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payoff Focus

Ungebremste Börsenpower

20.08.2015 12 Min.

Die nach der Finanzkrise tot geglaubte US-Wirtschaft hat das Comeback geschafft. Neuanträge auf Arbeitslosengeld fielen auf den tiefsten Stand seit 1973. Die Wall Street rollt kraftvoll nach oben. Corporate America ist wieder ein begehrtes Investitionsziel. Was Anleger jetzt wissen müssen.

Eigentlich hätte 2015 das Jahr der Janet Yellen werden können. Investoren, Strategen und Analysten verfolgten noch im Januar jedes Wort der Präsidentin des Federal Reserve Boards zum Thema Zinswende. Doch das griechische Schuldendrama stahl der weisshaarigen Notenbankerin dann abrupt die Show. Damit sollte jetzt – nach dem Herkulesakt der Eurogruppe und schwäbisch-deftigem Verhandlungspoker von Wolfgang Schäuble – Schluss sein. Die Griechen sind formal für die nächsten Monate gerettet. Nachlassende Schlagzeilen aus Richtung Ägäis lassen insbesondere institutionelle Anleger aus Europa wieder den Blick weiten. Am lohnenswertesten scheint derzeit eine Verlagerung des Anlagefokus über den Atlantik. Schliesslich erlebt die grösste Volkswirtschaft der Welt gerade eine Art heimlichen Aufschwung, während der Billigheimer-Werkplatz China (grösster Import-Handelspartner der USA) sich zunehmend mit Symptomen einer temporären Börsengrippe herumschlagen muss.

Jobwunder hebt Stimmung

Dreh- und Angelpunkt ist der Arbeitsmarkt. Im Zuge der durch die Finanzkrise ausgelösten Rezession kam es in den USA zu einem wahren Stellen-Kahlschlag. Von Anfang 2008 bis Oktober 2009 verdoppelte sich die Arbeitslosenquote auf 10%. Es wurden Tausende Arbeitnehmer im Tages-Rhythmus gefeuert – insbesondere kleine und mittlere Einkommensempfänger. Doch dann begann die von Yellens Vorgänger Ben Bernanke initiierte Politik zu wirken. «Helicopter Ben» wurde seinem Ruf gerecht und sagte der Krise mit einer Kombination aus rekordtiefen Zinsen und milliardenschweren Lockerungsmassnahmen, Stichwort «QE», den Kampf an. Parallel bauschte Präsident Obama mit dem Build America-Programm die Infrastrukturausgaben auf.Mit Erfolg: Im Juni 2015 lag die Arbeitslosenquote in den USA mit 5,3% nur noch knapp über dem Vorkrisenniveau. Damit haben die Sektoren ausserhalb der Landwirtschaft nicht nur den immensen Stellenverlust der Jahre 2008 und 2009 wettgemacht. Intime Kenner verweisen allerdings auf statistische Ungereimtheiten: Zwar ist der Arbeitsmarkt deutlich erholt, doch fallen die Zahlenerhebungen gewohnt amerikanisch pragmatisch aus. Dennoch, aller Unschärfen zum Trotz sind seit dem Frühjahr 2014 sogar 3,5 Millionen neue Arbeitsplätze entstanden. Schilder mit «We are hiring» findet man inzwischen wieder an vielen Geschäftseingängen. Diese Entwicklung trägt dazu bei, dass auch der Markt für Einfamilienhäuser dabei ist, den Zusammenbruch während der Finanzkrise aufzuholen. «Der Immobiliensektor feiert gerade eine Art kleines Comeback», erklärt Dr. Mark M. Zandi, Chefvolkswirt bei Moody’s Analytics (xxx). Die Nachfrage- und Preisentwicklung bei den Single Family Homes gilt als der Gradmesser für die Gesundheit der amerikanischen Mittelklasse.

