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Frontier-Märkte: Drei Faktoren könnten für eine Trendwende sorgen

07.10.2019 7 Min.
  • Oliver Bell, Portfoliomanager der Middle East & Africa Equity and Frontier Markets Equity Strategy

Nach einem schwierigen Jahr 2018 könnten in den kommenden Monaten drei Faktoren für eine Trendwende an den Frontier-Märkten sorgen.

Die zuletzt schwache Entwicklung der Frontier-Märkte war aufgrund ihrer geringen Korrelation mit dem globalen Konjunkturzyklus weniger der weltweiten Wachstumsverlangsamung, sondern vor allem landesspezifischen politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen zuzuschreiben.
 

Belastet wurden die Finanzmärkte dieser Länder vor allem durch die Finanzkrise 2018 in Argentinien, die negative Stimmung der Anleger gegenüber Saudi-Arabien, das politische Führungsvakuum in Sri Lanka sowie steuerpolitische Massnahmen für den Finanzsektor in Kenia und Rumänien. Da die Probleme mittlerweile ganz oder teilweise gelöst wurden, könnte das Jahr 2019 einen Wendepunkt markieren.

Drei Faktoren könnten den Märkten Auftrieb geben

Allgemein erkennen wir drei Faktoren, die an den Frontier-Märkten für Aufwärtspotenzial sorgen könnten: die anstehenden Wahlen, die Neueinstufungen in den MSCI-Indizes sowie die geo- und handelspolitischen Entwicklungen.

Richtungsweisende Wahlen

Argentinien steht kurz vor der entscheidenden Parlamentswahl im Oktober 2019, bei der der amtierende Präsident Mauricio Macri zur Wiederwahl antritt. Dieser erlitt bei den Vorwahlen im August, aus denen das populistische Duo aus Alberto Fernández und der ehemaligen Staatspräsidentin Cristina Kirchner als Sieger hervorging, eine schwere Niederlage, die für Turbulenzen an den Devisen- und Aktienmärkten sorgte.

Tatsächlich lässt das Ergebnis ernsthafte Zweifel aufkommen, ob Macri die Wahl im Oktober für sich gewinnen und seinen marktfreundlichen Reformkurs fortsetzen kann. Ein Sieg Macris, der umfassende Haushaltsreformen auf den Weg bringen dürfte, würde die Börsen der Frontier-Märkte insgesamt voraussichtlich beflügeln. Bis zum Abschluss der Wahlen dürften die argentinischen Finanzmärkte indes aufgrund des drohenden Zahlungsausfalls weiter unter Druck stehen.

(Abb. 1) Wichtige Entwicklungen in den Frontier-Ländern 
Wichtige Ereignisse für die Frontier-Märkte insgesamt.
Stand: 31. Juli 2019

In Nigeria, wo bereits im Februar gewählt wurde, setzte sich indes der amtierende Präsident Muhammadu Buhari vom All Progressives Congress (APC) gegen den ehemaligen Vizepräsidenten Atiku Abubakar von der People’s Democratic Party (PDP) mit 56% der Stimmen durch. Das Land kämpft sich seit einiger Zeit aus der Rezession, weshalb eine vernünftige Wirtschafspolitik entscheidend ist. Zugleich kommt dem Land die politische Kontinuität zugute, was sich auch an den zuletzt positiven Wirtschaftsindikatoren zeigt. Zudem ist die Naira wieder angemessener bewertet, während die Mindestlöhne steigen und sowohl die Öl- als auch andere Sektoren wieder wachsen. Wir werden in der kommenden Zeit genau prüfen, ob die Regierung ihren wirtschaftsfreundlichen Kurs und die Schaffung einer einheitlichen westafrikanischen Währung weiterverfolgt. Eine stärker am Markt orientierte Politik sowie die Umsetzung von Massnahmen zur Ankurbelung der Binnenwirtschaft und der Investitionstätigkeit würden die Anleger jedenfalls begrüssen.

Neueinstufungen in den MSCI-Indizes

Frontier-Märkte, die MSCI in das Schwellenmarkt-Universum heraufstuft, verbuchen in der Zeit vor der Aufnahme in den Index normalerweise Kapitalzuflüsse, was an der Entwicklung von Ländern wie Katar, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Pakistan deutlich wird (siehe Abbildung 2).

Argentinien wurde im Mai  2019 in den Index aufgenommen, und Saudi-Arabien in einem zweistufigen Verfahren im Mai und im August. Kuwait wurde vom Indexanbieter FTSE bereits heraufgestuft und soll zur Jahresmitte von MSCI für eine Aufnahme im Jahr 2020 geprüft werden, wobei das Land sämtliche Voraussetzungen erfüllen dürfte.

