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payoff Focus

Emerging Markets: Das Wachstum geht weiter

27.10.2015 12 Min.

IViele Schwellenländer befinden sich aktuell in der Zange zwischen Wirtschaftsabkühlung und drohender Zinswende in den USA. Trotz Bremsspuren in den Börsenkursen der Emerging Markets, begehren unaufhaltsam zwei Milliarden neue Konsumenten in den nächsten Jahren nach westlichem Lebensstandard. Für Anleger eine gute Zeit, um sich zu attraktiven Kursen einzudecken.

Wie sich die Zeiten doch ändern: Im Jahr 2001 starte unter der Abkürzung «BRIC» das vierbuchstabige Synonym für die aufstrebenden Volkswirtschaften der Welt. Brasilien, Russland, Indien und China sorgten in den Chefetagen der Konzerne für viel Phantasie in den Geschäftsplänen. Auch für Investoren begann eine Goldgräberzeit. Gross waren die Erwartungen – vor allem aus Marketingsicht – an die vier führenden Emerging Marktes. Lange Zeit wurden die versprochenen «Performancewunder» auch eingehalten. Wer beispielsweise im Jahr 2002 beginnend CHF 10‘000 in den brasilianischen Aktienindex Bovespa investiert hat, verdoppelte binnen zwei Jahren sein Vermögen – Anleger, die 10 Jahre investiert blieben, erhielten im Jahr 2012 satte CHF 50‘000 zurück. Wer sein Geld in den 2000er Jahren gar in kleinere Emerging Markets investiert hat – zum Beispiel Polen oder Mexico – muss nicht mehr arbeiten. Der Warschauer Aktienmarkt hat sich verfünfzigfacht, der mexikanische Leitindex IPC knapp verzehnfacht. Damoklesschwert bei diesen Rekordzahlen ist, man ahnt es, der Schweizer Franken. Die  Wechselkursentwicklung sollte aus Anlegeroptik nicht ausser Acht gelassen werden. Dennoch sorgten Schwellenländer im Portfolio für hohe Renditen, doch zuletzt nahm die Party ein abruptes Ende.  

 

Putin verschreckt die Anleger

Während die Leitindizes Chinas und Indiens noch prozentual zweistellige Kurszuwächse aufweisen, tauchten die Börsen in Russland und Brasilien kräftig ab. Beim Schlusslicht Russland steht gar ein Verlust der Hälfte der Marktkapitalisierung zu Buche. Der Grund für diesen Absturz liegt auf der Hand: Die Sanktionen des Westens im Zuge der Ukraine-Krise haben die Wirtschaft sprichwörtlich «absaufen» lassen. Nach einem Minus beim Bruttoinlandprodukt (BIP) um 2,2 Prozent im ersten Quartal, schrumpfte die Konjunktur von April bis Juni im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 4,6 Prozent. Das war der grösste Rückgang seit dem Krisenjahr 2009. Der Kreml erwartet zwar am Jahresende «nur» ein Minus von 2,8 Prozent, allerdings dürfte dies Schönmalerei sein. Der IWF geht für 2015 von einem Rückgang von 3,4 Prozent aus. Noch schneller abwärts als mit den Aktienkursen ging es zuletzt mit der Währung. 2014 hat der Rubel gegenüber dem US-Dollar nahezu um 50 Prozent abgewertet. Im laufenden Jahr ging es weitere 14 Prozent bergab. Zu den Sanktionen und dem Währungsverfall kommt auch noch der niedrige Ölpreis hinzu. Russland unter Druck setzt. Das Land ist stark von seinen Öl- und Gasverkäufen abhängig. 

