Technologie: Der Wind hat gedreht
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Serge Nussbaumer, Chefredaktor
Seit Monaten belasten die wirtschaftliche Unsicherheit sowie steigende Zinsen die Wachstumsaktien. Doch zuletzt läuteten die Tech-Aktien eine Wende ein. Einige Unternehmen verfügen durchaus über das Potential, erneut zu alter Grösse am Aktienmarkt aufzusteigen. Wir haben einige spekulative Anlageideen aufgespürt, die allesamt eine spannende Story bieten.
So abgedroschen es auch klingen mag, aber Totgesagte leben tatsächlich länger. Den Beleg für das alte Sprichwort liefern derzeit die Tech-Aktien. Nach einem tiefen Absturz in den ersten drei Quartalen des Jahres schlugen die Titel zuletzt einen scharfen Richtungswechsel ein. Die Initialzündung dafür kam von den Inflationsdaten in den USA. Die Teuerungsrate fiel im Oktober stärker als erwartet und katapultierte die Technologiebörse Nasdaq an nur einem Handelstag um 7.4% empor.
Zinsen vs. Tech
Der inzwischen vierte Rückgang bei der Teuerungsrate in Folge lässt Marktteilnehmer hoffen, dass die starken Zinserhöhungen der US-Notenbank Wirkung zeigen. Dies wiederum könnte dazu führen, dass das Fed in Zukunft eine weniger aggressive Gangart einschlägt. Aktuell rechnen Investoren mit einer Wahrscheinlichkeit von 71.5% damit, dass auf der letzten Zinssitzung im Dezember der Leitsatz «lediglich» noch um einen halben Prozentpunkt erhöht wird. Dass diese Aussichten bei den Tech-Aktien ein Kursfeuerwerk auslösen, kommt nicht von ungefähr. Schliesslich war es die Zinswende Anfang des Jahres, welche den Boom bei dem Wachstumstitel beendete und eine Rotation weg vom hoch bewerteten Tech-Sektor hin zu defensiven Branchen eingeläutet hat.
Dies hat einen Grund: Die Bewertung bei vielen Technologiewerten stützt sich nämlich auf Wachstumsversprechen in der ferneren Zukunft. Hohe Gewinne und positive Cashflows werden also erst in vielen Jahren erwartet. Steigen die Zinsen, müssen zukünftige Gewinne mit einem höheren Zinssatz abdiskontiert werden, was im Umkehrschluss hoch bewertete Aktien besonders anfällig für Korrekturen macht. Zu den klaren Verlierern zählen Unternehmen, die noch nie einen Gewinn abgeworfen haben und/oder hohe Schulden haben. Allerdings blieben bei der jüngsten Korrektur auch die Big Player nicht verschont. Obwohl Apple & Co. riesige Mittelzuflüsse generieren und aufgrund ihrer Marktmacht und Grösse wohl auch in Zukunft kein Weg an ihnen vorbeiführen wird, kamen diese bei dem Ausverkauf ebenfalls unter die Räder.
Herabgesetzte Bewertungslevels
Generell neigen die sogenannten «Mega Cap»-Aktien aber zur Outperformance. Zusammengenommen haben Apple, Alphabet, Amazon und Microsoft – die vier grössten Titel des S&P 500 – nur in zehn der vergangenen vierzig Quartale schlechter abgeschnitten als der Gesamtmarkt. Die zuletzt ungewohnt schwache Kursentwicklung führte nun dazu, dass sich die Bewertungen deutlich reduzierten. So ist das durchschnittliche Unternehmenswert-Umsatz-Verhältnis der Mega Caps von sieben auf vier gefallen. Demgegenüber stehen allerdings steigende Wachstumserwartungen. Analysten prognostizieren für 2023 und 2024 mit acht respektive 11% wieder höhere Erlöszuwächse als zuletzt. Damit könnten die Big Techs mit der jüngsten Wende durchaus eine Rückkehr auf die Bewertungsniveaus der Vergangenheit einläuten, zumal die zu Ende neigende Berichtssaison für das dritte Quartal mehrheitlich positive Überraschungen bereithielt.
Bereits mehr als 90% der S&P 500-Mitglieder haben ihre Bücher offengelegt und das Gros davon die Erwartungen übertroffen. Überdurchschnittlich gut schnitt dabei der Tech-Sektor ab. Nur 14% der vorgelegten Ergebnisse lagen unter den Erwartungen, das war deutlich weniger als bei jedem anderen Segment innerhalb des Index. 78% der Unternehmen überraschten auf der Gewinnseite sogar positiv. Damit mussten sich die IT-Konzerne nur dem Energiesektor beugen, der bis dato eine Rate von 81% aufweist.
Unter den Top 10 der grössten Überraschungen befinden sich gleich mehrere Tech-Unternehmen. Besonders deutlich über den Erwartungen lag Intel. Der Chipriese übertraf die Gewinnprognosen um 59.2% und belegt im S&P 500 nach Berechnungen von FactSet damit den dritten Rang. Auch Netflix (45.0%) und Activision Blizzard (36.6%) rangieren sich auf Top-Plätzen.
