenn die wirtschaftliche Lage zwar noch schlecht ist, sich jedoch wieder verbessert», konstatiert Ulrich Stephan, Chefanlagestratege bei der Deutschen Bank. Ähnlich optimistisch zeigt sich auch UBS CIO Mark Haefele: «Wir sehen ein Jahr der Wendepunkte vor uns.»

Nun blindlings in den Markt zu springen, dürfte trotzdem nicht zielführend sein. Vielmehr raten die Experten vermehrt zu einer selektiven Wahl. Deutsche Bank-Stratege Stephan kann sich beispielsweise vorstellen, dass Unternehmen, die zur Modernisierung und Digitalisierung der Wirtschaft sowie zur Energiewende beitragen, 2023 outperformen werden. Die Digitalisierung steht auch bei der UBS im Fokus. Bereits seit Jahren wirbt die Grossbank mit dem Slogan «Jahrzehnt der Transformation» und sieht unter anderem im Bereich der IT-Security gute Chancen. Aber auch die UBS hat eine konservative Ader und rät, sich in den ersten Monaten 2023 aufgrund der erwarteten Konjunkturdelle eher defensiv und wertorientiert zu positionieren. Defensive Sektoren sind nämlich unabhängiger von einer Wirtschaftsschwäche und Value-Aktien entwickeln sich auch bei einer hohen Inflation tendenziell gut. In das gleiche Horn bläst Werner Krämer, Analyst bei Lazard Asset Management: «Unsicherheit und Volatilität dürften anhalten. Es empfiehlt sich deshalb eine eher defensive Ausrichtung, also Fokus auf Qualität und nicht unbedingt auf Wachstum.»

Wertorientiert investieren

«Kaufe einen Dollar, aber bezahle nicht mehr als 50 Cent dafür», lautet eine bedeutende Aussage von Value-Investor Warren Buffet. Mit seiner Beteiligungsgesellschaft Berkshire Hathaway ist die Börsenlegende laufend auf der Suche nach unbewerteten Unternehmen. Der Kursverlauf der Berkshire-Aktie unterstreichst sein Know-how: Seit 2006 legte der Kurs um 400% zu und damit rund doppelt so schnell wie der Gesamtmarkt. Das Können des Altmeisters und noch weiterer Value-Experten deckt der Solactive Value Investoren Index ab. In diesem Strategie-Index sind neben Buffet weitere 14 Investmentgesellschaften enthalten, die Jagd auf unterbewertete Titel machen, wie zum Beispiel der globale Asset-Manager Artisan Partners oder auch der chinesische Milliardär Li Ka-Shing mit seiner CK Hutchison Holdings. Ein Blick auf den historischen Kursverlauf unterstreicht die Expertise der Anlageprofis: Seit dem Start im Juli 2012 legte der Gradmesser um 193% zu, das entspricht einer durchschnittlichen Performance von 10.9% p.a. Jährliche Überprüfungen sorgen dafür, dass die Zusammensetzung und Gewichtung der Index-Mitglieder stets an das aktuelle Marktgeschehen angepasst werden.

Eine andere Möglichkeit, diese Strategie anzuwenden, bietet das im Februar dieses Jahres emittierte Partizipationspapier der Bank Vontobel auf den Vontobel Swiss Equity Value Index. Die Strategie der Privatbank zielt darauf ab, Aktien auf dem heimischen Markt zu finden, welche die höchste Wertprämie aufweisen. Diese leitet sich aus Bewertungsmultiplikatoren wie zum Beispiel der Gewinn- und Dividendenrendite ab. Aktuell lauten die Top-5-Titel Adecco, Helvetia, Bâloise, Swiss Re und Holcim. Im Vergleich zu dem UBS-Produkt fallen die jährlichen Managementkosten mit 1.25% p.a. aber merklich höher aus.