 

Cool trotz Vorwahlen-Getöse

Aus konjunktureller Sicht wachsen die sprichwörtlichen Bäume zwar, doch nicht so in den Himmel, wie es Präsidentschaftsanwärter Jeb Bush gern hätte. Er fantasierte vor wenigen Tagen medienwirksam von einem US-Bruttoinlandsprodukt (BIP) von 4% im Jahr, wenn er nur an die Macht käme. Sehr cool bleibt bei solchen Aussagen der Internationale Währungsfonds (IWF). Gemäss dessen Zahlen expandiert das BIP in den Vereinigten Staaten im aktuellen Jahr um 2,5% – und nicht mehr. Damit würde das Land die Gangart gegenüber den vergangenen drei Jahren moderat erhöhen. Selbst wenn das Wachstum 2016 die vom IWF prognostizierten 3% erreicht, sind die USA noch weit von den Raten entfernt, die eine Überhitzung befürchten lassen würden. Beispielsweise legte die Wirtschaftsleistung im Boom vor der Jahrtausendwende um bis zu 4,7% (1999) zu. Auch die Teuerung bewegt sich trotz der ultraexpansiven Geldpolitik auf einem moderaten Niveau. Während die US-Kerninflation Ende 2010 noch bei weniger als 1% lag, pendelte sie sich nach einem markanten Anstieg knapp unter dem von der Notenbank angepeilten 2%-Niveau ein.

Wall Street liebt Goldlocken

Die US-Wirtschaft überdreht also nicht und droht gleichzeitig auch nicht stark abzukühlen. Im Fachjargon wird diese Konstellation als «Goldilocks»-Phase bezeichnet. Sie gilt wie geschaffen für Aktien. Der Kursverlauf an der Wall Street unterstreicht diese These. Gegenüber dem Krisen-Tief von Anfang 2009 hat sich der S&P 500 Index mehr als verdreifacht. Noch steiler ging es mit dem NASDAQ 100 nach oben. Dennoch stockte die US-Aktienrally in den vergangenen Monaten etwas. Die kurzfristige Underperformance lässt sich ein Stück weit mit der Situation an den Devisenmärkten erklären. Vor rund einem Jahr startete der US-Dollar eine beachtliche Aufwertungswelle. In Relation zu einem aus sechs Hauptvaluten (EUR, JPY, GBP, CAD, SEK und CHF) bestehenden Korb legte der Greenback in der Spitze um rund ein Viertel zu. Die Mitglieder des S&P 500 erwirtschaften gemäss Factset rund 30% ihrer Umsätze ausserhalb Nordamerikas. Die Wechselkurseinflüsse hinterlassen somit Spuren in den Erfolgsrechnungen. Beispiel Nike: Der weltgrösste Sportartikelkonzern verbuchte für das Geschäftsjahr 2015 (Ultimo Mai) bei den Erlösen eine Steigerung von +10%. Lässt man die Dollar-Aufwertung aussen vor, wäre das Wachstum gar um 4% höher ausgefallen. Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass die Gewinne im US-Unternehmenssektor etwas ins Stocken geraten sind. Parallel kommen sanfte Lohnsteigerungen dazu. Laut Factset liegt der 2015er-Analystenkonsens für den S&P 500 bei einem Ergebnis je Aktie (EPS) von 118,75 Indexpunkten. Behalten die Experten recht, wäre dies die geringste Steigerungsrate seit sechs Jahren. Doch schon bald sollen die Profite wieder kräftiger sprudeln. Für 2016 sagen die Researchhäuser im Schnitt ein EPS von 132,41 Punkten voraus, was ein Wachstum von 12% bedeuten würde.

FED-News am 18. September?

Bei der bis in den August hinein laufenden Berichtssaison zum zweiten Quartal wird sich ein Stück weit zeigen, ob die aktuellen Prognosen realistisch sind. Der Auftakt in die «Earnings Season» ist jedenfalls gelungen: Laut Factset konnten von den ersten 61 Mitgliedern des S&P 500, die sich zu Wort gemeldet haben, 72% die Gewinnschätzungen übertreffen. Auch das Fed wird die publizierten Unternehmensergebnisse wohl unter die Lupe nehmen, um die Lage der weltgrössten Volkswirtschaft möglichst genau beurteilen zu können. Wenn der Offenmarktausschuss am 16. September zu einem zweitägigen Treffen zusammenkommt, dürften jedoch die Lage am Arbeitsmarkt sowie die aktuellen Inflationsdaten im Vordergrund stehen. Bekanntlich sind Vollbeschäftigung und stabiles Preisniveau die zentralen Ziele der US-Notenbank. FED-Chefin Yellen macht keinen Hehl daraus, dass es noch im laufenden Jahr zur ersten Zinserhöhung seit Mitte 2006 kommen könnte. Allerdings sind die Mitglieder des Offenmarktausschusses hinsichtlich des genauen Zeitpunkts uneins. Das zeigt das Protokoll der Juni-Sitzung. Dr. Mark M. Zandi geht davon aus, dass es bereits im September so weit ist. «Ein Hinweis für das Timing des ersten Zinsschrittes sind klare Anzeichen dafür, dass die Vollbeschäftigung fast erreicht ist», meint der Moody’s Analytics-Ökonom. Erhebliche Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt erwartet er dadurch allerdings nicht.