Die Qual der Wahl
Wer im Tech-Sektor investieren möchte, steht einem riesigen Anlageuniversum gegenüber. Da wären zum einen die etablierten Unternehmen wie Apple, Microsoft oder auch Amazon. Dann die sogenannten First Mover, also Unternehmen wie Netflix und Tesla, die mit ihren Geschäftsmodellen ganz neue Märkte eröffneten. Aber auch Startups, die noch keinen Franken verdient haben, aber mit grossem Wachstumsversprechen gestartet sind, können ins Kalkül gezogen werden. Dazu zählen unter anderen Namen wie Peloton und Palantir.
Es versteht sich von selbst, dass diese drei Gruppen unterschiedliche Risiko-Levels aufweisen. Relativ betrachtet gehen mit den Mega Caps die geringsten Unsicherheiten einher. Die Konzerne verfügen über eine weltweite Bekanntheit, enorme Marktmacht und erzielen gleichzeitig immense Gewinne. Hier kommen Amazon, die Google-Mutter Alphabet oder auch der weltgrösste Softwarekonzern Microsoft ins Spiel. Interessant bei dem Trio ist zudem, dass sie im Zukunftsmarkt Cloud eine führende Rolle einnehmen. Laut der neuesten Prognose von Gartner sollen die weltweiten Ausgaben für die Datenwolke im kommenden Jahr um 20.7% auf insgesamt USD 591.8 Mrd. steigen. Damit würde sich das Wachstum im Vergleich zu 2022, hier werden 18.8% erwartet, weiter beschleunigen. «Cloud Computing wird weiterhin eine Bastion der Sicherheit und Innovation sein und das Wachstum in unsicheren Zeiten aufgrund seiner agilen, elastischen und skalierbaren Natur unterstützen», erklärt Sid Nag, Vice President Analyst bei Gartner.
Eine adäquate Möglichkeit in den wachstumsstarken Sektor zu investieren bietet der Cloud-Computing Equity Index von Vontobel. Der aktiv gemanagte Index basiert auf einer Bottom-up Aktienselektion. Die Unternehmen kommen dabei unter anderem aus den Bereichen «Software & Anwendungen», «Cloud Sicherheit» sowie «Daten & Speicherung». Da es sich bei dem Index um die Performance-Variante handelt, werden die Dividenden auf Netto-Basis reinvestiert.
Mega-Business Gaming
Eng verbunden mit der Cloud ist mittlerweile auch das Thema Gaming. Nach Schätzungen der Experten von Newzoo wird das Spielen in der Datenwolke bis Ende des Jahres 31.7 Mio. zahlende Nutzer zählen, die zusammen USD 2.4 Mrd. für gestreamte Spiele ausgeben werden. Zum Vergleich: 2016 wurden gerademal Umsätze von USD 158 Mio. generiert. Die Erlöse dürften weiter exponentiell steigen. Newzoo prognostiziert bis 2025 86.9 Mio. zahlende User, das entspricht einem Wachstum von stolzen 175%. Das Thema Electronic Gaming ist aber nicht nur langfristig interessant, auch in der aktuellen Vorweihnachtszeit dürfte die Videospiele-Branche wieder an Relevanz gewinnen, da viele dieser Produkte unter dem Weihnachtsbaum liegen werden. Breit gefächert investieren lässt sich in den Bereich mit einem Tracker-Zertifikaten auf den Solactive Electronic Gaming Index von Leonteq. Für eine jährliche Gebühr von 1.35% bekommen Anleger ein 20 Titel umfassendes Basket, das halbjährlich aufgefrischt wird. Nur Unternehmen, die über eine ausreichende Grösse und Liquidität verfügen werden berücksichtigt. Da es sich bei dem Basiswert um die Total-Return-Variante handelt, fliessen die Dividenden auf Netto-Basis in die Berechnung mit ein. Der Track Rekord kann sich sehen lassen: Das auf USD lautende Produkt konnte – sogar unter Einbeziehung der Kosten – die Nasdaq auf Sicht von einem Jahr um 2% outperformen, die CHF-Variante des Trackers entwickelte sich sogar um 12% besser.
Chip, Chip, hurra!
