Liquidität: Die Welt schwimmt im Geld
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Serge Nussbaumer, Chefredaktor
Real- und Geldpolitik stemmen sich mit aller Macht gegen die Krise. Die staatlichen Konjunkturprogramme und die expansive Ausrichtung der Notenbanken haben eine historische Geldschwemme verursacht, die voll auf die Kapitalmärkte übergeschwappt ist. Je nach Anlage- klasse wirkt sich der «Liquiditätsschock» unterschiedlich aus.
Millionen, Milliarden oder doch Billionen? Sowohl beim privaten Plausch als auch in der Diskussion mit den Kollegen kann man derzeit schon einmal durcheinandergeraten. Seit Monaten stemmen sich Real- und Geldpolitik mit gigantischen Summen gegen die Coronakrise. Wobei sich in der Berichterstattung die drittgenannte Einheit mehr und mehr durchgesetzt hat. Weder die Regierungen noch die Notenbanken geben sich geizig, sondern hantieren vielerorts mit Billionenbeträgen. Nachdem sich das Virus mit einem rasan- ten Tempo und in immer mehr Ländern verbreitet hat, wurden sprichwörtlich sämtliche monetären Schleusen geöffnet.
EU zapft den Rentenmarkt an
Realpolitisch kommt das jüngste Beispiel für die Geldschwemme aus Brüssel. Im Juli schnürte die Europäische Union (EU) nach einem tage- und nächtelangen Ringen in der belgischen Hauptstadt ein insgesamt EUR 1.8 Billionen schweres Finanzpaket. Es besteht zum einen aus dem Corona-Aufbaufonds. Die in diesem Topf enthaltenen EUR 750 Milliarden sollen vor allem an die von der Pandemie besonders stark betroffenen Länder gehen. Davon wird Brüssel EUR 390 Milliarden als Zuschüsse ausbezahlen, der Rest geht in Form von Krediten an die Empfänger. Gleichzeitig einigten sich die Staats- und Regierungschefs auf einen EU-Haushalts- rahmen für die Jahre 2021 bis 2027 im Volumen von EUR 1.075 Billionen. «Das Ergebnis ist ein Signal des Vertrauens in Europa und es ist ein historischer Moment für Europa», freute sich die Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen.
Zur Finanzierung des «Euro Recovery Fund» wird die von der Deutschen gelei- tete Institution ab 2021 als neuer Spieler am Obligationenmarkt auftreten.
«Das Ergebnis ist ein Signal des Vertrauens in Europa und es
ist ein historischer Moment für Europa.»
Fed zieht sämtliche Register
Mehr denn je mischen die Notenbanken in diesem Börsensegment mit. Allerdings nehmen sie dort nicht selbst Mittel auf, sondern kaufen im grossen Stil Schuldtitel und fluten auf diese Weise die Märkte mit Liquidität. An der Spitze dieser Entwicklung seht die Federal Reserve. Im März reagierte die US-Notenbank zunächst mit zwei Zinssenkungen auf die Coronapandemie. Allerdings ist sie hier nun in gewisser Weise mit ihrem Latein am Ende, da die Federal Funds Rate auf der rekordtiefen Spanne von 0.00 % bis 0.25 % liegt. Negative Zinsen werden zwar mittlerweile selbst in den Vereinigten Staaten diskutiert. Noch gilt ein solcher Tabubruch jedoch als sehr unwahrscheinlich. Die Fed hat stattdessen als zusätzliches Instrumentarium eine Reihe von Notfallprogrammen aufgelegt.
Wie schon zur Zeit der Finanzkrise spielt das Quantitative Easing (QE), also die Lockerung der Geldpolitik in Form der Bilanzausweitung, eine wichtige Rolle. Am 15. März kündigte der Offenmarktausschuss den Kauf von Staatsanleihen und anderen Wertpapieren (agency mortgage-backed securities) in einem Volumen von mindestens USD 700 Billionen an. Ein Blick auf die Fed-Bilanz zeigt, dass dieses Vorhaben rasch in die Tat umgesetzt wurde: Von Mitte März bis Anfang Juni nahm deren Summe um rund zwei Drittel auf mehr als USD 7 Billionen zu (siehe Grafik 1).
