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payoff Focus

Unter Strom: E-Mobilität vor dem Durchbruch

04.07.2019 10 Min.
  • Serge Nussbaumer, Chefredaktor

Steigende Reichweiten, sinkende Preise, neue Modelle – endlich ist es soweit: Das Elektroauto könnte bald massentauglich werden. Welche Märkte und Unternehmen Anleger im Blick haben sollten.

 

Was für ein Spektakel. Mehr als 100’000 Besucher wurden am 22. Juni 2019 in der Innenstadt von Bern Zeugen des letzten Rennens der Formel-E-Serie in Europa. Die meisten Gäste dürften ihr Kommen nicht bereut haben: Packende Duelle, gewagte Manöver, Spannung bis zur letzten Runde sowie ein Schweizer auf dem Podest – all das gab es zu sehen. Das Einzige, was fehlte, war der Geruch von Benzin. Denn die Formel E (offiziell: ABB FIA Formula E Championship) ist eine Serie, die ihre Rennen ausschliesslich mit elektrisch angetriebenen Boliden austrägt. Ausserdem finden die Wettkämpfe – anders als bei klassischen Rennen – nicht auf künstlich angelegten Rundstrecken statt, sondern in den Stadtzentren. Das Event soll laut den Veranstaltern «direkt zu den Zuschauern gebracht werden – und nicht umgekehrt».

 

«Dass die Schweiz nach dem E-Prix in Zürich von 2018 bereits zum zweiten Mal Austragungsort eines Formel-E-Rennens war, ist kein Zufall.»

 

Formel E als technologischer Vorreiter
Die Formel E hat zweifelsohne einen hohen Unterhaltungswert, sie verfolgt aber auch noch ein anderes Ziel. Denn die Elektrorennserie will eigenen Angaben zufolge Vorreiter sein bei Nachhaltigkeit, Effizienz und technologischem Fortschritt. Durch die Wettkämpfe soll die Automobilindustrie angespornt werden, die Entwicklung von klimafreundlichen Elektroautos schneller voranzutreiben. Dass die Schweiz nach dem E-Prix in Zürich von 2018 bereits zum zweiten Mal Austragungsort eines Formel-E-Rennens war, ist kein Zufall. «Herr und Frau Schweizer interessieren sich zunehmend für E-Mobilität und greifen bei entsprechenden Fahrzeugen häufiger zu», berichtet auto-schweiz, so heisst die Vereinigung der offiziellen Automobil-Importeure. Laut einer Umfrage von auto-schweiz können sich rund 72% der stimmberechtigten Eidgenossen vorstellen, beim nächsten Autokauf ein entsprechendes Modell zu erwerben.

 

Elektroautos in der Schweiz gefragt
Wie ernst es viele Bürger beim Thema E-Mobilität meinen, zeigen neuere Zulassungszahlen. Demnach schnellten die Neuzulassungen für Personenwagen mit alternativen Antrieben im vergangenen Jahr um 23% auf den Rekordwert von 21’591 Fahrzeuge nach oben.1 Zur Gruppe der alternativen Antriebe gehören neben batteriebetriebenen Elektrofahrzeugen und Hybridmodellen auch wasserstoff- oder gasbetriebene Autos. Zwar mutet der Anteil der «Alternativen» an den Gesamtzulassungen mit 7.2% auf den ersten Blick etwas mager an. Im internationalen Vergleich ist das aber ein überdurchschnittlicher Wert. In Deutschland zum Beispiel lag der Anteil von PKWs mit umweltfreundlichen Antrieben an den gesamten Neuzulassungen lediglich bei 5.3%.2 Und noch ein Kunststück haben die Schweizer Autokäufer geschafft. Im März 2019 war erstmals in der Geschichte der Neuzulassungen das meistverkaufte Fahrzeug ein Elektroauto. Der Tesla Model 3 erzielte in diesem Monat knapp 1’100 zugelassene Exemplare und liess damit sogar Klassiker wie den Golf von Volkswagen oder den Skoda Octavia hinter sich.3

 

 

Absatz von E-Autos «explodiert»
Aber nicht nur in der Schweiz, auch weltweit befindet sich das E-Auto auf der Überholspur. Nach Berechnung der auf die Autoindustrie spezialisierten Beratungsgesellschaft Jato wurden im vergangenen Jahr 1.26 Millionen batteriebetriebene Elektrofahrzeuge (BEVs) verkauft. Das ist ein Plus von 74% und einer der höchsten Zuwächse unter allen Fahrzeugklassen auf dem Weltmarkt. Die Jato-Analysten nennen für die sprunghaft gestiegene Nachfrage mehrere Gründe: Zum einen rücken die Themen Nachhaltigkeit und Umweltschutz auch in China immer stärker in den Fokus der Verbraucher. Im Reich der Mitte, dem grössten Automarkt der Welt, sind im vergangenen Jahr knapp 770’000 batteriebetriebene Personenkraftwagen verkauft worden. Damit ist die Volksrepublik der mit Abstand grösste Markt für das Elektroauto. Davon profitieren insbesondere auch chinesische Hersteller wie BAIC und BYD mit 152’000 beziehungsweise 95’000 verkauften E-Pkws (2018). Zum anderen, so die Analysten von Jato, hätte die Dieselkrise in Europa dazu beigetragen, die Konsumenten für die Vorteile des Elektrofahrens zu sensibilisieren.

