Zurück
payoff Focus

Home-Office: Zukunftsmodell Heimarbeit

05.11.2020 9 Min.
  • Dieter Haas

Covid-19 hat die Arbeitswelt komplett auf den Kopf gestellt. Die Pandemie beschleunigte den Trend zur Digitalisierung und machte das Home-Office, was bisher unvorstellbar gewesen war, mit einem Schlag salonfähig.

Obwohl die Voraussetzungen schon länger existierten, scheuten viele Unternehmen davor zurück, ihren Angestellten zu erlauben, ganz oder teilweise von zuhause zu arbeiten. Sie fürchteten Effizienzverluste. Es brauchte die Coronavirus-Pandemie, um altherge- brachte Denkmuster aufzubrechen. Viele Unternehmen, in denen Work-from-Home bisher unvorstellbar war, erlauben ihren Angestellten inzwischen – wenn ab und an wohl nicht ganz freiwillig – von zuhause aus zu arbeiten. Gemäss einer Mitte April von Deloitte durchgeführten Umfrage arbeiteten zu diesem Zeitpunkt etwa die Hälfte (48%) der Schweizer Erwerbstätigen von zuhause. Vor der Krise waren rund 25% der Befragten mindestens einmal pro Woche im Home-Office. Auch wenn sich diese Zahl inzwischen wohl etwas reduziert hat, wird der Home-Office-Anteil kaum auf das Vorkrisen-Niveau zurückfallen. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass die meist guten Erfahrungen bleiben und immer mehr Arbeitgeber mittel- bis langfristig umdenken. Der Anteil des Home-Office wird in den kommenden Jahren weiter zunehmen.

Vor- und Nachteile

Der Wecker klingelt später, kein Kantinenessen und die Kinderbetreuung ist auch gesichert. Das sind unbestritten Vorteile. Die fünf wichtigsten sind:

  • Zeitersparnis
  • Flexibilität
  • Work-Life-Balance
  • Stressreduktion
  • Reduzierte Kosten

Damit die genannten positiven Faktoren zum Tragen kommen, braucht es jedoch eine gehörige Portion an Selbstdisziplin. Es empfiehlt sich das Setzen von festen Arbeitszeiten. Dabei können diese sehr wohl flexibel gestaltet werden und an den optimalen persönlichen Rhythmus jedes Einzelnen angepasst sein. Für den Arbeitgeber hat das Home-Office zusätzlich noch den Vorteil, Fachkräfte aus aller Welt rekrutieren zu können.

Die Kehrseite der Medaille zeigt das potenzielle Fehlen zwischenmenschlicher Kontakte. Wir sind nun einmal soziale Wesen und der Plausch in der Kaffeeküche stärkt die soziale Bindung. Als bedeutendste Mängel des Home-Office werden meist folgende Aspekte ins Feld geführt:

  • Fehlen von sozialen Kontakten
  • Starke Ablenkung im Home-Office
  • Fehlende Motivation
  • Vorurteile
  • Vermischen von Beruf und Privatleben

Ob die Pros oder die Cons überwiegen, hängt von jedem selbst und vom jeweiligen Job ab. Während produzierende Jobs sich in der Regel nicht für die Arbeit von zuhause aus eignen, bieten viele der klassischen Schreibtisch-Jobs bessere Möglichkeiten.

Grundlagen

Die Voraussetzung für den steigenden Anteil an Home-Office ist nicht zuletzt der technologische Fortschritt. So erlauben es digitale Technologien inzwischen zu jeder Zeit und von jedem Ort aus zu arbeiten. Damit das Ganze funktioniert, braucht es Technologien wie Video-Chat-Applikationen, Cloud-Technologien und Cybersecurity. Auf dieser Basis lässt sich der Megatrend Home-Office auch anlagetechnisch in Angebote giessen. Der erste Anbieter war im Sommer das amerikanische Unternehmen Direxion, ein grosser Anbieter für börsengehandelte Indexfonds, sogenannte ETFs, viele davon gehebelt. Mit dem am 25. Juni 2020 lancierten Work-from-Home-ETF, mit dem Kürzel WFH, ist dem Unternehmen ein guter Wurf gelungen. Todd Rosenbluth, der ETF-Forschungschef von CFRA, eines der grössten unabhängigen Anlageforschungsunternehmen der Welt, äusserte sich gegenüber Bloomberg wie folgt: «Dieser ETF kombiniert einige beliebte, gut etablierte thematische Strategien, die sich auf Cloud Computing und Cybersicherheit konzentrieren, mit Remote Learning und Dokumentenverwaltung.»