Vor der Sommerpause hielt die Fed am ultraexpansiven Kurs fest. In der Juli-Sitzung verpflichtete sich der Offenmarktausschuss, die gesamte Bandbreite seiner Instrumente zu nutzen, um die dramatische Rezession einzudämmen. Im zweiten Quartal ist das Bruttoinlandsprodukt in den Staaten, auf das Jahr hochgerechnet, um knapp ein Drittel geschrumpft. Die Daten zum US-Bruttoinlandsprodukt werden erst nach dem Redaktionsschluss dieser Ausgabe veröffentlicht.
SNB bleibt sich treu
Unter anderem mit «PEPP» stemmt sich die Europäische Zentralbank gegen die Rezession. Dieses Kürzel steht für «Pandemic Emergency Purchase Programme». Die EZB kauft getreu diesem Motto in einem zwischenzeitlich aufgestockten Volumen von insgesamt EUR 1.35 Billionen Anleihen. Derweil bleibt der Devisenmarkt das bevorzugte Metier der Schweizerischen Nationalbank. Neben dem negativen Leitzins (-0.75%) ist sie verstärkt dazu bereit, den Franken mittels Intervention zu schwächen. «Die expansive Geldpolitik der SNB trägt zur Stabilisierung der Wirtschafts- und Preisentwicklung in der Schweiz bei», kommentierte die Nationalbank im Juni ihre jüngste geldpolitische Lagebeurteilung.
Seit der Finanzkrise spielt die Intervention in der SNB-Politik eine zentrale Rolle. Für einige Jahre hatten die heimischen Währungshüter dem Euro sogar einen Mindestkurs verordnet. Bekanntlich ging dieses Phase Anfang 2015 mit dem «Franken-Schock» krachend zu Ende. Die Devisen-anlagen der SNB haben dennoch weiter zugenommen. Seit Ende 2017 bewegen sie sich bei annähernd CHF 800 Milliarden (siehe Grafik 2). Zwar liegen die Zahlen für das zweite Quartal 2020 noch nicht vor. Doch die in den vergangenen Monaten tendenziell gestiegenen Sichtguthaben der Banken sprechen dafür, dass die SNB aktiv gegen den Aufwertungsdruck beim Franken vorgeht.
Aktienmärkte: Die Bullen sind los
Ob die Nationalbank ihrem dualen Stil auch bei der nächsten Lagebeurteilung am 24. September treu bleibt, muss sich zeigen. Die weitere Gangart dürfte auch davon abhängen, wie sich die Konjunkturaussichten entwickeln. Nach dem jähen Absturz im Frühjahr scheint sich die Lage zu stabilisieren. Beispielsweise signalisierten die jüngsten Einkaufsmanagerindizes aus verschiedenen Regionen, dass die Weltwirtschaft in die Wachstumsspur zurückkehrt. Schon jetzt hat die skizzierte Geldschwemme voll auf die Aktienmärkte durchgeschlagen. Viele wichtige Börsenplätze erlebten nach dem Coronaausverkauf eine v-förmige Erholung. Ein regelrechter Hype ist dabei im Technologiesektor entbrannt. Während die Standardindizes noch mehr oder weniger weit von ihren Allzeithochs entfernt sind, ertönte beim Nasaq-100 Index die Rekordglocke (siehe Grafik 3).
«Schon jetzt hat
die skizzierte Geld- schwemme voll auf die Aktienmärkte durchgeschlagen.»
« Never fight the Fed » – dieser Ausspruch war in den vergangenen Monaten immer wieder zu hören. Gerade die auf der Short-Seite positionierten Investoren mussten die schmerzliche Erfahrung machen, dass die Wucht der US-Notenbank die Risiken zumindest vorerst bei Seite gefegt hat. Nach Ansicht von Mark Haefele, Chief Investment Officer im Global Wealth Management der UBS, war die Fed im Bekenntnis, die Wirtschaft in der Krise zu unterstützen und dabei mit steigenden Asset-Preisen leben zu können, noch nie klarer. Höhere Zinsen sollten Investoren für die kommenden Jahre nicht erwarten. Daraus ergeben sich Haefele zufolge mindestens zwei Probleme: Erstens werde es nahezu jeden Tag schwerer, Portfolioeinkommen zu erzielen. Zweitens erwartet der CIO bei Cash- und Highgrade-Bonds für die absehbare Zukunft negative Realrenditen.
