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payoff Focus

Schweiz – aus der Defensive in die Offensive

03.03.2022 7 Min.
  • Dieter Haas

Schweizer Aktien gehörten in den letzten gut sechs Jahren nicht zu den Überfliegern auf dem internationalen Parkett. Das lag vor allem am wenig dynamischen Kursverlauf der meisten Indexschwergewichte.

Der Schweizer Aktienmarkt entwickelte sich lange Zeit im Gleichschritt mit dem Weltaktienindex. Ab 2016 geriet er zunehmend ins Hintertreffen. Daran trugen etliche der Schweizer Flaggschiffe Mitschuld, wie der Vergleich des Blue Chip Börsenbarometers mit dem MSCI World zeigt (Grafik 1). Ganz anders sieht das Bild in der zweiten Kategorie, abgebildet durch den SMIM TR Index, aus. Der SMIM (SMI Mid) enthält die 30 grössten Mid-Cap-Titel des Schweizer Aktienmarktes, die nicht bereits im Blue-Chip-Index SMI vertreten sind. Bei ihnen ging ab 2016 die Post ab. Sie übertrafen zwischenzeitlich den MSCI World um Längen.

Überflieger und Tiefflieger im SMI

Bei näherer Betrachtung wird ersichtlich, weshalb das Blue Chip Börsenbarometer seit einiger Zeit der Musik hinterherhinkt. Nebst den Finanzwerten, allen voran Credit Suisse, deren relative Gewichtung bereits seit der Finanzkrise im Jahr 2008 stetig schrumpft, waren es seit 2016 insbesondere die beiden Pharmakonzerne Roche und Novartis, die massgeblich verantwortlich waren für die unterdurchschnittliche Performance des SMI. Während sich Roche noch einigermassen halten konnte, befindet sich Novartis in einer veritablen Krise. Durch den jüngst bekanntgegebenen Verkauf der Roche-Beteili- gung und einer möglichen Devestition des Generika-Geschäftes versucht der Pharmamulti, den schleichenden Niedergang aufzuhalten. Entscheidend wird sein, ob es Novartis in den kommenden 1-2 Jahren gelingen wird, im Pharmakerngeschäft neue Blockbuster zu generieren. Falls nicht, dürfte sich die unterdurchschnittliche Kursentwicklung fortsetzen. Zu den Überfliegern der letzten sechs Jahre zählten mit Logitech, Lonza und Partners Group drei erst in den Jahren 2021, 2017 und 2020 in den Kreis der Blue Chips aufgenommene Aktien. Ihre Impulse reich- ten wegen ihres noch kleinen Indexanteils jedoch nicht aus, um den SMI wieder zu dynamisieren.

«Den Aktienmarkt Schweiz mit den drei Schwergewichten abzudecken, war nicht von Erfolg gekrönt.»

Die Lieblinge im laufenden Jahr

Die von Vermögensverwaltern oft praktizierte Methode, den Aktienmarkt Schweiz mit den drei Indexschwergewichten Nestlé, Novartis und Roche abzudecken, da diese bei Redaktionsschluss mit rund 45% den Markt dominieren, war in den vergangenen Jahren nicht von Erfolg gekrönt, da sich der relative Indexanteil zuletzt stetig vermindert hat. Im Blue Chip Börsenbarometer SMI schrumpfte das Gewicht der grossen drei in den letzten 20 Jahren um rund 15%. Für eine Dynamisierung eines Schweizer Aktienportfolios sind die Nebenwerte daher das Salz in der Suppe. Das zeigt sich auch in der Performance-Rangliste seit Jahresanfang. Besonders hoch im Kurs stand die Namenaktie der Schweizeri- schen Nationalbank. Die geringe Marktliquidität sowie der gestiegene Goldpreis dürften dabei eine wichtige Rolle gespielt haben. Beim zweitplatzierten Unternehmen Molecu- lar Partners handelt es sich um ein Bio-Tech Unternehmen aus Schlieren. Es hat ein neues Covid-Medikament entwickelt, welches künftig vor schweren Erkrankungen schüt- zen soll. Positive Studienergebnisse sowie die Übernahme der Rechte durch Novartis haben der Aktien kräftigen Schub verliehen. Gefragt waren seit Jahresbeginn zudem zahlreiche kleinere und grössere Finanzwerte.

«Wären alle Schweizer Unternehmen bei der Kotierung an die SIX gegangen, sähe der Gesamtmarkt wohl attraktiver aus.»

Schmalbrüstige Blutauffrischung

Die seit 2010 neu an SIX Swiss Exchange kotierten IPOs waren zahlenmässig und vor allem zu klein, gemessen an ihrem Gewicht, um dem Gesamtmarkt neuen Schwung zu verleihen. Der gewichtigste Neuzugang der letzten Jahre war mit Alcon ein Spin-off von Novartis, dahinter folgt mit deutlichem Ab- stand die VAT Group ein international tätiges Schweizer Unternehmen für Vakuumventile und zugehörige Services in der Halbleiter-, Display- und Solarbranche sowie im Industrie- und Forschungsbereich. Sie figuriert seit 2016 im Tableau von SIX und zählt nebst den Aktien von Medartis, Sensirion, Lastminute und Varia US Properties zu den erfolgreichsten IPOs an der Schweizer Börse in den letzten drei Jahren. Medartis ist globaler Innovationsführer bei Implantaten für die Osteosynthese in den Bereichen Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie (MKG) sowie den oberen und unteren Extremitäten. Sensirion ist ein Hersteller von digitalen Mikrosensoren und -systemen. In den vergangenen sechs Monaten (siehe Grafik 4) schnitten bis zum Stichtag die bereits erwähnten Varia US Proper- ties, Molecular Partners, Medartis, Sensirion und Lastminute am besten ab, gefolgt von der Aktie der Pierer Mobility Gruppe. Sie ist Europas führender «Powered Two-Wheeler (PTW)»-Hersteller. Mit ihren Motorrad-Marken KTM, HUSQVARNA Motorcycles, GASGAS zählt sie insbesondere bei den Premium-Motorrädern jeweils zu den europäischen Technologie- und Marktführern.