«Der Anteil des Home- Office wird in den kommenden Jahren zunehmen.»

Ein vielversprechender passiver Fonds

Der Direxion Work from Home-ETF bietet Unternehmen ein Engagement in vier Technologie-Säulen an und ermöglicht es Anlegern, sich bei Unternehmen zu engagieren, die von einem zunehmend flexiblen Arbeitsumfeld profitieren können. Zu den vier Säulen gehören Cloud-Technologien, Cybersicherheit, Online Projekt- und Dokumentenmanagement sowie Fernkommunikation. Unternehmen werden von ARTIS, einem proprietären Algorithmus zur Verarbeitung natürlicher Sprache, für die Aufnahme in den Index ausgewählt. Dieser Algorithmus verwendet Schlüsselwörter, um grosse Mengen öffentlich zugänglicher Informationen, wie Jahresberichte, Unternehmensbeschreibungen und Finanznachrichten, zu bewerten. Er basiert auf dem Solactive Remote Work Index. Dieser umfasst 40 in den USA kotierte Aktien, welche an den zweimal jährlich, im März und September, stattfindenden Überprüfungen jeweils gleichgewichtet werden. In der Rückrechnung von 2015 bis heute hat der Index markant an Wert zugelegt. Seit der Lancierung des ETFs ist die vorhandene Dynamik noch nicht vollends ersichtlich. Diese zeigt sich hingegen in der Kursentwicklung der Top-20 im laufenden Jahr, angeführt mit grossem Abstand vom US-Softwareunternehmen Zoom Video Communications, das Software für Videokonferenzen anbietet, gefolgt von DocuSign, einem amerikanischen Unternehmen, welches es Firmen ermöglicht, elektronische Vereinbarungen zu verwalten und Twilio, das eine Cloud   Kommunikationsplattform als «Plattform as a Service» betreibt sowie Crowdstrike, einem US-Unternehmen für Informationssicherheit und Cybersicherheitstechnologie.

«Der am 25. Juni von Dire- xion lancierte ETF Work from Home ist der erste seines Typs auf den Megatrend Home-Office.»

Hierzulande handelbare Partizipationsprodukte

Noch verhältnismässig dünn ist das an SIX Swiss Exchange kotierte Angebot an Tracker-Zertifikaten. Bis vor kurzem gab es nur solche mit endlicher Laufzeit wie DADVJB der Bank Bär oder ZHOMEV (USD) beziehungsweise ZHOMCV (CHF) der Bank Vontobel. Das erstgenannte Zertifikat, am 14.05.2020 lanciert, ist allerdings mit einer äusserst knappen Laufzeit von einem Jahr ausgestattet, was für die Beteiligung an einem längerfristigen Megatrend suboptimal ist. Etwas länger, und zwar bis 19.04.2022, laufen die bereits am 20.04.2020 ausgegebenen Home-Office Baskets ZHOMEV und ZHOMCV. Sie umfassen 25 anfänglich jeweils zu 4% gewichtete, vorwiegend amerikanische Unternehmen, darunter auch Zoom und DocuSign.

«Das Tracker-Zertifikat ZSOAUV ist das erste in der Schweiz kotierte, endlos laufende Anlageprodukt auf den Bereich Home-Office.»