Samba vorerst auf Sparflamme

Auch auf einem anderen Teil der Erde zeigen sich vergleichbare Entwicklungen. Die brasilianische Währung gab in diesem Jahr bereits 35 Prozent zum US-Dollar nach und markierte trotz Intervention der Notenbank zuletzt ein Allzeittief. Auslöser für den scharfen Rücksetzer sind unter anderem eine sich verschlechternde Staatsfinanzierung sowie eine bevorstehende politischen Krise. «Der Streit um die Haushaltspolitik macht Anleger nervös», sagt Reginaldo Galhardo, Chef-Devisenhändler des Brokerhauses Treviso. Einem Medienbericht zufolge trifft Staatspräsidentin Dilma Rousseff mit ihren Plänen zu Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen auf starken Widerstand. Dabei wären diese dringend nötig. Wie schlecht es um die Finanzen des Landes steht, zeigt sich an einer Schelte der Rating-Agentur Standard & Poor’s (S&P). Diese hat brasilianische Anleihen neu als «Ramsch» eingestuft. Sollte sich das Haushaltsdefizit nicht bald verringern,  könnten andere Bonitätswächter dem Beispiel von S&P folgen. Auch wirtschaftlich kommt Brasilien nicht auf die Beine. «Das Land du¨rfte in diesem Jahr deutlich schrumpfen (-2,6 Prozent), und auch im kommenden Jahr ist noch keine Ru¨ckkehr zu positivem Wachstum in Aussicht», prognostiziert Deka-Ökonom Mauro Toldo. Dass sich bei derartig schwachen Aussichten die Katerstimmung bei den «Samba-Aktien» so schnell nicht auflösen dürfte, versteht sich von selbst. 

Chinas unterschätztes Powerplay

Neben den zum Teil hausgemachten Problemen am Zuckerhut und einem geopolitischen Krisen-Parcours in Russland, sorgt auch die USA mit einer erwarteten Veränderung des Zinszyklus für Unsicherheiten in den Schwellenländern. Während sich die meisten Staaten nämlich gerade auf Zinssenkungskurs befinden, würde eine Anhebung der Leitsätze in Übersee einen Abzug des Kapitals in Richtung USA bedeuten. Und genau in dieser angespannten Gemengelage scheint auch noch der Wachstumslokomotive China die Puste auszugehen – doch trügen die nüchternen Statistiken: Zwar haben chinesischen Aktien seit Sommer rund ein Fünftel verloren («China-Crash»), doch muss auch erwähnt werden, dass der lokale Aktienmarkt in rund zwei Jahren nahezu ununterbrochen haussiert hat. Weiterhin gibt es in China derzeit 213‘150‘000 Depots, was nach viel tönt, doch geschätzte 70% kommen nicht über ein Depotvolumen von USD 2‘000. China ist aus Statistik-Sicht das «Reich der Missverständnisse». 

Geteilte Meinungen

Entsprechend geteilt sind die Meinungen der Volkswirte und Analysten. «Da die Regierung auf die Wirtschaftsschwa¨che der vergangenen Monate eher zo¨gerlich reagiert hat, halten wir es mittlerweile fu¨r wahrscheinlich, dass man bereit sein wird, das Wachstumsziel fu¨r 2015 flexibel auszulegen und das Ziel fu¨r das kommende Jahr auf 6,5 Prozent zu senken», zeigt sich der Volkswirt des deutschen Fondsprimus Deka, Janis Hübner, pessimistisch. Dagegen hält Lukas Daalder, Chief Investment Officer bei Robeco Investment Solutions:  «Die Abwertung des Renminbi bedeutet, dass China einen Teil der Bürde ‚Wachstumsverlangsamung‘ auf die restliche Welt verlagert. Eine Währungsabwertung von drei Prozent ist weder schockierend noch überzogen», meint Daalder. Auch Christina Böck von AXA Investment Managers stellt klar: «Gehen wir einen Schritt zurück, dann sehen wir, dass die Aktienmärkte in China nach einem rasanten Anstieg auf das Niveau vom Januar dieses Jahres zurückgefunden haben – nicht mehr und nicht weniger.» Es ist ein schmaler Grad, welche die Regierung in Peking derzeit gehen muss. Auf der einen Seite möchte sie die Wirtschaft unabhängiger von den Exporten machen und die Binnenwirtschaft ankurbeln, auf der anderen Seite bremsen diese Reformbestrebungen das Wachstum. Anleger müssen sich erst einmal mit dem Gedanken anfreunden, dass das lange boomende Reich, plötzlich nicht mehr so boomt.