Auslandkotierungen von Titel mit Schweizer Bezug

Hätte, hätte Fahrradkette … Wären alle Titel – die einst hierzulande kotiert waren wie etwa Transocean oder Titel von Schweizer Unternehmen, die aus unterschiedlichen Gründen es vorzogen, sich an ausländischen Börsenplätzen zu kotieren – an SIX Swiss Exchange an den Start gegangen, dann sähe das Bild des Schweizer Gesamtmarktes wohl attraktiver aus. Jüngstes Beispiel eines Schweizer Unternehmens, das seinen Börsengang im Ausland, und zwar an der Nasdaq First North in Schweden, einem alternativen Marktplatz der US-Technologiebörse Nasdaq vollzogen hat, ist Smart Valor, ein Verwahrer und Wechseldienstleister für Kryptowährungen. Vor allem innovative Firmen liberieren ihre Titel, zumindest börsentechnisch, verstärkt im Ausland und nicht an SIX Swiss Exchange.

Im laufenden Jahr zerrissen die im Ausland kotierten Titel mit direktem oder indirektem Schweizer Bezug, von wenigen Ausnahmen abgesehen, noch keine grossen Stricke. Die Rangliste wurde am Stichtag angeführt vom auf Tiefseebohrungen spezialisierten interna- tional tätigen Konzern Transocean mit Sitz in Steinhausen in der Schweiz, der sich im März 2016 vom Schweizer Tableau der SIX Swiss Exchange verabschiedet hatte, gefolgt von der auch in den USA kotierten Molecular Partners.

«Nach dem Fehlstart im Neuen Jahr ist der Einstieg in die zweite Reihe wieder attraktiv geworden.»

Anlageempfehlungen

Naturgemäss gibt es auf SIX Swiss Exchange zahlreiche Tracker-Zertifikate und ETFs mit Bezug zu Schweizer Aktien. Die Rangliste seit Ende 2020 (siehe Tabelle 1) wird angeführt vom Tracker-Zertifikat ASTCHZ auf einen Schweizer Basket, verwaltet von der Bank Zimmermann. Gut abgeschnitten haben auch andere Warenkörbe auf Schweizer Aktien wie AAPAIZ, CHTOPZ oder BQPRCH, ein regionaler Aktienbasket Ostschweiz und Graubünden, SXLFE der UBS, ein Tracker-Zertifikat auf den SXI Life Sciences TR Index, BQRRCH, ein regionaler Aktienbasket Zentralschweiz, sowie ZRTOPV, die jährliche Top-Auswahl der Bank Vontobel. Die besten ETFs in der genannten Zeitspanne waren Indexfonds der UBS auf den MSCI Switzerland20/35.

Nicht vom Erfolg gekrönt war wegen Fehlgriffen wie beispielsweise Cembra Money Bank bislang das von Active Advisory Partners verwaltete Tracker-Zertifikat AAPESZ und keinen Blumentopf gewinnen konnten Anleger in den letzten knapp 14 Monaten mit dem ETF LYSSL auf den SMI Daily Short Leverage. Seit Ende 2021 hat sich allerdings der Wind gedreht und LYSSL ist bis zum Stichtag der Top Performer unter den ETPs auf den Schweizer Markt. Unverhofft, kommt bekanntlich oft!

Mid Caps sind ein Muss

Wer in seinem Portfolio Schweizer Aktien berücksichtigt, der sollte nebst einer Kernanlage in einen SMI-Indexfonds zwingend liquide Mid Caps berücksichtigen. Sie bieten die beste Gewähr, um auf lange Sicht eine überdurchschnittliche Rendite zu erzielen. Nach dem Fehlstart im Neuen Jahr ist der Einstieg in die zweite Reihe wieder attraktiv geworden. Neben dem erwähn- ten Top Performer ist für Indexliebhaber speziell das bereits im Jahr 2004 lancierteTracker-Zertifikat SMITR der UBS geeignet oder die ETFs SMMCHA und CSSMIM der UBS respektive iShares. Sie lassen Anleger an der Performance des SMIM TR Index teilhaben, der, wie eingangs gezeigt, auf lange Sicht sowohl den Gesamtmarktindex SPI als auch den Blue Chip Index SMI um Längen übertrifft. Die aktuelle Börsenschwäche bietet für längerfristig orientierte Anleger speziell in den Werten der zweiten Kategorie günstige Einstiegsmöglichkeiten. Beim Schritt aus der Defensive in die Offensive sollte dabei ein schrittweises Vorgehen gewählt werden.

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