 

 

Reichweiten steigen kontinuierlich
Dass E-Mobilität bald massentauglich werden könnte, hat aber noch andere Gründe. Bisher galten die mangelnden Reichweiten, die langen Batterieladezeiten sowie die hohen Preisaufschläge im Vergleich zum Verbrenner als Haupthemmnisse für den Kauf eines Elektroautos. Bei all diesen Faktoren könnten die Ampeln bald auf Grün springen. Laut einer Studie der Beratungsgesellschaft Horváth & Partners lag die durchschnittliche Reichweite aller 2018 verkauften Elektrofahrzeuge auf Basis der Herstellerangaben bei geschätzten 332 Kilometern. Vor sechs Jahren war es lediglich knapp die Hälfte. Die Horváth-Experten gehen davon aus, dass mit sinkenden Batteriepreisen und verbesserter Batterietechnik Automobilhersteller in den kommenden Jahren deutlich höhere Reichweiten in Elektrofahrzeugen verbauen werden. Ihrer Prognose zufolge wird bis 2020 ein neu zugelassenes reines Elektroauto im Durchschnitt rund 415 Kilometer mit einer Batterieladung zurücklegen können.4

 

 

Hersteller blasen zur Offensive
Hinzu kommt, dass die Modellpalette an E-Autos immer grösser wird. Viele Massenhersteller bringen endlich attraktive und erschwingliche Volumenmodelle auf den Markt. Zu den Hoffnungsträgern zählen neben dem Smart EQ von Daimler vor allem reichweitenstarke Modelle wie der Nissan Leaf oder der Hyundai Kona Elektro. Auch Volkswagen geht mit seiner ID-Serie in die Offensive. Ein Beispiel hierfür ist das Mittelklassemodell ID.3. Von Anfang Mai bis Anfang Juni gingen bei Volkswagen schon 20’000 Vorbestellungen für das Sondermodell ID.3 „1st“ ein. Das Fahrzeug verfügt über eine Reichweite von 420 Kilometer und kostet zunächst EUR 40’000. Vom regulären ID.3 will Volkswagen künftig 100’000 Fahrzeuge jährlich verkaufen, dann schon ab einem Anfangslistenpreis von EUR 30’000.

 

Tesla führt Rangliste an
Volkswagen hat sich das Instrument der Vorbestellungen offensichtlich von Tesla abgeschaut. Der E-Auto-Pionier aus dem Silicon Valley startete bereits im vergangenen Jahr die Auslieferung des Model 3. Mit diesem Typ will Tesla den Massenmarkt erobern. 138’000 Stück davon wurden 2018 an den Mann beziehungsweise an die Frau gebracht. Damit wurde das Model 3 quasi über Nacht zum meistverkauften Elektrofahrzeug der Welt. Nimmt man die Premiummodelle S und X hinzu, setzten die Kalifornier insgesamt 230’000 Fahrzeuge ab. Mehr Elektroautos hat kein anderer Hersteller im vergangenen Jahr verkauft. Der Start in dieses Jahr verlief für Tesla dennoch sehr holprig. Im ersten Quartal gingen die Auslieferungen für die Modelle S und X gegenüber dem Vorquartal um 56% auf 12’100 Fahrzeuge zurück. Und auch vom Model 3 wurde in den ersten drei Monaten des Jahres mit 51’000 Fahrzeugen um 20% weniger abgesetzt als im Quartal davor.5 Die Folge war ein Quartalsverlust von USD 702 Millionen – was an den Aktienmärkten Ängste hinsichtlich der Liquidität des Unternehmens schürte. All das brachte die Aktie in den ersten Monaten des Jahres gehörig unter Druck.

 

 

Auf den Pionier mit Sicherheitspuffer setzen
Mittlerweile hat sich die Tesla-Aktie wieder etwas erholt. Aus Sicht von CEO Elon Musk handelt es bei dem enttäuschenden Jahresstart nur um ein vorübergehendes Problem. Auf der Hauptversammlung kündigte der charismatische Firmenchef für das 2. Quartal einen neuen Auslieferungsrekord an. Ausserdem erklärte er, dass man beim Model Y – einem kompakten SUV – mit der Serienproduktion Ende 2020 beginnen werde. Diese Baureihe, so Musk, sei wahrscheinlich für mehr Verkäufe gut als alle bisherigen Modelle zusammen.6 Aufgrund der hohen Volatilität der Aktie bieten Renditeoptimierungsprodukte auf den Titel derzeit besonders attraktive Konditionen. Dazu zählt zum Beispiel der von Vontobel emittierte Barrier Reverse Convertible RTSA5V. Das Produkt ist mit einem Coupon von 9.23% p.a. ausgestattet, der am Laufzeitende im Juni 2020 unabhängig von der Wertentwicklung der Aktie gezahlt wird. Die Barriere liegt bei USD 105.52 und damit aktuell um mehr als 50% unter dem aktuellen Kurs.

