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Tourismus – Hoffnung auf Rückkehr zur Normalität

01.07.2021 8 Min.
  • Dieter Haas

Die Branche zählte zu den von der Pandemie am meisten gebeutelten. In den vergangenen Wochen mehren sich die Anzeichen einer sukzessiven Erholung, auch wenn der Weg zurück ein langer sein wird.

Reisen und Tourismus als Kategorie ist eine der weltweit grössten Wirtschaftssektoren. Sie trägt gut 10% zum globalen Bruttoinlandprodukt bei. Nach dem starken Einbruch im vergangenen Jahr sind die Erwartungen mittlerweile wieder gross. Die Fortschritte bei den COVID-19-Impfungen, sinkende Fallzahlen in vielen Ländern und stetige Lockerungen der bisherigen Einschränkungen bilden eine solide Basis für eine stete Erholung in den kommenden Monaten. Die Hoffnung wird gestützt durch jüngste Daten, die darauf hindeuten, dass die Reisenachfrage wieder anzieht. Es verwundert daher nicht, dass ETFs, die Reise- und Freizeitaktien abbilden, seit Monaten stark ansteigen. Es steckt momentan aber einiges an Hoffnung in den Kursen. Die Realität ist noch längst nicht so, wie sie einmal war. Teils notwendige PCR-Tests, oft unklare Regelungen in Ferienländer und vieles mehr behindern einen globalen Aufschwung. Trotz Impfpass ist derzeit noch so einiges in der Schwebe und dürfte dazu führen, dass auch in diesem Sommer viele im eigenen Land Ferien machen werden, zumal auch einige beliebte Destinationen wie die USA sich trotz fortgeschrittener Impfung ihrer Bevölkerung schwertun mit einer Öffnung. So hat die Biden-Administration erst vor kurzem Experten-Arbeitsgruppen mit Kanada, Mexiko, der Europäischen Union und dem Vereinigten Königreich gebildet, um festzustellen, wie man nach 15 Monaten Einschränkungen auf Grund der Pandemie sicheres Reisen wieder starten kann. Es ist aber nicht damit zu rechnen, dass die Regierung schnell handeln wird, um die Anordnungen aufzuheben, die Menschen aus einem Grossteil der Welt von der Einreise in die Vereinigten Staaten abhalten. Alle Entscheidungen sollen vollständig von der objektiven Analyse und den Empfehlungen von Experten der öffentlichen Gesundheit und der Medizin geleitet werden. Die Gruppen werden vom COVID Response Team des Weissen Hauses und dem Nationalen Sicherheitsrat geleitet und schliessen die Centers for Disease Control (CDC) und andere Agenturen ein. Bis zu einer Rückkehr zur unbe- schränkten globalen Reisefreiheit wie vor der Pandemie dürfte es noch einige Zeit dauern. Vor dem Jahr 2023 ist damit wohl nicht zu rechnen. Vor diesem Hintergrund erstaunt es doch sehr, wie gut sich zuletzt Tourismusindizes entwickelt haben (siehe Grafik 1).

«Reisen und Tourismus als Kategorie trägt gut 10% zum globalen Bruttoinlandprodukt bei.»

Sektorindizes

Die Heterogenität des Bereichs Tourismus macht es schwierig, die Kategorie anlagetechnisch als Ganzes zu erfassen. Es gibt somit nicht die Benchmark, wie in vielen anderen Sektoren. Am einfachsten fassbar wird sie mit Hilfe der Einteilung der Industry Classification Benchmark (ICB). Gemäss deren Klassifikation zählt der Bereich zur Branche Verbraucherservice (5000). Diese umfasst die drei Supersektoren Einzelhandel, Medien sowie Reisen und Freizeit. Von den ausnahmslos in den USA kotierten ETFs setzen einige auf spezifische Segmente wie die Luftfahrt oder Regionen. Als global mit einem Fokus auf die USA können der Dynamic Leisure & Entertainment Intellidex Index sowie der von der Technologiebörse Nasdaq kreierte Nasdaq Global Travel & Leisure Index angesehen werden. Letzterer bietet mit 124 Titeln den breitesten Querschnitt. Im laufenden Jahr sind die Aktien einiger seiner Exponenten regelrecht durch die Decke gegangen. Allen voran AMC Entertainment Holdings. Das Unternehmen ist wie zuvor Gamestop ins Visier der Kleinanleger geraten. Dank einer konzentrierten Aktion konnten diese zweimal (Ende Januar und Ende Mai – siehe Grafik 3) einen sogenannten Short Squeeze herbeiführen und die Titel in ungeahnte Höhen katapultieren, obwohl das Unternehmen aus fundamentaler Sicht alles andere als solide ist. Das sieht bei den nachfolgenden Gewinnern wesentlich besser aus.