Gutes Signal

In der Tat dürfte das Fed mit Bedacht vorgehen und den Leitsatz zunächst allenfalls um 0,25% nach oben schrauben. Für die Wall Street wäre dieses Szenario sogar positiv. Es würde zum einen für die Stärke der US-Wirtschaft sprechen. Gleichzeitig könnte sich die in den USA dominierende Finanz- und Versicherungswirtschaft über bessere Kalkulationsgrundlagen freuen. In Kombination mit der Aussicht auf steigende Unternehmensgewinne wäre damit die relativ hohe Bewertung gerechtfertig. Auf Basis der für die kommenden zwölf Monate erwarteten Gewinne beträgt das Kurs-Gewinn-Verhältnis beim S&P 500 rund 17. Zum Vergleich: In den vergangenen zehn Jahren zeigte die Kennzahl einen durchschnittlichen Wert von 14,1. Zum aktuellen Preis positionieren sich Anleger in Unternehmen, die vielfach vor Kraft strotzen. Mit hohen Dividenden und gross angelegten Aktienrückkäufen geben die Konzerne ihren Erfolg an die Anteilseigner weiter und liefern so ein zusätzliches Argument für US-Investments (siehe Side-Content).

Sinnvolle Produktlösungen

Wer sich den S&P 500 als Ganzes ins Portfolio holen möchte, stösst an der SIX Structured Products Exchange auf mehrere Tracker-Zertifikate. Die UBS offeriert Tracker ohne Management-Gebühr auf Dow Jones Index (ETDOW), S&P500 Index (ETSPX) oder auch S&P400 MidCap (ETSPM). Ebenfalls erste Wahl ist SPXIT. Das Open-End-Produkt der Zürcher Kantonalbank (ZKB) zeigt einen tiefen Durchschnitts-Spread von 0,24%. Für das in der Indexwährung USD denominierte Derivat fallen ebenfalls keine Gebühren an. Während der Anleger hier eins zu eins am Verlauf des US-Leitbarometers partizipiert, zielen Barrier Reverse Convertibles auf eine in etwa stabile Kursentwicklung ab. Mit Apple, Facebook und Microsoft hat Vontobel drei prominente NASDAQ-Titel in die Neuemission VONOHF gepackt. Das Trio macht einen garantierten Coupon von 11,12% p.a. möglich. Die Barriere taxiert die Privatbank bei 70% des anfänglichen Kursniveaus. Solange keine der drei Aktien den Risikopuffer aufbraucht, erhalten Anleger das USD 1‘000 betragende Nominal nach der zwölfmonatigen Laufzeit vollständig zurück. Geht dieses Kalkül nicht auf, ist das Investment dem vollen Kursrisiko ausgesetzt. Massgeblich für die Tilgung ist in diesem Szenario der Blue Chip mit der schwächsten Performance.

Auch Kapitalschutz verfügbar

Doch ist auch der US-Aktienmarkt natürlich keine Einbahnstrasse. «Wenn die Federal Reserve Bank anfängt, die Zinssätze in einem Masse zu erhöhen, welches die Mehrheit der Marktteilnehmer als ernste Bremse interpretiert, könnte dies zu Überraschungen führen», so Moody’s Chefvolkswirt Zandi. Er rät Anlegern daher, wachsam zu bleiben und die Notenbank im Auge zu behalten. Für Investoren, die auf Nummer sicher gehen möchte, hat die Credit Suisse vor Kurzem das Kapitalschutz-Zertifikat SPXCPY lanciert. Per 12. Juni 2020 gibt die Emittentin eine vollständige Garantie für das Nominal in Höhe von USD 1‘000 ab. Gleichzeitig partizipiert das Produkt vollumfänglich an steigenden Kursen beim S&P 500. Allerdings hat die Grossbank eine Callable-Funktion in die Struktur eingebaut: Alle zwölf Monate, erstmals im Juni 2016, kann sie das Produkt kündigen. Das für Anleger dabei entstehende Wiederanlagerisiko würde die Credit Suisse mit einer Couponzahlung in Höhe von 3% p.a. vergüten.