 

 

Multi-Produkte: Anlegen im Dreierpack
Wer neben Tesla auch die aufstrebenden chinesischen Autokonzerne «an Bord» haben möchte, sollte einen Blick auf den Multi Barrier Reverse Convertible JLVLTQ von Leonteq werfen. Basiswerte sind neben der US-Firma der chinesische Autoriese BYD sowie Geely Automobile Holdings mit Sitz in Hongkong. Der Coupon beträgt 20% p.a. Da der Briefkurs mit 92.37% aktuell deutlich unter pari kotiert, bietet das Produkt die Chance auf eine Maximalrendite von 34.5% p.a. Die Barrieren lagen zur Emission im Mai jeweils bei 50% der Anfangsfixierung. Allerdings hat sich der Puffer bei Geely infolge durchwachsener Geschäftszahlen schon auf 39% reduziert. Bei einer Restlaufzeit des Produkts von mehr als einem Jahr ist das Risiko einer Barriereverletzung also nicht zu unterschätzen. Über eine deutlich kürzere Restlaufzeit bis November 2019 verfügt der Multi Barrier Reverse Convertible MCGWJB von Julius Bär. Basiswerte sind hier die europäischen Autoriesen Volkswagen (ID-Serie), Renault (Zoe) und PSA (Peugeot e-208). Die Renditechancen wachsen mit 3.9% beziehungsweise 10.3% p.a. zwar nicht in den Himmel, können sich aber angesichts des überschaubaren Anlagezeitraums und eines Puffers von jeweils rund 40% sehen lassen.

 

E-Mobilität im Tracker-Format
Eine breiter gestreute und zeitlich unbegrenzte Investitionsmöglichkeit in den Zukunftsmarkt Elektromobilität bietet das von der Raiffeisen Schweiz angebotene Tracker-Zertifikat DGGRCH. Das Produkt partizipiert eins zu eins an der Wertentwicklung des Solactive Electric Mobility Index. Dieser enthält 20 Aktien, darunter nicht nur E-Auto-Hersteller, sondern auch eine Reihe von Batterieproduzenten. Man mag sich fragen, warum ausgerechnet Tesla nicht im Index zu finden ist. Die Antwort: Zum einen, weil Unternehmen mit einem erwarteten Kurs-Gewinn-Verhältnis von mehr als 20 von einer Aufnahme ausgeschlossen sind. Zum anderen, weil US-Aktien nicht dem Auswahluniversum angehören.

 

Investieren in das «Auto der Zukunft»
Eine noch stärker diversifizierte Anlage stellt der Future Mobility ETF von Xtrackers der Deutschen Bank dar. Benchmark für den ETF ist der Nasdaq Yewno Future Mobility Index. Dieser bildet die Wertentwicklung von 100 Unternehmen ab, die «ein wesentliches Exposure in Bereichen mit Bezug auf die Mobilität der Zukunft aufweisen». Das ist relativ breit gefasst und enthält neben E-Mobilität auch Themenbereiche wie autonomes Fahren, Robo Taxis oder Car Sharing. Der Future Mobility ETF XMOV wurde erst Ende Januar 2019 aufgelegt. Überzeugen konnte die Performance zuletzt allerdings nicht. Bei dem Produkt handelt es sich weniger um ein taktisches Investment, als um eine eher langfristige Anlage, die zum Beispiel als Baustein einer Core-Satellite-Strategie zum Einsatz kommen kann.

 

 

1) auto-schweiz, Alternative Antriebe: Alles auf Grün, 11. Januar 2019 https://www.auto.swiss/aktuell/artikel/alternative-antriebe-alles-auf-gruen/

2) m Kraftfahrtbundesamt, Jahresbilanz der Neuzulassungen 2018 https://www.kba.de/DE/Statistik/Fahrzeuge/Neuzulassungen/neuzulassungen_node.html

3) auto-schweiz, Zulassungen neuer Personenkraftwagen nach Modellen https://www.auto.swiss/de/statistiken/pw-zulassungen-nach-modellen/

4) Horvath & Partner, Fakten-Check Mobilität 3.0 https://www.horvath-partners.com/de/media-center/studien/detail/fakten-check-mobilitaet-30-2/

5) Tesla, First Quarter 2019 Update https://ir.tesla.com/static-files/b2218d34-fbee-4f1f-ac95-050eb29dd42f 

6) Reuters, 12. Juni 2019 https://de.reuters.com/article/us-tesla-shareholders-idUSKCN1TC2SY

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