Saubere Renditen mit Sonne, Wind und Wasser
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Serge Nussbaumer, Chefredaktor
Mit seinen ehrgeizigen Klimazielen hat US-Präsident Joe Biden der globalen Energiewende einen zusätzlichen Schub verpasst. Weltweit fliessen immense Summen
in den Auf- und Ausbau von Photovoltaikanlagen, Windparks und Wasserkraftwerken. Gleichwohl haben die Aktien aus diesem Bereich zuletzt korrigiert – für Anleger bieten sich neue Einstiegschancen.
Am 3. Mai 1991 lief die 357. und letzte Folge von «Dallas» auf dem US-Sender CBS. 14 Staffeln lang hatte die Serie um den intriganten Ölmagnaten «J.R.» Ewing das Publikum in seinen Bann gezogen. Wer sich heute das Intro des Strassenfegers ansieht, möchte kaum glauben, dass die Bilder von der aufblühenden US-Metropole, Ölpumpen und Farmen nur drei Jahrzehnte alt sind. Heute bietet Texas ein völlig anderes Bild. Zwar spielt der Energiesektor noch immer eine sehr wichtige Rolle für den «Lone Star State». Doch anstelle von Ölbohrtürmen ragen immer mehr Windräder in den Himmel. Gleichzeitig nutzen Energieunternehmen die günstige geografische Lage und überziehen den Bundesstaat im US-Süden mit Photovoltaikfeldern.
«Im Herzen von Texas boomen die grünen Jobs», berichtete CBS News vor kurzem. Dieses Statement belegte der Nachrichtenkanal mit Bildern vom Samson Solar Energy Center. Auf einer Fläche von mehr als 7’000 Hektar, verteilt über drei Counties, entsteht der grösste Sonnenstrompark der USA. Sobald 2023 sämtliche Module installiert sind, soll das Kraftwerk über eine Kapazität von insgesamt 1.3 Gigawatt (GW) verfügen. Damit könnte das Samson Solar Energy Center rund 300’000 Haushalte mit Strom versorgen. Der Projektentwickler Invenergy investiert zusammen mit prominenten Partnern, darunter McDonald’s, Honda und Google, USD 1.6 Milliarden in den Park. Im Vergleich zur konventionellen Stromerzeugung soll das Center über die Lebensdauer verteilt ein Äquivalent von 6 Millionen Tonnen Kohlendioxid einsparen.
«Im Herzen von Texas boomen die grünen Jobs.»
«America is back»
Mit der skizzierten Kombination aus Dekarbonisierung und Investitionen passt das Projekt geradezu mustergültig zur klimapolitischen Zeitenwende in den USA. Als eine seiner ersten Amtshandlungen hat der neue Präsident die Rückkehr der Staaten in das Klimaabkommen von Paris in die Wege geleitet. Ende April nutzte Joe Biden zudem den «Earth Day» für einen Klimagipfel. An der Online-Konferenz mit 40 Staats- und Regierungschefs gab er ein neues Ziel für die weltgrösste Volkswirtschaft aus: Bis 2030 möchten die USA ihre Treibhausgasemission gegenüber dem Niveau von 2005 mindestens halbieren. Bisher galt das von der Obama-Administration formulierte Vorhaben, den Aus- stoss zwischen 26% und 28% zurückzufahren.
«America is back», kommentierte J.P. Morgan die jüngsten Schritte der neuen Regierung. Biden habe ein klares Signal gesendet, dass die USA im Kampf gegen die Erderwärmung eine globale Führungsrolle einnehmen möchten. In den kommenden vier Jahren wird die Klimafrage den Analysten zufolge sowohl in der Wirtschafts- und Aussenpolitik als auch beim Thema nationale Sicherheit von zentraler Bedeutung sein. Damit lässt Washington nicht nur eine Phase des Desengagements unter der Trump-Regierung hinter sich. Gleichzeitig verlängern die USA die Liste derjenigen Länder, die sich dieser existenziellen Herausforderung stellen. Als besonders ehrgeizig gilt die Europäische Union (EU). Ihre 27 Mitglieder haben sich vorgenommen, die C02-Emissionen bis 2030 um mindestens 55% unter das Niveau von 1990 zu drücken.