«Auf lange Sicht gibt es keine Alternative zu Aktien», folgert der Börsenprofi. Global betrachtet hält er diese Anlageklasse, gemessen an den Risikoprämien, im Vergleich zu Bonds immer noch für günstig. «Die historische Erfahrung zeigt, dass die Bereitstellung von überschüssiger Liquidität eine weitere Ausdehnung der Aktienmultiples unterstützen wird», argumentiert Mark Haefele. Die UBS verfolgt daher in der Anlagenallokation einen «Risk on»-Modus, welcher in der Präferenz für globale Aktien zum Ausdruck kommt.
Währungen: Der Greenback leidet
Ein heftiges Auf und Ab bescherte das Coronavirus auch den FX-Märkten. Wenig überraschend waren zunächst die Safe-Haven-Währungen gefragt – Schweizer Franken, Japanischer Yen und US-Dollar werteten auf. Doch mittlerweile hat sich das Blatt gewendet und vor allem der Greenback steht massiv unter Druck. Ende März war der US-Dollar Index, dieser Benchmark bildet den Verlauf der US-Valuta in Relation zu EUR, JPY, GBP, CAD, SEK und CHF ab, noch auf das höchste Niveau seit Anfang 2017 geklettert. Gegenüber diesem Top gab der Index bis Ende Juli um annähernd ein Zehntel nach. Neben der expansiven Geldpolitik und der rekordhohen US-Staatsverschuldung lastet vor allem das in den USA mehr denn je grassierende Coronavirus auf dem Dollar. Da wenige Monate vor den Präsidentschaftswahlen auch das politi- sche System in Aufruhr ist, kamen bereits Zweifel an der Zukunft des Greenback als globale Reservewährung auf.
«Aktien, Euro und Edelmetalle sind
also im Sommer 2020 schwer angesagt.»
Einheitswährung auf dem Vormarsch
So weit würde Peter De Coensel, CIO Fixed Income bei DPAM (Degroof Petercam Asset Management), nicht gehen. Gleichwohl traut er dem Euro eine wachsende Bedeutung zu. De Coensel verweist auf die dem EU-Gipfel folgende Aufwertung der Einheitswährung. In der Tat legte das FX-Duo EUR/USD seit der Brüsseler Einigung deutlich zu. Auf diese Weise konnte der Euro gegenüber dem US-Dollar nach einem mehrjährigen
Abwärtstrend nach oben ausbrechen (siehe Grafik 4). « Der erstarkte Euro verkörpert eine Art Werbung für die Einheitswährung», meint De Coensel. Er erwartet die Entstehung eines liquiden, qualitativ hochwertigen sowie sicheren EU-Anleihenmarktes, sobald die EU 2021 damit beginnt, Kapital für ihren Wiederaufbaufonds einzusammeln. Die Europäische Union wird dann direkt mit dem US-Treasury konkurrieren. Der Fixed-Income-Experte erinnert daran, dass die Einheitswährung vor nicht allzu langer Zeit noch generell in Zweifel gezogen wurde. Doch seit dem EU-Gipfel steht für ihn fest: «Die Zukunft des Euro sieht besser aus.»
Rohstoffe: Gold glänzt mehr denn je
Ablesen lässt sich der drohende Bedeutungsverlust des Dollars auch am Goldpreis. Als der Greenback verstärkt unter Druck geriet, forcierte die Krisenwährung ihren langfristigen Aufwärtstrend (siehe Grafik 5). Ende Juli hat das Edelmetall ein neues Allzeithoch erreicht. Damit nimmt Gold einmal mehr den Status als «Asset der Stunde» ein. Neben der traditionell negativen Korrelation zum Dollar schieben insbesondere die rekordtiefen Zinsen sowie die Angst vor der zweiten Coronawelle die Feinunze an. Obendrauf kommt die Sorge von so manchem Investor, dass die überbordende Liquidität über kurz oder lang zu steigenden Preisen führt – Gold ist seit jeher ein beliebter Inflationsschutz.