Indien vor Neuanfang

Auch beim Nachbarn Indien macht man sich Sorgen um die hohen Wachstumsraten der Vergangenheit. Legte das BIP 2010 noch zweistellig zu, waren es im vergangenen Jahr «nur» noch 7,2 Prozent. Für das im März 2016 endende Fiskaljahr gehen offizielle Stellen von einem Wachstum im Bereich von acht Prozent aus. Ganz so optimistisch ist der Internationale Währungsfonds (IWF) zwar nicht, doch trauen auch die IWF-Ökonomen dem Subkontinent ein Plus von 7,5% zu. Dagegen wird Peking 2015 wohl erstmalig seit 1990 ein Wachstum von weniger als sieben Prozent verkünden müssen. Für Schub sorgt derzeit der in 2014 gewählte Ministerpräsident Narendra Modi. Dieser hat dem riesigen Land im Rahmen seines fünfjährigen Mandats ein Fitnessprogramm  zur «Schaffung von Wachstum und Neugestaltung» verordnet. Und dieses zeigt Wirkung, im ersten Quartal lag die Wachstumsrate bei 7,5%, im zweiten Viertel nur leicht schwächer bei sieben Prozent. Einige Experten trauen dem Land sogar zu, China langfristig als Konjunkturlokomotive abzulösen. «Die indische Volkswirtschaft du¨rfte sich im Vergleich zu vielen anderen in den kommenden Quartalen recht ordentlich schlagen», sagt Hübner. Seiner Ansicht nach spricht die geringe Abha¨ngigkeit von Exporten für das Land. «Zudem ist Indien ein Netto-Rohstoffimporteur und profitiert daher von den niedrigen Rohstoffpreisen», so der Experte. Indien leidet trotz dem Ruf als IT-Zentrum der Welt bis dato unter chronischen Infrastrukturproblemen: Keine durchgehende Stromversorgung, mangelnde Verkehrsinfrastruktur und katastrophale Zustände bei den Strassen. Transportminister Nitin Gadkari hat als Gegenrezept kürzlich ein milliardenschweres Investitionsprogramm bekannt gegeben, das in zwei Jahren für zwei Prozentpunkte zusätzliches Wachstum sorgen soll. Gadkari rührt entsprechend gross an: Binnen drei Jahren will sein Ministerium Projekte im Wert von über USD 75 Milliarden realisieren – Rekord für indische Verhältnisse. Zudem sollen 100 «intelligente Städte», die durch ein Netz von Autobahnen und Schnellzügen verbunden werden, umgesetzt werden. Von diesem positiven Investitionszyklus sollte die indische Wirtschaft in den kommenden Jahren profitieren. 

Investieren in China und Indien

Aus Anlegersicht könnte sich angesichts der langfristigen Wachstumschancen ein Investment in Indien durchaus lohnen. Dafür eignen würde sich der Tracker-Zertifikat auf den MSCI India Daily Net TR Index der UBS (Valor 27826941). Das in US-Dollar denominierte Produkt verfügt über eine Endloslaufzeit und berücksichtigt die Dividendenzahlungen der Mitglieder. Der Basiswert setzt sich aus 70 Unternehmen zusammen. Mit einem Anteil von 10,6 Prozent ist das IT-Unternehmen Infosys das Schwergewicht. «Information Technology» ist zugleich mit 22,5 Prozent auch der bedeutendste Sektor in dem Index. Damit die Zusammensetzung frisch bleibt wird die Benchmark vier Mal im Jahr, im Februar, Mai, August und November, überprüft. Für diesen Prozess erhebt die Emittentin eine jährliche Managementgebühr von 1,8 Prozent. Die langfristige Performance des MSCI India Index überzeugt: Auf Sicht von zehn Jahren bringt es das Barometer auf eine jährliche Rendite von 13,7 Prozent. Der MSCI Emerging Markets und MSCI BRIC liegen rund drei Prozentpunkte dahinter. Eine Wette wert sein könnte trotz der aktuellen Schwäche auch China. Für den Fall, dass die Optimisten recht bekommen und das Reich der Mitte derzeit nur dabei ist, kontrolliert Luft aus der Blase zu lassen und noch gar nicht angefangen hat, der Abschwächung gegenzusteuern, könnte ein Blick auf den Tracker von der Bank Vontobel auf den DAXglobal China Urbanization Performance-Index (Valor 10952193) lohnen. Mit diesem lässt sich speziell auf das Wachstum der chinesischen Städte setzen, die von dem Reformkurs der Regierung besonders profitieren sollten. In dem Index sind die Aktien von insgesamt 20 Unternehmen aus den Sektoren Automobilindustrie, Baugewerbe, Infrastruktur und Transport sowie Immobilien und Energieversorgung versammelt. Die Indexüberprüfung und Gleichgewichtung der Komponenten zu je fünf Prozent findet einmal jährlich statt. Die Managementgebühr beträgt 1,2% p.a. Aufgrund der Konzeption als Performance-Index werden die Dividenden reinvestiert.