Apropos Dividenden, Anleger können dieses Kriterium auch in den Vordergrund ihrer Investitionsentscheidung stellen. «Ein einstelliges Dividendenwachstum sollte für viele Unternehmen im kommenden Jahr ein erreichbares Ziel bleiben», sagt DWS-Fondsmanager Thomas Schüssler. Seiner Ansicht nach führt eine Rezession nämlich nicht automatisch zu Dividendenausfällen. Die historische Entwicklung zeigt einen klar positiven Trend. In den vergangenen zehn Jahren hat die weltweite Dividendensumme um rund 50% zugenommen. Eine Möglichkeit, global auf ausschüttungsfreudige Unternehmen zu setzen, bietet der Global Quality Dividend Payers Index. Mit dem Barometer lassen sich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Zum einen gewährt der Index Zugang zu dividendenstarken Aktien, zum anderen überzeugen die Unternehmen auch hinsichtlich Qualität und Substanz. Wer die rein Schweizer-Dividendenkarte spielen möchte, ist mit dem Tracker auf den DividendenAdel Schweiz Index von Leonteq bestens bedient. Das Expertenteam rund um den erfahrenen Investor Christian Röhl hält den Index stets up-to-date. Ein wichtiger Punkt: Sowohl bei dem UBS- als auch Leonteq-Papier werden die Ausschüttungen der Mitglieder in der Performance berücksichtigt.

Grün gewinnt

Abseits der erwähnten defensiven Strategien lässt sich mit dem Fokus auf Energie und Technologie auch ein offensiver Anlageansatz wählen. Nicht erst seit der von Russland ausgelösten Energiekrise sind regenerative Quellen hoch im Kurs, bereits seit Jahren steht der Übergang zu einer klimafreundlichen Energiegewinnung auf der globalen Agenda. So manche Region verschärft dabei sogar das Tempo. So hat die EU-Kommission ihren «RePowerEU-Plan» zur Reform des europäischen Energiesystems vorgestellt und ihre Ziele angehoben. Der Anteil der erneuerbaren Energien bis 2030 soll nicht wie bisher auf 32%, sondern nun auf 45% zunehmen.

Eine neue Möglichkeit in die Themen Klimaschutz, Ökologie und Nachhaltigkeit zu investieren, hat die Société Générale mit dem Index-Zertifikat auf den European Renewable Energy Index kürzlich auf den Markt gebracht. Das breit gestreute Barometer setzt auf Unternehmen aus Bereichen wie Wasserkraft, Wind- und Solarenergie und ermöglicht damit ein «grünes» Pure-Play-Investment. Die Managementgebühr liegt bei vertretbaren 0.80% p.a., eventuelle Netto-Dividenden der Indexmitglieder werden im Gegenzug reinvestiert.

Vom Loser zum Gewinner

Sinkende Inflationsraten und eine damit einhergehende Abnahme der Zinsängste könnten auch die Tech-Werte wieder aufs Tapet der Anleger bringen. «Attraktivere Kaufgelegenheiten für zyklische und Wachstumswerte könnten sich im späteren Jahresverlauf ergeben, wenn die Inflation nachlässt und das globale Wachstum anzieht», heisst es dazu beim Ausblick der UBS auf das Börsenjahr 2023. Am einfachsten und zielführendsten lässt sich das Thema mit einem ETF auf den Nasdaq 100 umsetzen. Der Index tauchte im vergangenen Jahr um rund ein Drittel ab und schnitt damit um 13 Prozentpunkte schlechter ab als der S&P 500. Eine Underperformance gegenüber den Standardwerten ist allerdings eher selten. Auf Sicht von fünf Jahren beträgt der Vorsprung der Tech-Titel 30 Prozentpunkte, auf 10 Jahre sind es sogar mehr als 150 Prozentpunkte. Im Nasdaq 100 sind Big Player wie Amazon und Microsoft ebenso enthalten wie weniger bekannte, aber durchaus nicht minder attraktive Unternehmen wie der Medizinroboter-Hersteller Intuitive Surgical oder auch der IT-Security-Spezialist Palo Alto Networks.

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