Enormer Kapazitätsausbau
Angesichts des entfachten Wettlaufs hin zur Klimaneutralität dürfte der Markt für erneuerbare Energieträger weiter kräftig wachsen. Schon jetzt eilt dieses Segment von Re- kord zu Rekord. Laut Zahlen der International Renewable Energy Agency (IRENA) wurden 2020 weltweit Kraftwerke mit einer Kapazität von mehr als 260 GW neu installiert. Trotz Corona übertraf die Öko-Strom-Expansion damit das Vorjahresniveau um annähernd die Hälfte. «Rund 80% sämtlicher neuer Elektrizitätskapazitäten waren erneuerbar», erklärt IRENA-Generaldirektor Francesco La Camera. Für den Branchenexperten zeigen die Zahlen für 2020, dass die «Erneuerbaren» immer mehr zur bevorzugten Energiequelle werden.
«Auf dem Weg dorthin spielt China die gesamte Klaviatur der regenerativen Energie.»
Nachdem die globalen Kapazitäten 2016 über die Marke von 2000 GW geklettert waren (siehe Grafik 1), dürften sie im laufenden Jahr die nächste Tausenderschwelle durchbrechen. In China wächst der Sektor überproportional: Innert fünf Jahren hat das Reich der Mitte die Kapazitäten an regenerativen Energieträgern um 87% auf knapp 900 GW ausgebaut. So angespannt das Verhältnis der beiden Supermächte eigentlich ist: Im Klimaschutz sind sich Peking und Washington vergleichsweise einig. Dafür spricht der Auftritt von Chinas Präsident Xi beim Biden-Gipfel. Dabei begrüsste der Machthaber die Rückkehr der Vereinigten Staaten in den multinationalen Klimaschutzprozess. Laut Xi sollten die USA und China bei der globalen Umweltpolitik gemeinsam vorangehen.
Peking hat sich zum Ziel gesetzt, noch vor 2030 den Höhepunkt bei den Treibhausgasemissionen zu erreichen. 30 Jahre später soll die Volksrepublik klimaneutral sein. Auf dem Weg dorthin spielt China die gesamte Klaviatur der regenerativen Energie. Will heissen, neben Wasserkraft setzt die kommunistische Führung auf Sonne und Wind. Diese drei Quellen dominieren auch den internationalen Öko-Strom-Mix (siehe Grafik 2). Wobei Photovoltaik (PV) und Windparks (vor allem onshore) besonders stark an Bedeutung gewinnen. 2020 kletterte der Anteil des Duos an den globalen Kapazitäten auf rund 50%.
Eine echte Alternative
IRENA-Generaldirektor Francesco La Camera erachtet die Energieversorgung als den Grundpfeiler für das kurz- und mittelfristige Erreichen der Nachhaltigkeits- und Klimaschutzziele. «Während die Richtung klar ist, braucht es eine noch viel schnellere Energiewende», erklärt er. Nach Ansicht von La Camera lagen die Vorteile eines solchen Weges noch nie so deutlich sichtbar auf dem Tisch. Neben dem schieren Wachstum nennt er die fallenden Kosten als ein zentrales Argument. In der Tat spielt die Konkurrenzfähigkeit gegenüber herkömmlichen Stromquellen für die regenerativen Träger trotz aller staatlichen Impulse eine sehr wichtige Rolle.
Auch hier sprechen die IRENA-Zahlen eine deutliche Sprache. Sie hat 2019 weltweit 17’000 Projekte analysiert. Bei der Photovoltaik sind die Stromgestehungskosten am stärksten rückläufig. Zwischen 2010 und 2019 nahmen sie hier um mehr als 80% ab (siehe Grafik 3). Bei solarthermischen Kraftwerken betrug der Rückgang im selben Zeitraum 47%, für Onshore-Windenergie 39% und bei der Windenergie auf See immerhin 29%. Neben optimierten Technologien, Skaleneffekten und zunehmend wettbewerbsfähigen Lieferketten führt die IRENA diese Entwicklung auf eine wachsende Erfahrung in der Projektentwicklung zurück. «Bei 56% aller neu in Betrieb genommenen Grossanlagen für die regenerative Stromerzeugung lagen die Kosten 2019 unter der günstigsten Alternative mit fossilen Brennstoffen», stellt die Interessenvertretung fest.
«Aus fundamentaler Sicht bremsen Schwierigkeiten in den Lieferketten den Sektor aus.»
Korrektur als Einstiegschance
Nach Ansicht von J.P. Morgan hat dieser Megatrend klare Folgen für das Portfoliomanagement: «Langfristig orientierte Investoren sollten Abstand von fossil-basierten Aktien nehmen.» Über die kommenden 25 Jahre könnten aus fossilen Energieträgern respektive der dazugehörigen Infrastruktur den Analysten zufolge «gestrandete Assets» werden. Viele Anlagenbauer in der Gasindustrie müssten mit fallenden Umsätzen rechnen. Dagegen erachtet die US-Bank die jüngste Korrektur bei den Aktien aus dem Bereich der regenerativen Energie als Einstiegschance. «Die Fundamentaldaten bleiben intakt», erklären die Experten. Neben der zusehends konkurrenzfähigen Kostenstruktur nennen sie die Infrastrukturpläne der Biden-Regierung als Argument für das positive Szenario.