Diese erstaunliche Entwicklung, angesichts der nach wie vor in Teilen der Welt grassierenden Pandemie, hat bereits kurz nach dem Taucher der Börse im Februar/März des vorigen Jahres eingesetzt (siehe Grafik 3). Es verwundert dabei wenig, dass die besten, gemessen an der Gesamtrendite der letzten zwölf Monate, vor allem aus dem lokalen Entertainment Business kommen. Dieses Geschäft profitierte vom Wegfall anderer Reisemöglichkeiten und der Grenzschliessungen und kam ziemlich ungeschoren durch die schwierigen Zeiten.

Invesco Dynamic Leisure and Entertainment ETF PEJ

Dieser Fonds bildet den Dynamic Leisure and Entertainment Intellidex Index ab und hält einen kleinen Basket von 31 Aktien. Die Intellidex-Methode der NYSE dient der objektiven Identifizierung derjenigen Aktien innerhalb eines bestimmten Marktsegments, die das grösste Potenzial für Kapitalzuwachs haben. Die Indizes versuchen über die traditionellen Messungen hinauszugehen und die Fundamentaldaten zu berücksichtigen, die gesunde Unternehmen und Wachstum antreiben. Die Methodik bewertet die Unternehmen vierteljährlich, basierend auf einer Vielzahl von Faktoren, die in fünf grosse Kategorien (Superfaktoren) gruppiert sind: Preis-Momentum, Ertrags-Momentum, Qualität, Management Action und Wert. Mit Blick auf die Branche nahmen Ende März Kasinos und Glücksspiele vor Hotels und Restaurants den grössten Anteil ein. Der ETF hat ein Vermögen von USD 1.6 Milliarden. Invesco erhebt für PEJ jährliche Gebühren in Höhe von 63 Basispunkten. Die Gewichtung der Titel ist ziemlich gleichmässig. Keiner der Titel kommt auf mehr als rund 5%. Im laufenden Jahr verzeichnete die Aktie des schwedischen Spieleproduzenten Neogames bislang die höchste Gesamtrendite.

ETFMG Travel Tech ETF AWAY

Der ETF AWAY bildet den Prime Travel Technology Index ab, der die Performance von Technologieunternehmen messen soll, die daran arbeiten, eine neue Ära der globalen Reise- und Tourismusbranche einzuleiten. Dies ist der erste ETF, der Anlegern direkten Zugang zu der technologieorientierten globalen Reise- und Tourismusbranche bietet. Er berechnet den Anlegern 75 Basispunkte an jährlichen Gebühren. Am 18. Juni hielt der Fonds 34 Aktien in seinem Korb, wobei Reisebuchungs- und -reservierungsunternehmen 51.9% des Vermögens ausmachen, gefolgt von 18.5% in Reiseberatungsunternehmen, 16.3% Anteil an Reisepreisvergleichs- firmen und 13.0% an Mitfahrgelegenheiten. AWAY hat ein Vermögen von USD 408 Millionen angehäuft. Die Gewichtungen der einzelnen Titel liegen relativ nahe beieinander. Keine Aktie kommt auf einen Anteil von über 5%. Von der aktuellen Auswahl hat im laufenden Jahr die Aktie von AirTrip performance-mässig den Vogel abgeschossen. Das japanische Unternehmen beschäftigt sich mit der Bereitstellung von Online-Reisebüros und der Entwicklung von Informationstechnologie.