Stay at Home versus Home-Office

Im Unterschied zu den drei erwähnten Anlageprodukten auf Aktien von Firmen, die einen direkten Bezug am Megatrend Home-Office haben, zielen die beiden in Deutschland kotierten endlos laufenden Tracker-Zertifikate GC2HSH und GC2HSJ Stay at Home Indizes von Goldman Sachs auf das durch Covid-19 veränderte Verhalten. Das Cambridge Dictionary definiert den Begriff «stay-at-home» wie folgt: «Someone who does not like to go to parties or events outside the home and is considered boring» – also «jemand, der nicht gerne zu Partys oder Veranstaltungen ausserhalb des Hauses geht und als langweilig gilt». «stay-at-home» geht somit weit über den nur die Arbeitswelt umfassenden Begriff des Home-Office hinaus. Mit den beiden in Deutschland kotierten Partizipationsprodukten GC2HSH und GC2HSJ können Anleger auf Aktien von Unternehmen setzen, die davon profitie- ren, dass Menschen mehr Zeit zuhause verbringen. Nebst Home-Office umfassen die Basiswerte daher auch Bereiche wie Home-Schooling, Fernsehen oder Video-on- Demand, Radio oder Spotify, Lieferdienst oder «Home-Cooking» und anderes mehr. Während der anfänglich aus 46 gleichge- wichteten US-Aktien bestehende Solactive Stay At Home US Index noch einige klas- sische Home-Office-Vertreter wie Zoom Video oder DocuSign umfasst, sind diese beim europäischen Pendant sehr rar gesät. Unter den 17 anfänglich gleichgewichteten europäischen Aktien des Solactive Stay At Home EU Index finden, abgesehen von Teamviewer, vor allem Titel Eingang, die vom veränderten Freizeit-, dem neuem Einkaufsverhalten und anderen Anpas- sungen an die Pandemie profitieren. Dass auch dieser, weiter gefasste, Begriff sich anlagetechnisch gelohnt hat und wohl auch in Zukunft auszahlen wird zeigen die Kursentwicklungen der einzelnen Aktien des Solactive Stay At Home (EU) Index sowie dessen Vergleich mit dem Weltaktienindex ab April 2018.

«Lieber spät als nie.»

Neues «echtes» Home-Office-Angebot

Lieber spät als nie: Mit dem am 25. Sep- tember liberierten, endlos laufenden Tracker-Zertifikat ZSOAUV (USD) und ZSOAVV (CHF) auf den Solactive Technology Home-Office Index hat die Bank Vontobel einen weissen Fleck in der Landschaft der Strukturierten Produkte getilgt. Der Basiswert von ZSOAUV und ZSOAVV beabsichtigt, die Preisbewegungen von Unternehmen zu verfolgen, die heimbürobezogene Produkte, Software und Dienstleistungen anbieten und zu einem der folgenden Segmente gehören: Zusammenarbeit und Anwendungssoftware, Cloud-Technologien, Netzwerkinfrastruktur, Dokumentenmanagement, Cybersicherheit sowie deutsche Computerfachhändler (Deutschland) und schweizerische Computer- und Informatikunternehmen. Im Unterschied zum ETF WFH ist die aus 25 anfänglich gleichgewichteten Titeln bestehende Aus- wahl nicht nur auf US-Werte bezogen, sondern es wurden mit Cancom, Bechtle, Teamviewer, Also und Logitech auch Titel aus Deutschland und der Schweiz berücksichtigt. Diese haben sich im laufenden Jahr mit Ausnahme von Cancom deutlich besser entwickelt als die entsprechenden Länder-Gesamtindizes. Die jährlichen Gebühren der Tracker-Zertifikate liegen mit 1.2% deutlich über denjenigen des ETFs. Nichtdestotrotz besitzen sowohl ZSOAUV als auch ZSOAVV beste Chancen und dürften, langfristig im Vergleich zum Weltaktienindex betrachtet, eine deutlich überdurchschnittliche Rendite erzielen.

Spieglein, Spieglein …

Welches war in der Vergangenheit das erfolgreichste Konzept? Das lässt sich derzeit nicht schlüssig sagen. Vergleichen lassen sich ab April 2018 die Basiswerte Solactive Remote Work Index sowie die bei- den Solactive Stay At Home Indizes. In dieser Zeitspanne hatte anfänglich der Solactive Remote Index die Nase vorne. Seit der mar- kanten Erholung der Börsen ab Mitte März haben alle drei drastisch und überdurchschnittlich zugelegt – mit leichten Vorteilen für den Solactive Stay At Home (US) Index. Seit der Liberierung des ETF WFH gab es mit dem ebenfalls in USD gehandelten Zertifikat ZHOMEV bislang ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Für unerfahrene Anleger bieten alle präsen- tierten Anlagen eine erfolgsversprechende, breit diversifizierte Partizipation an einem Megatrend. Für Stock-Picker bieten sowohl der ETF als auch die Tracker-Zertifikate eine Fülle an attraktiven, der breiten Öffentlich- keit eher unbekannten Titeln, getreu dem Motto: «Heim ist fein!».

Weitere News aus der Rubrik

Unsere Rubriken