Gut ablesen lässt sich die von den Analysten erwähnte Korrektur am S&P Global Clean Energy Index. Gegenüber dem Anfang Jahr erreichten Allzeithoch gab diese Benchmark um nahezu ein Drittel nach (siehe Grafik 4). Nach dem in der Corona-Pandemie lancierten Höhenflug überrascht der Rücksetzer nicht. Aus fundamentaler Sicht bremsen Schwierigkeiten in den Lieferketten den Sektor aus. Ähnlich wie die Automobilindustrie haben die Energieanlagenbauer insbesondere mit einer Knappheit im Halbleiterbereich sowie bei Batterien zu kämpfen. Skeptiker monieren zudem, dass die steigenden Zinsen Investitionen in diesem Bereich weniger attraktiv machen. J.P. Morgan hält dagegen: Die mit der allgemeinen Inflation steigenden Strompreise sollten diesen Effekt neutralisieren.
«Momentan erfüllen 82 Unternehmen die Anforderungen der Indexmethodik.»
Diversifiziert und renditeoptimiert
Für Anleger, die dem Ratschlag der Bank folgen und den Rücksetzer zum Einstieg nutzen möchten, bietet sich der ETF INRG an. Der USD 5.3 Milliarden schwere Exchange Traded Fund bildet den S&P Global Clean Energy Index in seiner ganzen Breite ab. Ziel der Benchmark ist es, 100 Aktien – sowohl aus den Industrienationen als auch aus den Emerging Markets – mit einem Fokus auf saubere Energie zu enthalten. Momentan erfüllen 82 Unternehmen die Anforderungen der Indexmethodik. Zu den Schwergewichten zählen Windturbinenhersteller wie der Branchenriese Vestas genauso, wie PV-Spezialisten, beispielsweise das US-Duo Enphase und Solaredge, oder grosse Versorger. Aus dieser Ecke kommt Enel – mit einer installierten Kapazität von rund 49 GW zählt der italienische Konzern zu den weltweit führenden Anbietern von Öko-Strom.
Naturgemäss ist der Bereich regenerative Energie fest mit dem übergeordneten Investmentthema Nachhaltigkeit oder ESG verwoben. Das zeigt ein Blick auf den Vontobel Climate Impact Index. Im Herbst 2019 hat die Zürcher Privatbank diesen Benchmark zusammen mit der auf Nachhaltigkeitsinvestments spezialisierten Yova AG ins Leben gerufen. Momentan umfasst der Index 33 Positionen. Unternehmen aus dem Bereich regenerative Energie zählen genauso dazu, wie Heiz- und Haustechnikspezialisten. Im letztgenannten Segment sind beispielsweise die unter den Top 10-Positionen angesiedelten Nibe Industrier aus Schweden sowie der SMI-Konzern Geberit aktiv. Die Performance kann sich sehen lassen: Seit der Auflage hat der Climate Impact Index um gut 80% zugelegt und damit den globalen Aktienmarkt weit abgehängt. Vontobel bildet den erfolgreichen Basiswert mit den Tracker-Zertifikaten ISTETV (Handelswährung CHF), ISTEUV (EUR) und ISTEVV (USD) ab.
Eine sprichwörtlich «saubere Rendite» ist auch beim Callable Barrier Reverse Convertible (BRC) QTNLTQ möglich. Leonteq spannt für dieses Produkt ziemlich volatile Basiswerte zusammen. Neben dem deutschen Windturbinenhersteller Nordex und der bereits erwähnten Solaredge handelt es sich dabei um Plug Power – beim US-Spezialisten für Brennstoffzellen haben Börsianer nach einer furiosen Rallye sprichwörtlich den Stecker gezogen. Der Nasdaq-Titel notiert rund 60% unter dem Top von Ende Januar. Selbst wenn Plug Power weiter nachgeben sollte, ist mit dem BRC ein Ertrag von 21.04% p.a. drin. Entscheidend ist, dass kein Basiswert bis zum Verfall im Mai kommenden Jahres auf oder unter die Barriere bei jeweils 55% der Anfangsfixierung fällt. Geht dieses Kalkül nicht auf, droht der «Kurzschluss»: Will heissen, Anleger wären dann dem vollen Risiko des schwächsten Titels ausgesetzt.