Entsprechend gefragt sind physisch hinterlegte Exchange Traded Funds (ETFs). Zu den grössten Vehikeln dieser Art zählt der ZKB Gold ETF. Per 17. Juli lagerten in den Tresoren der Kantonalbank mehr als 173 Tonnen des gelben Metalls. Gegenüber dem Niveau von Ende 2019 hatten die Bestände damit um knapp 12 % zugenommen. Prozentual zweistellige Mittelzuflüsse verzeichnete auch der mittlerweile knapp 2.9 Tonnen schwere ZKB Silver ETF. Preislich ist das zweitwichtigste Edelmetall im Juli regelrecht explodiert. Mit einem Monatsplus von zwischenzeitlich mehr als 40% avancierte Silber auf den höchsten Wert seit April 2013.
Unterschiedliche Investment-Implikationen
Aktien, Euro und Edelmetalle sind also im Sommer 2020 schwer angesagt. Angesichts der mehr denn je bestehenden Risiken ergibt in der erstgenannten Anlageklasse eine diversifizierte Vorgehensweise Sinn. Diese Prämisse lässt sich mit dem ETF ACWIU erfüllen. Referenzindex für den passiven UBS-Fonds ist der MSCI All Country World Index (ACWI). Anders als der bekanntere MSCI World Index enthält diese Benchmark Aktien aus den Emerging Markets. Per Mitte Jahr waren knapp 3’000 Unternehmen aus 59 Ländern in der «Weltauswahl» enthalten.
Wegen der gegenüber dem Vorkrisenniveau nach wie vor erhöhten Volatilität können Renditeoptimierungsprodukte als Alternative zum Direktinvestment interessant sein. Vontobel hat Ende Juli EURO STOXX 50, S&P 500 und SMI zusammengepackt. Als Basiswerte für den Callable Barriere Reverse Convertible RMBLZV macht das Indextrio in CHF eine Coupon- zahlung von immerhin 5.50% p.a. möglich. Diese Chance ist durch einen Risikopuffer von anfänglich 40% teilgeschützt.
Wette gegen den Greenback
Während die Halter dieses Produkts dem weiteren Treiben an den Märkten vergleichsweise gelassen entgegenblicken können, ist die Wette auf eine Fortsetzung der Euro-Rallye nichts für schwache Nerven. Doch insbesondere die nahenden US-Präsidentschaftswahlen könnten den Dollar weiter belasten. Obwohl Donald Trump in den Umfragen wie der sichere Verlierer aussieht, gibt sich der Republikaner längst nicht geschlagen. Sein zusehends aggressiver Wahlkampf gegen den Demokraten Joe Biden schürt die Verunsicherung in einem ohnehin aufgewühlten Land.
Spitzt sich die Lage weiter zu, könnte die Fed gezwungen sein, die Geldschleusen noch weiter zu öffnen und den Dollar entsprechend unter Druck zu setzen. Noch deutlich aus dem Geld notiert der Call-Warrant EUUBCZ. Die ZKB hat den Strike auf USD 1.20 fixiert. An steigenden Kursen des FX-Duos EUR/USD nimmt der kurz vor Weihnachten fällige Schein mit einem stattlichen Hebel von aktuell mehr als 60 teil. Achtung: Sollte sich die Lage in den Staaten beruhigen respektive die weltgrösste Volkswirtschaft schneller als erwartet Fahrt aufnehmen, könnte das aktuelle «Dolllar-Bashing» ein rasches Ende finden. Beim Warrant würden in diesem Fall tiefrote Zahlen, wenn nicht sogar ein Totalverlust drohen.
Ein Dollar-Comeback könnte auch der Goldrallye den Schwung nehmen. Was allerdings nichts daran ändert, dass das Edelmetall in jedem diversifizierten Portfolio mitmischen sollte. Einen einfachen und kosteneffizienten Zugang bietet der bereits erwähnte ZKB-ETF. Für die CHF-Tranche ZGLD ruft die Kantonalbank eine jährliche Verwaltungsgebühr von 0.40 % auf. Gegen einen vergleichbaren Obolus bietet die UBS Gold und Silber in Kombination an. Wobei das wichtigste Edelmetall im ETC CPMCIU auf den CMCI Precious Metals CHF Monthly Hedged TR Index dominiert. Der kleine Bruder steuert knapp ein Fünftel zum Basiswert bei. Im Unterschied zum ETF ist das Strukturierte Produkt nicht physisch hinterlegt. Der Möglichkeit, mit diesem Instrument auf weitere steigendeEdelmetallpreise zu setzen, tut dies keinen Abbruch.