 

Effizienz im ETF-Mantel

 

Wer einfach und direkt am gesamten US-Aktienmarkt partizipieren möchte, gleichzeitig aber bewusst eine Fondshülle im Portfolio haben möchte, greift sinnvollerweise auf ETF-Evergreens zurück: Pures Index-Tracking zu hamburgerflachen Gebührensätzen (TER 0,05% p.a.) gibt es ebenfalls aus dem Hause UBS auf den S&P 500 Index mit dem S5USAS. Eine Index-Alternative ist von Vanguard mit dem VNRT auf den FTSE North America Index (TER: 0,10% p.a., Spread 0.18%) erhältlich. Dieser Index präsentiert sich mit bewusstem Übergewicht gegenüber dem klassischen S&P 500 Index bei Financials, Insurance, Utilities und Materials. Im Lichte der möglichen Zinserhöhung eine gute Chance für Outperformance dank dem Finanzsektor. Für bekennende Small-Cap-Fans hat der ETF-Emittent Amundi noch ein Special auf Lager: Mit RS2U kann am Russel 2000 Index partizipiert werden. Der ETF kommt mit einer Gebührenstruktur (TER) von 0,35% pro Jahr aus, der Spread ist für Small Caps relativ eng bei rund 0,24%. Alle genannten ETFs sind börsentäglich an der SIX Swiss Exchange handelbar.

 

Aktienrückkäufe: Mit Buy-Back-ETFs profitieren

Viele US-Konzerne zeigen sich derzeit gegenüber ihren Anteilseignern besonders spendabel. Das gilt nicht nur wegen der immensen Dividendenzahlungen. Viele Unternehmen kaufen darüber hinaus im grossen Stil eigene Aktien zurück. Laut einer Barclays-Analyse belief sich das Buyback-Volumen im S&P 500 über die vergangenen vier Jahre auf annähernd USD 2 Bio. Von Januar bis Mai 2015 nahmen die angekündigten Rückkäufe um die Hälfte auf rund USD 350 Mrd. zu. Während Apple und General Electric jeweils USD 50 Mrd. zu dieser Summe beisteuerten, öffneten mit Home Depot, Gilead Sciences und Qualcomm weitere prominente Konzerne die Schatulle. Die Börse honoriert solche Massnahmen – die Aktienkurse der rückkaufenden Unternehmen haussieren.

Hier setzen drei vor Kurzem in der Schweiz lancierte Exchange Traded Funds (ETFs) an. Amundi bietet eine passive Positionierung im S&P 500 Buyback Index. Dieser Gradmesser enthält die 100 Unternehmen aus dem US-Leitbarometer, welche auf Sicht von zwölf Monaten die höchste Rückkaufquote zeigen. Für ihren Fonds BYBU rufen die Franzosen eine Managementgebühr von 0,15% p.a. auf. 40 Basispunkte mehr veranschlagt iShares für den ETF BACK. Der Branchenkrösus bildet den Nasdaq US Buyback Achiever Select Index ab. Für diese Benchmark kommen US-Gesellschaften infrage, die im Zwölf-Monats-Zeitraum die Zahl der ausstehenden Anteilsscheine um 5% oder mehr reduziert haben. Nasdaq Global Indexes berechnet auch eine internationale Variante dieses Barometers. Aktuelles Schwergewicht ist hier Airbus. Aus gutem Grund: Ende Mai bestätigte die Generalversammlung des Flugzeugbauers ein laufendes 10%-Rückkaufprogramm und segnete zudem eine ausserordentliche Massnahme im selben Umfang ab. Anleger können die globale Buyback-Benchmark über den Indexfonds BUYB von Powershares kaufen. Die Managementgebühr beträgt 0,39% p.a.

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