Märkte, die heraufgestuft werden, verzeichnen vor der Aufnahme in einen Index normalerweise erhebliche Mittelzuflüsse, da passive Fonds auf eine Nachbildung der neuen Indexgewichtungen ausgerichtet sind. Davon profitieren in der Regel jene Anleger, die schon an diesen Märkten investiert sind. Daher werden wir unsere Positionen nach der Aufnahme in den Index voraussichtlich schrittweise reduzieren, sobald wir die Bewertungen für überzogen halten.

Entscheidend sind bei den Allokationsentscheidungen jedoch nach wie vor auch die Fundamentaldaten, da Entwicklungen wie jene in Argentinien für die Performance von grösserer Bedeutung sind als die Kapitalflüsse.

(Abb. 2) Neueinstufungs-Rally nicht verpassen 
Vor der Aufnahme in einen Index legen die Märkte in der Regel kräftig zu.
Stand: 28. August 2019

Die Wertentwicklung in der Vergangenheit ist kein verlässlicher Indikator für die zukünftige Wertentwicklung.
Quellen: MSCI über FactSet (siehe „Zusätzliche Angaben“). 
1 Stand: 28. August 2019 Die Daten werden zum Zeitpunkt der Ankündigung der Neueinstufung zu Vergleichszwecken auf 100 gesetzt, das heisst zum 11. Juni 2013 (Katar und VAE) bzw. zum 14. Juni 2016 (Pakistan). Katar und die VAE wurden im Mai 2014 und Pakistan im Mai 2017 in den MSCI Emerging Markets Index aufgenommen.
Die Daten dienen nur der Veranschaulichung.

Geo- und handelspolitische Entwicklungen

Im Fokus der Anleger stehen vor allem die anhaltenden Handelsspannungen zwischen den USA und China. Die globalen Börsen erlebten Anfang August einen starken Volatilitätsschub, nachdem die USA neue Strafzölle eingeführt und China im Gegenzug seine Währung abgewertet hatte, wodurch das Risiko stieg, dass sich der Handelskonflikt zu einem Währungskrieg ausweitet. Die Risikobereitschaft der Anleger dürfte wieder steigen, sobald sich der Konflikt entspannt und die beiden Staatschefs eine Einigung erzielen – wovon die Frontier-Märkte profitieren würden.

Sollte die Spannungen jedoch anhalten, dürften Länder wie Vietnam und Bangladesch aufgrund ihrer Position in der globalen Lieferkette profitieren, da die Unternehmen ihre Produktion dann voraussichtlich von China in andere Länder mit niedrigen Lohnkosten (wie beispielsweise die Frontier-Länder) verlagern. Der vietnamesische Markt ist indes aufgrund seiner starken Exportausrichtung im Verhältnis zu seiner Grösse stark vom globalen Konjunkturzyklus abhängig.

(Abb. 3) Hierauf sollten Anleger in den Frontier-Märkten in 2019 achten
Wichtige Wahlen, Neueinstufungen in den MSCI-Indizes und geopolitische Ereignisse.
Stand: 31. Juli 2019

Schlussfolgerungen

Die erläuterten Faktoren haben massgeblichen Einfluss auf unsere Bottom-up-Titelauswahl. Wir sind in einigen Schlüsselbereichen gut positioniert, um von einer potenziellen Trendwende zu profitieren. Zugleich ist eine breite Diversivizierung nach wie vor entscheidend. In vorübergehend volatilen Marktphasen kommt es mehr denn je darauf an, die langfristige Wertschöpfung nicht aus dem Blick zu verlieren. Das «Timing» der weiteren Entwicklung an den Aktienmärkten ist im aktuellen Umfeld recht schwierig, weshalb eine erfolgreiche Titelauswahl unserer Ansicht nach mehr denn je entscheidend ist. 

Wir gehen davon aus, dass sich die Aussichten für die Frontier-Märkte weiter verbessern, da verschiedene länderspezifische Probleme allmählich gelöst werden. Da die Belastungsfaktoren schon weitgehend in den Kursen eingepreist sind, dürften die Märkte von einem möglichen Stimmungsumschwung profitieren. Für positive Impulse könnten die bevorstehenden Wahlen, die Neueinstufung in den MSCI-Indizes sowie die handels- und geopolitischen Entwicklungen sorgen.

Was uns in der nächsten Zeit beschäftigen wird

Im aktuellen Umfeld schätzen wir Saudi-Arabien (nicht im Referenzindex enthalten), Sri Lanka, Vietnam und Kuwait wieder optimistischer ein. Auf Sektorebene erkennen wir attraktive Gelegenheiten bei günstig bewerteten Bank- und Konsumaktien, die von der günstigen Bevölkerungsdynamik in den Frontier-Märkten profitieren.

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