U.S. Global Jets ETF JETS

Dieser Fonds bietet ein Engagement in der globalen Airline-Industrie, einschliesslich Fluggesellschaften und Herstellern aus aller Welt, indem er den U.S. Global Jets Index abbildet. Am 18. Juni hielt das Produkt insgesamt 47 Wertpapiere. Es berechnet den Anlegern 60 Basispunkte an jährlichen Gebühren. Der Fonds hatte am 18. Juni ein Vermögen von USD 3.8 Milliarden angesammelt. Mit einem Anteil von 9.9% war Delta Airline die Aktie mit dem höchsten Gewicht im Index. Bis zum Stichtag wies im laufenden Jahr die mexikanische Controladora Vuela Compañia de Aviación die beste Kursentwicklung auf.

Unausgewogene Europäer

Das Angebot an SIX Swiss Exchange umfasst lediglich die beiden ETFs SXTPEX und TRVD von iShares beziehungsweise Lyxor. Beide basieren auf dem Stoxx Europe 600 Travel & Leisure Index. Dieser vermochte im langfristigen Vergleich nicht mit den Benchmarks, der in den USA kotierten ETFs mithalten (siehe Grafik 1). Nachteilig ist besonders die auf wenige Titel fokussierte Titelauswahl. So dominierten im europäischen Sektorindex am 18. Juni mit der schwedischen Evolution Gaming (19.6%), der irischen Flutter Entertainment (15.1%) und der britischen Entain (9.9%) mit einem Gesamtanteil von 4.6% drei Unternehmen des Sportwetten- und Glücksspielbereichs. Wegen dieser sehr speziellen Zusammensetzung sind die beiden ETFs suboptimal, um mit ihnen auf eine regionale Erholung der europäischen Tourismusindustrie zu setzen.

«Die Heterogenität des Bereichs Tourismus macht es schwierig, die Katego- rie anlagetechnisch als Ganzes zu erfassen.»

Magere Schweizer Auswahl

SIX Swiss Exchange veröffentlicht mit dem SPI ICB Supersector 5700 Travel & Leisure einen Sektorindex Reisen und Freizeit. Er umfasst allerdings lediglich fünf Titel (Jungfraubahn, lastminute.com, Highlight Event and Entertainment, Titlis Bergbahn und Asmallworld). In punkto Grösse und Bedeutung können nur die beiden ersten empfohlen werden. Gut läuft es derzeit vor allem bei lastminute.com. Das Unternehmen startete mit guter Cash-Position und tieferer Kostenbasis in das Jahr 2021 und ist bereit für die erwartete Erholung. Die Anleger teilen diese Ansicht, wie sich am kontinuierlich steigenden Aktienkurs ablesen lässt. Im Segment der Strukturierten Produkte findet sich kein Tracker-Zertifikat. Der Sektor ist aktuell ein weisser Fleck in der Landschaft.

Starkes Momentum der Empfehlungen

Da die Börse bekanntlich Erwartungen handelt, erstaunt die seit Monaten überdurchschnittliche Entwicklung von ETFs auf den Bereich Reisen und Tourismus nur zum Teil. Die Mehrrenditen von PEJ und AWAY verdanken die beiden ETFs ihrer breiten Abdeckung. Erstaunlicher ist diese bei JETS, auch wenn es jüngst verstärkt Anzeichen einer immer kräftiger werdenden Erholung gibt. Für die kommenden Monate dürfte das Momentum anhalten, zumal viele Länder der Welt ihre COVID-19-Lockerungen ausbauen und die steigenden globalen Impfquoten darauf hoffen lassen, dass es keine oder höchstens eine sehr abgeschwächte vierte Welle geben wird. Nimmt man die Dauer der Spanischen Grippe als Blaupause, dann müsste spätestens im kommenden Jahr der Spuk vorüber sein. Der Tourismusindustrie würde das natürlich zupass kommen, dito Anlagevehikeln auf den Sektor. Der Trend dürfte somit weiterhin nach oben zeigen. Das Ende der Fahnenstange ist noch nicht in Sicht.

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