Zum Rebound angesetzt haben auch die Chip-Aktien. Der PHLX Semiconductor Sector Index (SOX), der 30 Halbleiter-Titel umfasst und als globaler Leitindex für Chip-Aktien gilt, hat sich von seinem Tief bei minus 45% seit Jahresbeginn auf mittlerweile minus 37% hochgearbeitet. «Wenngleich der SOX wegen der unsicheren Wirtschaftsaussichten zweifelsohne noch eine Weile unter Druck bleiben könnte, haben sich Rücksetzer im Vorfeld konjunktureller Schwächephasen in der Vergangenheit als interessante Einstiegsmöglichkeiten erwiesen», konstatiert Ulrich Stephan, Chefanlagestratege bei der Deutschen Bank, und führt weiter aus: «Während der SOX in diesen Phasen zwischen Hoch- und Tiefpunkt durchschnittlich gut 40% verlor, legte er in den darauffolgenden zwei Jahren 160% hinzu.» Die Chancen auf eine Wende werden durch eine reduzierte Bewertung erhöht. Das KGV des SOX ist im laufenden Jahr deutlich von 22 auf 16 gefallen. Anleger dürfen die aktuellen Risiken aber nicht ausser Acht lassen. Zum einen könnte eine Konjunkturverlangsamung die Nachfrage schmälern, zum anderen erschweren neue Verkaufsbeschränkungen der USA gegenüber China den längerfristigen Ausblick der Branche. Daher könnte es Sinn machen, den Sektor mit einem Renditeoptimierungsprodukt ins Depot aufzunehmen. Gute Konditionen weist beispielsweise der Callable Multi Barrier Reverse Convertible auf den Branchenriesen Intel, dem Speicherchip-Spezialisten Micron Technology und dem ehemaligen Highflyer Nvidia von Julius Bär auf.
Gamechanger
Apropos Nvidia, während der US-Konzern mit seinen Technologien ein Gamechanger in der Chip-Industrie ist, haben auch Netflix und Tesla ihre Märkte als Pioniere betreten. Erstgenannter sorgte in den vergangenen zwei Jahrzehnten dafür, dass Streamen von Videos in den eigenen vier Wänden zur digitalen Normalität wurde. Allerdings schläft die Konkurrenz nicht und Big Player wie Amazon und Disney machen dem 1999 gegründeten Konzern inzwischen das Leben schwer. Selbst wenn das Wachstum – insbesondere in den USA – dadurch gebremst wird, ist Netflix weiterhin Marktführer und erfreut sich unter anderem einem starkes Abonnentenzuwachs in den Schwellenländern. Darüber hinaus verspricht die neue Strategie des US-Konzerns Potenzial. Netflix setzt zusätzlich auf ein werbefinanziertes Angebot, um sich an dem weltweit USD 153 Mrd. Dollar schweren Anzeigekuchen ein möglichst grosses Stück abzuschneiden.
Die Netflix-Aktie macht nach einem überaus starken Kursverfall bereits seit Monaten Boden gut. Mit dem jüngsten Vorstoss konnte der Titel sogar die 100- und 200-Tage-Linie nach oben durchkreuzen. Damit liegt der Ball derzeit eindeutig auf der Seite der Optimisten und wer auf weitere Kursgewinne wetten möchte, kann mit einem Hebel-Papier auf den Bullenzug aufspringen.
Etwas anders stellt sich die Situation bei Tesla dar. Zwar ist der Autobauer Vorreiter bei E-Modellen, doch erscheint die Aktie angesichts der zunehmenden Konkurrenz masslos überbewertet. Mit rund USD 600 Mrd. Börsenwert bringt der Konzern mehr auf die Waage als alle europäischen Autokonzerne zusammen. Zudem sorgt Chef und Gründer Elon Musk in unregelmässigen Abständen – mal mit Bitcoin, mal mit haarsträubenden Zukäufen – für Chaos und lässt damit die Ernsthaftigkeit, welcher der Vorsitz eines Autokonzerns bedarf, vermissen. Auch charttechnisch sendet das jüngste Unterschreiten der gleitenden 100- und 200-Tage-Durchschnitte negative Impulse. Eine Short-Position könnte bei Tesla also durchaus Sinn machen.
Rebound-Chancen
Peloton weist dagegen ein spiegelbildliches Chartbild. Die Aktie hat soeben den 100-Tage-Durchschnitt überwunden und nun Platz bis USD 14/15, ehe sich erneute Widerstände einer weiteren Erholung entgegenstellen könnten. Operativ steckt der Fitnesskonzern, der vor allem durch die Pandemie monatelangen Rückenwind spürte, zwar noch in tiefroten Zahlen. Doch konnte das Unternehmen im dritten Quartal den Verlust je Aktie von USD 1.25 auf 1.20 verringern. Vorstandsvorsitzender Barry McCarthy hat seit seinem Amtsantritt im Februar eine Vielzahl von Kostensenkungsmassnahmen eingeleitet, um das Unternehmen auf Wachstum auszurichten. «Unsere erste Aufgabe ist es, die Rentabilität des Geschäfts sicherzustellen, was vor einem Jahr zweifelhaft war. Und ich glaube, das ist nicht mehr der Fall», sagte McCarthy bei der Zahlenvorlage. Das Ziel, in der zweiten Hälfte des Geschäftsjahres 2023 einen ausgeglichenen Cashflow zu erreichen, macht darüber hinaus Hoffnung. Peloton verbrannte zuletzt mehr als USD Mio. im Quartal. Anlegern raten wir trotzdem vorerst dazu, Zuschauer zu bleiben und erst bei spürbaren operativen Verbesserungen zuzuschlagen. Einen Rebound spielen lässt sich mit dem auf Swiss DOTS kotierten Unlimited Turbo-Optionsschein von Société Générale. Der Hebel beträgt 3., die Stoppschwelle liegt bei USD 8.32.