 
Die globale Emerging Markets-Karte ziehen  

Geht es nach GAM-Fondsmanager Tim Love, fällt der Ausblick für Schwellenländeraktien sehr positiv aus: «Wir glauben, dass sich die Aktienkurse über einen Zeitraum von drei Jahren verdoppeln könnten.» Der Experte führt drei Gründe auf: Erstens sind seiner Ansicht nach Schwellenländeraktien im historischen Kontext sehr tief bewertet. Zweitens sind Schwellenländer, trotz ihres bedeutenden Anteils am globalen BIP, in weltweiten Indizes und in den Portfolios vieler Investoren unterrepräsentiert. Und drittens könnten sich Emerging Markets-Aktien im Hinblick auf eine Zinserhöhung der US-Zentralbank durchaus robuster zeigen und andere Märkte outperformen. Ein weiterer Grund, welcher für die aufstrebenden Nationen spricht ist die Bereitschaft der Regierungen, sich gegen eine Wirtschaftsabschwächung zu stellen. Nicht nur das Reich der Mitte und Indien greifen mit milliardenschweren Programmen der Konjunktur unter die Arme, auch kleinere Staaten wie Südkorea oder Thailand bleiben ebenfalls nicht untätig. Die Regierung in Bangkok macht derzeit zum Beispiel rund USD 5 Milliarden locker, um vor allem kleinere und mittelständische Unternehmen zu unterstützen. Zudem soll die Körperschaftssteuer von derzeit bis zu 15 auf zehn Prozent begrenzt werden. Südkorea gibt sogar mehr als doppelt so viel aus, um die Binnennachfrage zu beleben. Anleger, die sich also nicht auf eine Region festlegen und sich die Emerging Markets breit diversifiziert als Beimischung ins Depot holen möchten, sind mit dem ETF von Amundi auf den MSCI Emerging Markets Index gut beraten. Der Basiswert umfasst 834 Unternehmen aus 23 Schwellenländern. Das Finanzprodukt kommt mit einer günstigen Verwaltungsgebühr von 0,2 Prozent p.a. aus. Dass man dabei aber einen langfristigen Anlagehorizont mitbringen sollte, zeigt ein Blick in die Historie. Im Renditevergleich mit dem MSCI All Country World Index liegt das Emerging Marktes Barometer auf Drei- und Fünf-Jahres-Sicht hinten. Im Zeitraum von zehn Jahren befinden sich beide mit einem durchschnittlichen jährlichen Ertrag von etwas mehr als fünf Prozent gleichauf.

Smart Beta für aufstrebende Märkte

Wer auf eine Smart Beta Lösung im Bereich der Emerging Markets setzen möchte, kann über ein Engagement im MYRA Emerging Markets Allocation Fund (ISIN: LU1015898627) nachdenken. Dieser Fonds der Investmentboutique MYRA Capital setzt gleichgewichtet – und damit bewusst nicht kapitalisierungsgewichtet – auf den MSCI Emerging Markets Index und balanciert somit Übertreibungen aus. Zusätzlich zeichnet sich der Fonds durch eine dynamische Allokationssteuerung zwischen Schwellenländeraktien und deutschen Anleihen aus. Somit ist der Anleger mit einer Art Airbag ausgerüstet. Gerade in der jüngsten Abwärtsphase konnte der MYRA Emerging Markets Allocation Fund  gegenüber der klassischen Benchmark deutlich besser – rund 7% seit 30.06.2015 – abschneiden. Als schlichten ETF verpackt offeriert das US-Investmenthaus Guggenheim mit seinen MSCI Emerging Markets Equal Country Weight ETF (ISIN: US78355W5360) die Plain-Vanilla-Variante des oben genannten Anlagekonzepts. Dieser ETF ist derzeit allerdings nur an der New York Stock Exchange kotiert, was mit dem richtigen Broker (u.a. Swissquote, UBS, Credit Suisse oder auch PostFinance) aber kein Problem ist. Anleger mit Weitsicht und passendem Risiko-Profil sollten jetzt die Möglichkeiten prüfen zu attraktiven Bewertungsniveaus einzusteigen. Ob «BRIC» als Quartett zum alten Glanz zurückfindet ist ungewiss, dass zwei Milliarden neuen Konsumenten aus den Schwellenländern an der praktischen Verbesserung ihres Lebensstandards arbeiten ist dagegen sicher – und als Investment-Thema nach wie vor hochspannend.  

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